Zuckerersatz: Eine sichere Empfehlung?
Zucker und Zuckerersatz: In der Zahnarztpraxis sind sie häufig Thema. Doch was ist zu den Alternativen von Zucker allgemein bekannt und wie wirkt sich der Konsum auf das Kariesrisiko aus? Dem geht dieser Beitrag nach – damit Sie im Patientengespräch Bescheid wissen.
Lesedauer: ca. 4 Minuten

Autorin: Dr. Melanie Salz | Redaktion: Sebastian Schmidt
In Kaugummis und Bonbons sollen sie vor Karies schützen, als Bestandteil zahlreicher Lebensmittel stehen sie für eine kalorienarme Ernährung und auch Low-Carb-Anhänger sowie von Diabetes Betroffene greifen zu Süßungsmitteln. Doch welche Unterschiede gibt es und wie wirken sich die Stoffe auf das Kariesrisiko aus?
Süßungsmittel: Zuckeraustauschstoff vs. Süßstoff
Im Sprachgebrauch werden die Begriffe Süßstoff, Zuckeraustauschstoff und Süßungsmittel häufig synonym verwendet. Das ist nicht richtig. Unter die Bezeichnung „Süßungsmittel“ fallen sowohl Zuckeraustauschstoffe als auch Süßstoffe.1
Süßstoffe besitzen im Vergleich mit Zucker eine mehrere hundert- bis tausendfache Süßkraft. Sie sind nicht kariogen und nahezu kalorienfrei. Da sie viel weniger wiegen, können sie nicht wie Zucker verarbeitet werden. Sie werden in kleinen Mengen, oft untereinander kombiniert und nur bis zu festgelegten Grenzwerten, bestimmten Lebensmitteln zugesetzt.1
Folgende Süßstoffe sind in der EU zugelassen:1
- Acesulfam K (E 950)
- Aspartam (E 951)
- Cyclamat (E 952)
- Saccharin (E 954)
- Sucralose (E955)
- Thaumatin (E957)
- Neohesperidin DC (E 959)
- Steviolglycoside aus Stevia (E960a)
- enzymatisch hergestellte Steviolglycoside (E960c)
- Neotam (E961)
- Aspartam-Acesulfam-Salz (E 962)
- Advantam (E 969)
Zuckeraustauschstoffe (auch Zuckeralkohole) sind – mit Ausnahme von Erythrit – nicht kalorienfrei, haben aber weniger Kalorien als Zucker. Sie können ähnlich wie Zucker verarbeitet werden, sind nicht kariogen und können ohne Höchstgrenzen Lebensmitteln zugesetzt werden. Allerdings wirken sie mit Ausnahme von Erythrit in größeren Mengen abführend, was deklariert werden muss.
Folgende Zuckeraustauschstoffe sind in der EU zugelassen:1
- Sorbit (E 420)
- Mannit (E 421)
- Isomalt (E 953)
- Maltit (E 965)
- Lactit (E 966)
- Xylit (E967)
- Erythrit (E 968)
- Polyglycitolsirup (E 964)
Xylit in der Kariesprävention: Daten nicht eindeutig
Seit den 1970er-Jahren versuchen Forschende herauszufinden, ob Xylit kariesprotektiv wirkt und auf welche Weise.2 Die Ergebnisse sind uneinheitlich, und einige Studien weisen methodische Fehler auf. Grundsätzlich geht man zwar davon aus, dass Xylit Karies entgegenwirkt, doch über die genauen Mechanismen gibt es noch zu wenig wissenschaftliche Daten.3
Eine aktuelle Übersichtsarbeit und eine Metaanalyse kommen zu dem Schluss, dass das Kauen von xylithaltigem Kaugummi zu Plaquereduktion führt.4,5 Eine andere Übersichtsarbeit zu dem gleichen Thema kam allerdings zu dem Ergebnis, dass die Datenlage für eine kariespräventive Wirkung in Kaugummis nicht ausreicht.6
Tipp für Ihren Praxishund: Für Hunde ist Xylit schon in geringen Dosen lebensgefährlich!
Genauer Wirkmechanismus xylithaltiger Kaugummis noch unklar
Kariesentstehung ist ein multifaktorielles Geschehen, daher ist es schwierig, in klinischen Studien alleine die Wirkung von Xylit herauszufiltern. Die hemmende Wirkung von Xylit auf den Stoffwechsel von Streptokokkus mutans konnte gezeigt werden. Ob diese allerdings alleine für die karieshemmende Wirkung von xylithaltigen Kaugummis oder Bonbons verantwortlich ist, konnte nicht sicher nachgewiesen werden. Möglicherweise reicht alleine die erhöhte Speichelproduktion oder die Vermeidung von Zucker für einen Schutzeffekt aus.3
So empfiehlt auch die AAPD (American Academy Pediatric Dentistry) zwar den Gebrauch xylithaltiger Produkte als nicht-kariogenen Zuckerersatz für Kinder. Sie sehen aber die in Studien oft sehr hohen Dosen an verwendetem Xylit als wenig praktikabel im Alltag. Somit besteht weiterer Forschungsbedarf, was die benötigten Mengen angeht.7

Dr. Melanie Salz praktiziert seit über 20 Jahren in der Zahnmedizin. Sie hat sich auf Kinderzahnheilkunde spezialisiert. Seit 2013 ist sie in einer Praxis in Bad Tölz tätig.
Erythrit: Champion unter den Zuckeraustauschstoffen?
Erythrit ist der neueste Zuckeralkohol, der als Süßungsmittel in Lebensmitteln verwendet wird. Im Gegensatz zu anderen Zuckerersatzstoffen wie Xylit und Sorbit wird es mit dem Urin unverändert wieder ausgeschieden, gastrointestinale Reaktionen wie Diarrhö bleiben aus, und es hat keine Kalorien.8,9
Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass Erythrit im Vergleich mit Xylit und Sorbit bessere Ergebnisse bezüglich der Kariesprävention erzielt. Seine Wirkung lässt sich durch folgende Mechanismen erklären:9
- Wachstumshemmung von Bakterien wie Streptokokkus mutans
- Erschwerung der Adhäsion von Bakterien an Zahnoberflächen
- Verminderung der Plaquebildung
Da Erythrit noch nicht so lange erforscht wird wie Xylit, gibt es weniger Daten. Ähnlich wie bei diesem besteht weiterer Forschungsbedarf hinsichtlich wirksamer Dosierung und Darreichungsform. Solche Studien sind schwierig, da schon kleinste Veränderungen, beispielsweise die Beteiligung unterschiedlicher S.-mutans-Stämme, Ergebnisse verändern können.10
Xylit und Erythrit für Diabetiker
Neben der positiven Wirkung in der Kariesprävention haben Xylit und Erythrit weitere Vorteile gegenüber Zucker. Als Zuckeraustauschstoffe können sie in ähnlicher Dosierung Zucker in unterschiedlichen Lebensmitteln ersetzen, wobei Xylit eine kalorienarme, Erythrit eine kalorienfreie Alternative ist.
Besonders hilfreich sind sie allerdings für Betroffene von Diabetes. Anders als Zucker lassen Xylit und Erythrit nach der Mahlzeit den Blutzucker nicht ansteigen und es wird kein Insulin ausgeschüttet.11 Möglicherweise besitzen sie sogar die Fähigkeit, die Produktion von Sättigungshormonen zu stimulieren.12
Trotzdem betonen Forschende, dass Bedarf an weiteren Studien besteht, um mögliche Nebenwirkungen von Zuckeralkoholen im menschlichen Organismus zu erfassen und deren Unbedenklichkeit sicherzustellen.11 Eine im Februar veröffentlichte Studie fand beispielsweise Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen durch den Konsum von Erythrit.13
Das sollten Sie für das Patientengespräch mitnehmen
- Allein der Verzicht auf Zucker verhindert die Vermehrung Karies auslösender Bakterien.
- Die Zuckeralkohole Xylit und Erythrit haben eine Wirkung gegen Karies.
- Was den genauen Wirkmechanismus, die notwendigen Konzentrationen und Darreichungsformen angeht, besteht weiterer Forschungsbedarf.
- Kaugummis mit Xylit haben nachgewiesenermaßen einen Effekt gegen die Entstehung von Karies und können daher empfohlen werden.
- Ein weiterer positiver Effekt bei der Verwendung von Xylit und Erythrit ist der ausbleibende Glukose- und Insulinanstieg im Blut. Dies ist bei Diabetes hilfreich und auch im Rahmen einer Low-Carb-Diät erwünscht. Allerdings fehlen noch Studien zu möglichen Langzeitfolgen beim regelmäßigen Konsum höherer Dosen an Zuckeraustauschstoffen.