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Zahnmedizin

05. März 2021
Parodontitis

Neuer Wirkstoff könnte Breitbandantibiotikum ablösen

Ein neuer Ansatz zur Bekämpfung von Parodontitis könnte womöglich den Einsatz von Breitband-Antibiotika überflüssig machen. Ziel ist es, nur die schädlichen Bakterien zu bekämpfen und harmlose Arten zu verschonen. 1

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Entwickelt und erstmals getestet wurde er von einem Team der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie IZI und der Periotrap Pharmaceuticals GmbH. Die Ergebnisse wurde im Fachjournal „Journal of Biological Chemistry“ veröffentlicht.

Laut der Deutschen Mundgesundheitsstudie ist über die Hälfte aller Erwachsenen in Deutschland im Laufe ihres Lebens von einer Parodontitis betroffen. Die Krankheit kann nicht nur zum Verlust von Zähnen führen, sondern sie steigert auch das Risiko für andere Krankheiten, wie Alzheimer und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Bisher kommen bei der Behandlung vor allem Breitband-Antibiotika zum Einsatz – mit den üblichen Nachteilene: „Die Behandlung birgt Nebenwirkungen, sie zerstört auch alle harmlosen oder nützlichen Bakterien im Mundraum und nicht zuletzt können die Bakterien Resistenzen gegen die Mittel ausbilden“, erklärt Dr. Mirko Buchholz von Periotrap Pharmaceuticals, der die neue Studie mit dem Biotechnologen Prof. Dr. Milton T. Stubbs von der MLU leitete.

Neue Substanz unterdrückt Wachstum der schädlichen Bakterien

Die Forschenden suchten deshalb nach einem Weg, nur die schädlichen Bakterien im Mund auszumerzen. Ein Team der Außenstelle für Molekulare Wirkstoffbiochemie und Therapieentwicklung des Fraunhofer IZI in Halle entwickelte dafür eine Testsubstanz, die das Enzym Glutaminylzyklase in Bakterien angreift, das für den Stoffwechsel eine besondere Rolle spielt.

Gemeinsam mit den zahnmedizinischen Kliniken der Universität Bern, der Jagiellonen-Universität in Krakau sowie der University of Louisville in Kentucky (USA) überprüften die Forschenden die Wirksamkeit. Dabei zeigte sich, dass die neue Substanz das Wachstum der pathogenen Bakterien tatsächlich unterdrückt.

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Das Besondere: Die Substanz wirkt nur bei den schädlichen Bakterien. „Die Glutaminylzyklase, unser Angriffsziel, gibt es in zwei unterschiedlichen Varianten. Normalerweise verfügen Pflanzen und Bakterien über eine und Säugetiere über eine andere Variante des Enzyms. Die Funktionsweise der beiden ist ähnlich, sie unterscheiden sich aber deutlich in ihrer Struktur. Das ist ein wenig wie bei Schlitz- und Kreuzschlitz-Schraubenziehern“, erklärt Stubbs. Die Bakterien, die Parodontitis auslösen, haben überraschenderweise aber die Säugetier-Variante des Enzyms. „Das ist für unseren Ansatz entscheidend, denn so haben wir ein mögliches Angriffsziel, bei dem wir nur die pathogenen Bakterien treffen und die harmlosen intakt lassen können“, sagt Mirko Buchholz.

Um mögliche Nebenwirkungen im Vorfeld zu minimieren, verglich das Team das Bakterien-Enzym mit der menschlichen Säugetier-Variante. „Es gibt kleine, aber signifikante Unterschiede bei den Enzymen“, so Stubbs. Diese Unterschiede reichen vermutlich aus, sodass die neue Substanz bestenfalls gar nicht bei den menschlichen Enzymen wirkt. Deshalb ist nur mit geringen Nebenwirkungen zu rechnen.

Klinische Studien müssen Ergebnisse bestätigen

Mit ihrer Studie liefern die Forschenden zunächst den Nachweis, dass der Ansatz grundsätzlich funktioniert. In weiteren Studien muss dieser nun verfeinert und in späteren klinischen Studien überprüft werden. Bis aus der Forschung aus Halle ein marktreifes Medikament wird, könnten also noch mehrere Jahre vergehen. Die Studie wurde von der Europäischen Union und der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde National Institutes of Health (NIH) gefördert.

Quellen
  1. Martin-Luther-Universität Halle, 03.03.2021: Parodontitis: Forschende suchen nach neuem Wirkstoff
  2. Taudte N. et al. Mammalian-like type II glutaminyl cyclases in Porphyromonas gingivalis and other oral pathogenic bacteria as targets for treatment of periodontitis. Journal of Biological Chemistry (2021). Doi: 10.1016/j.jbc.2021.100263

Bildquelle: © gettyImages/Prostock-Studio

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