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Zahnmedizin

05. Juli 2023

Parodontitis – eine Frage der Ernährung?

Unzureichende Mundhygiene und die Besiedlung der Zahnoberflächen mit bakteriellen Belägen sind wichtige Risikofaktoren für Parodontitis. Allerdings weiß man heute, dass zahlreiche weitere Faktoren das Entzündungsgeschehen und den Gewebeabbau begünstigen. Zählt die Ernährung dazu?

Lesedauer: ca. 5 Minuten

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Auch für Paradontits gilt: Westliche Ernährung ungünstig, mediterrane Ernährung schützt. (Symbolbild) (© gettyImages/Prostock-Studio)

Autorin: Dr. Melanie Salz | Redaktion: Sebastian Schmidt

Ähnlich wie bei anderen chronischen Erkrankungen, handelt es sich bei einer Parodontitis um ein multifaktorielles Entzündungsgeschehen. Beteiligte Mikroorganismen interagieren und kommunizieren auf komplizierte Art und Weise. Sie bilden hochkomplexe Strukturen und können so einen Abbau körpereigener Gewebe herbeiführen.

Dabei spielen nicht nur die Bakterien allein, sondern der Wirtsorganismus und sein Immunsystem eine entscheidende Rolle. Diese liefern die notwendigen Voraussetzungen dafür, ob und wie schwer eine Entzündungsreaktion stattfindet. Obwohl über die Mechanismen noch vieles im Dunkeln liegt, gibt es eindeutige Erkenntnisse über Faktoren, die den Verlauf einer Parodontitis beeinflussen.

Dazu zählen beispielsweise Diabetes, Rauchen, genetische Veranlagung und das Immunsystem.1,2 Mittlerweile gibt es auch zahlreiche Studien, die auf den Einfluss von Ernährung auf die Entstehung einer Parodontitis hinweisen.    

Ernährung beeinflusst chronische Erkrankungen ...

Die Art der Ernährung trägt zur Entstehung von chronischen Erkrankungen wie Übergewicht, kardiovaskulären, gastrointestinalen und einigen neurologischen Erkrankungen, dem metabolischen Syndrom, Diabetes sowie manchen Krebserkrankungen bei.3,4, Diese wiederum beeinflussen sich noch dazu gegenseitig.

Wie genau sich die Ernährung das auf Krankheitsgeschehen auswirkt bzw. was sich auf zellulärer Ebene abspielt, ist weiterhin Gegenstand wissenschaftlicher Arbeit. Einiges deutet aber darauf hin, dass bestimmte (ungesunde) Nahrungsmittel proinflammatorisch wirken, Entzündungsmarker erhöhen und so Entzündungsprozesse begünstigen.5,6 Diese können der Ausgangspunkt für o.g. chronische Erkrankungen und auch für Parodontitis sein.

... wie die Parodontitis

Da es sich bei einer Parodontitis um eine chronische, entzündliche Erkrankung handelt, ist es naheliegend, dass auch hier die Ernährung eine Rolle spielt. Tatsächlich konnten Studien diese Annahme stützen und schlussfolgern, dass sich eine gesunde Ernährung antientzündlich und schützend auf das Parodont auswirkt.7

Eine aktuelle Übersichtsarbeit beschreibt einen ähnlichen Pathomechanismus bei der Entstehung von Parodontitis und anderen chronischen Erkrankungen. Eine Parodontitis bereits in jüngerem Erwachsenenalter könnte demnach auf ein erhöhtes Risiko für weitere chronische Erkrankungen in höherem Alter hinweisen. Wird einer Parodontitis dann u.a. mit Hilfe antientzündlich wirkender Ernährung entgegengewirkt, könnte dies den Autoren zufolge sogar das Risiko für spätere chronische Erkrankungen senken.8

Über die Autorin
Dr. Melanie Salz

Dr. Melanie Salz praktiziert seit über 20 Jahren in der Zahnmedizin. Sie hat sich auf Kinderzahnheilkunde spezialisiert. Seit 2013 ist sie in einer Praxis in Bad Tölz tätig.

Schlechte Nachricht: Westliche Ernährung ungünstig

Neue Studien und eine aktuelle Übersichtsarbeit, die 167 internationale Studien auswertete, fanden deutliche Hinweise darauf, dass ungesunde Ernährung ein Risikofaktor für Parodontitis ist.8,9 Eine ballaststoffarme Ernährung mit vielen hochverarbeiteten Kohlenhydraten (Zucker und Weißmehl), gesättigten Fettsäuren und zu wenig mehrfach ungesättigten Fettsäuren – typisch also für den westlichen Ernährungsstil – bewirke ein erhöhtes Risiko für Parodontitis.

Gute Nachricht: Mediterrane Ernährung schützt

Im Gegensatz zum westlichen Ernährungsstil ist eine ballaststoffreiche Ernährung mit wenig Zucker und einem hohen Wert beim Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren gesund, wirkt antientzündlich und kann vor Parodontitis schützen.9

Diese Eigenschaften weisen mediterrane Ernährungsformen auf. Charakteristisch für diese sind der Konsum von reichlich kaltgepresstem Olivenöl, Früchten, Gemüse, Hülsenfrüchten, Nüssen und Getreide, mäßiger Konsum von Fisch sowie wenig Süßem und rotem Fleisch. Zahlreiche Studien zeigten, dass unter anderem aufgrund ihrer antiinflammatorischen und antioxidativen Wirkung und ihres Gehalts an Mikronährstoffen mediterrane Kost das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes und Krebs senken kann.9

Oft übersehen: Bedeutung von Mikronährstoffen

Eine oben beschriebene gesunde Ernährung bewirkt im Idealfall eine ausreichende Versorgung mit Mikronährstoffen. Diese haben eine positive Wirkung auf das Immunsystem, sind Bestandteile antientzündlich wirkender Enzyme und sind antioxidativ. Daher ist es naheliegend, Zusammenhänge zwischen bestimmten Mikronährstoffen und der Entstehung einer Parodontitis zu vermuten. Tatsächlich liegen hierzu mehrere Studien vor, die deutliche Hinweise liefern. 

Vitamin A

Zusammenhänge zwischen Vitamin A im Blut und dem Auftreten von Parodontitis konnten nicht direkt gefunden werden. Anders sieht es beim Beta-Carotin aus (Provitamin A). Dieses wirkte sich in Studien als Ergänzung zur Parodontitis-Therapie positiv aus. Niedrige Carotin-Spiegel im Blut dagegen ließen das Risiko für die Entstehung einer Parodontitis im Durchschnitt ansteigen.

B-Vitamine


Epidemiologische Studien fanden einen Zusammenhang zwischen niedrigen Spiegeln von Vitamin B9 (Folsäure) und dem Ausmaß einer Parodontitis. In einer anderen Studie verbesserten sich die klinischen Parameter bei Parodontitis-Patienten nach der Gabe von Vitamin B12. Die Gabe eines Vitamin-B-Komplex-Präparats wirkte sich als Ergänzung zur Parodontitis-Therapie positiv aus. Weitere Studien sind notwendig, um diese Ergebnisse zu untermauern.10

Vitamin C

Im Vergleich zeigte sich, dass Konzentrationen von Vitamin C (Ascorbinsäure) im Blut von Patienten mit Gingivitis oder Parodontitis geringer waren als bei Gesunden. Außerdem: Je geringer die Vitamin-C-Konzentrationen im Blut waren, desto schwerer war im Durchschnitt die Parodontitis. Andere Studien zeigten, dass eine Abnahme von Vitamin C im Blut zu Zahnfleischbluten führt, was durch die Gabe von Vitamin C in Form von Obst oder Tabletten behoben werden konnte. Dieser Prozess war von der Mundhygiene unabhängig. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass industriell hergestelltes Vitamin C dem aus natürlichen Quellen (Obst, Gemüse) unterlegen ist.10

Vitamin D

Auch Vitamin D könnte eine Rolle bei der Entstehung von Parodontitis spielen. Bei Parodontitis-Patienten wurden im Vergleich mit Gesunden geringere Vitamin-D-Konzentrationen im Blut gefunden, höhere Konzentrationen dagegen wurden mit geringeren Entzündungswerten und weniger Gewebeabbau in Verbindung gebracht. Weitere Studien sind notwendig, um herauszufinden, welche Vitamin-D-Konzentrationen zur Vorbeugung oder therapiebegleitend wirksam sind.10

Vitamin E

Die Ergebnisse aus epidemiologischen und klinischen Studien sind begrenzt, was die Auswirkungen von Vitamin E auf parodontale Gesundheit angeht. Dennoch gibt es Hinweise aus prospektiven und Interventions-Studien, die positive Einflüsse vermuten lassen. Eine höhere Vitamin-E-Aufnahme bewirkte weniger von Parodontitis betroffene Zähne und nach Parodontitis-Therapie eine bessere Heilung.10

Mineralstoffe und Spurenelemente

Mehrere Studien konnten Zusammenhänge zwischen der Versorgung mit Kalzium, Magnesium, Zink, Mangan, Kupfer und Selen und der Entstehung von Parodontitis feststellen. Einige dieser Spurenelemente scheinen auch eine gute Ergänzung zu einer Parodontitistherapie zu sein.10

Zum Thema Mikronährstoff-Substitutionen als unterstützende Maßnahme zur Parodontitistherapie schrieben in diesem Jahr Johan Peter Woelber und Kollegen der Universitäten Freiburg und Heidelberg eine systematische Übersichtsarbeit.10,11

Für das Patientengespräch: Parodontitis als Alarmzeichen

Es herrscht Einigkeit darüber, dass bei der Entstehung und dem Verlauf einer Parodontitis viele komplexe Mechanismen beteiligt sind. Zahlreiche Studien deuten darauf hin, dass die Ernährung bzw. die Versorgung des Organismus mit Mikronährstoffen dabei eine Rolle spielen. Das kann eine Motivation für Zahnärztinnen und Zahnärzte sein, diese Zusammenhänge im Patientengespräch zu thematisieren. Tipps für von Parodontitis Betroffene könnten sein:

  • Erkennen von Gingivitis und Parodontitis als Alarmzeichen12
  • Abkehr von der „westlichen“ Ernährungsform (zu viel Zucker, Weißmehl, rotes Fleisch, gesättigte Fettsäuren)
  • Hinwendung z.B. zur mediterranen Ernährungsform (mehr Ballaststoffe, Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, wenig Fleisch, Omega-3-Fettsäuren)
  • Blutuntersuchung zur Feststellung von Mangelzuständen
  • Ggf. Substitution von Mikronährstoffen

Auf weitere Forschungsergebnisse und genauere Handlungsempfehlungen zu diesem Thema kann man gespannt sein.

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