Hintergrund
Eine Frau hatte sich – überwiesen durch ihre Gynäkologin – ambulant in einer Klinik vorgestellt. Dort wurde bei ihr eine Hypermenorrhoe in Verbindung mit einem bekannten Uterus myomatosus diagnostiziert. Daraufhin wurde eine ambulante Hysteroskopie mit fraktionierter Abrasio vereinbart. Am geplanten Tag der Hysteroskopie wurde die Patientin von einer Assistenzärztin der Gynäkologie und einer Oberärztin der Gynäkologie operiert.
Bei dem Eingriff erfolgte zunächst eine Kürettage des Gebärmutterhalses, gefolgt von einem mehrfachen Einführen des Hysteroskops. Die Ärztinnen setzten dabei ein monopolares Resektoskop ein, um einen vorhandenen Polypen vollständig zu entfernen. Als Spülmittel nutzten sie etwa 2,5 Liter destilliertes Wasser. Bei der Patientin kam es zu einer Asystolie, was eine 25-minütige kardiopulmonale Reanimation durch das Team der Anästhesie erforderlich machte. Nach Stabilisierung wurde die Patientin intubiert und zur weiteren Behandlung auf die interdisziplinäre Intensivstation verlegt.
Aufgrund des Verdachts auf eine intraabdominelle Blutung erfolgte eine Laparotomie, bei der etwa 1,5 Liter nicht geronnenes Blut in der Bauchhöhle abgesaugt wurden; eine Uterusperforation konnte jedoch nicht festgestellt werden. Stattdessen zeigte sich eine Blutung am Ligamentum falciforme hepatis mit einem oberflächlichen Riss in der Leberkapsel. Das Ligament wurde reseziert und die Blutung an der Leberoberfläche gestillt. Im Anschluss wurde die Patientin aufgrund der Reanimationsmaßnahmen prophylaktisch gekühlt und die intensivmedizinische Behandlung wurde fortgesetzt.
Da ein Hirnödem auftrat, wurde eine Therapie zur Senkung des Hirndrucks eingeleitet. Trotz neurochirurgischer und neurologischer Untersuchung wurde von einer Verlegung in ein Krankenhaus der Maximalversorgung abgesehen. Die Patientin verstarb an einem protrahierten Schock und Multiorganversagen, ohne seit Einleitung der Narkose jemals wieder das Bewusstsein erlangt zu haben.
Erben werfen Ärzten mehrere Behandlungsfehler vor
Die Klinik zahlte den Erben der Patientin einen Betrag von 30.000 €, der mit den Beerdigungskosten und dem Unterhaltsschaden verrechnet wurde. Die klagenden Erben haben dem Klinikum und den behandelnden Ärzten mehrere Behandlungsfehler vorgeworfen. Die Verwendung des eingesetzten monopolaren Resektoskops stelle eine veraltete Operationstechnik dar. Außerdem sei als Distensionsmedium fehlerhaft destilliertes Wasser in den Blutkreislauf der Patientin eingebracht worden, was eine Hämolyse mit schwerwiegenden Folgen zur Folge gehabt habe. Zusätzlich sei es zu einer Lufteinschwemmung in den Gefäßkreislauf gekommen, was eine Luftembolie verursacht habe.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher und mündlicher Sachverständigengutachten.
Landgericht sieht groben Behandlungsfehler
Das erstinstanzliche Landgericht hatte das Klinikum und die beiden Operateurinnen – als sog. Gesamtschuldner – zu einem Schmerzensgeld verurteilt und die Haftung für sämtliche künftigen unvorhersehbaren immateriellen sowie alle vergangenen und künftigen materiellen Schäden festgestellt. Grund: Ein grober Behandlungsfehler konnte bewiesen werden.
Die Durchführung der Hysteroskopie, bei der destilliertes Wasser statt einer isotonischen Lösung als Distensionsmedium verwendet worden sei, um die Gebärmutterhöhle zu entfalten, habe den medizinischen Standards widersprochen und letztlich zum Tod der Patientin geführt. Der gerichtlich bestellte Sachverständige habe in seinem Gutachten bestätigt, dass es sich bei der Wahl von destilliertem Wasser um einen groben gynäkologischen Behandlungsfehler handele.
Destilliertes Wasser sei für den Einsatz in der Gebärmutterhöhle ungeeignet, da es nicht in die Blutbahn gelangen dürfe – eine Grundregel, die bereits Medizinstudenten lernen würden. Der Fehler habe mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Hämolyse, das heißt die Auflösung der roten Blutkörperchen, verursacht, was wiederum zu einem Hirnödem und letztlich zum Tod der Patientin geführt habe.
Mit der Berufung wenden sich die Beklagten gegen die Verurteilung der Assistenz- und Oberärztin die die Operation durchgeführt hatten. Die Haftung des Klinikums selbst wurde nicht angegriffen.
OLG bejaht Remonstrationspflicht der Ärzte
Die Oberärztin hätte der Verwendung von destilliertem Wasser widersprechen müssen. Auch die Assistenzärztin im dritten Weiterbildungsjahr hätte remonstrieren müssen.
Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die Gefährlichkeit von destilliertem Wasser und insbesondere dessen Eindringen in die Blutbahn bekannt ist und bereits Medizinstudenten bewusst sein muss. Bei einer Ausschabung der Gebärmutter wird eine Wundfläche verursacht, durch die das Distensionsmedium noch einfacher in die Blutbahn eindringen konnte. Diese Gefahr musste und konnte der Oberärztin im Bereich der Gynäkologie und Geburtshilfe bekannt sein. Insbesondere angesichts der erstmaligen Verwendung des Resektoskops zu Diagnosezwecken, was für die Patientin zusätzliche Risiken, aber keine Vorteile erbrachte, hätte die Oberärztin ihre Remonstrationspflicht ausüben müssen. Sie hat diese nicht erfüllt.
Sie hat die Verwendung von destilliertem Wasser nach ihrer Darstellung zwar gegenüber den Anwesenden zunächst als aus ihrer Sicht falsche Lösung angesprochen. Nach den ihr gegebenen Erklärungen hat sie aber nicht an ihren Bedenken festgehalten, diese nicht gegenüber dem Chefarzt als Urheber einer möglichen Anordnung geltend gemacht und nicht auf deren Änderung gedrungen.
Auch die Assistenzärztin hat gegen die ihr obliegende Remonstrationspflicht verstoßen. Ihren Angaben zufolge hat die Oberärztin ihr mitgeteilt, dass der Oberarzt Dr. K. die Verwendung des operativen Hysteroskops mit Wasser als unbedenklich angesehen habe. Sie hat erklärt, dass sie es als ausreichend angesehen habe, dass der erfahrene Oberarzt keine Bedenken gehabt habe. Sie habe das, was der Oberarzt gesagt habe, wegen der Hierarchie auch nicht infrage gestellt. Ausgehend davon, dass der Sachverständige die durch destilliertes Wasser hervorgerufenen Risiken als medizinisches Basiswissen bezeichnet und bewertet hat, insbesondere hervorgehoben hat, dass destilliertes Wasser nicht in die Blutbahn gelangen darf, während die Verwendung eines operativen Hysteroskops mit destilliertem Wasser schon nach der ständigen Praxis in diesem Krankenhaus für die geplante diagnostische Hysteroskopie offensichtlich nicht erforderlich war, traf die Assistenzärztin die Verpflichtung, fachliche Fragen bezüglich des Distensionsmediums jedenfalls aufzuwerfen.