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Zahnmedizin

23. Aug. 2023
Notfall in der Zahnarztpraxis

Aspiration eines Fremdkörpers

Zahnbehandlungen stellen die zweithäufigste Ursache für eine Fremdkörperaspiration dar.1 Auch wenn dieses Ereignis selten vorkommt, stellt es für Betroffene eine lebensbedrohliche Situation dar und fordert von Behandelnden sofortige Notfallmaßnahmen.

Lesedauer: ca. 3 Minuten

Heimlich-Handgriff
Heimlich-Handgriff: Lebensrettende Maßnahme, wenn ein Fremdkörper die Atemwege blockiert. (Foto: © Getty Images / Daisy Daisy)

Autorin: Dr. Melanie Salz | Redaktion: Marc Fröhling

Verschluckt oder aspiriert?

Prothetische Behandlungen bergen vermutlich das größte Risiko für Aspirationen kleiner Fremdkörper auf dem Zahnarztstuhl. Kronen, Inlays, kleine Schraubendreher und ähnliches können aus der Hand gleiten und dann im Rachen des Patienten verschwinden. Im günstigeren Fall wird der Gegenstand verschluckt und passiert ungehindert den Magen-Darmtrakt. Handelt es sich hierbei jedoch um einen spitzen oder größeren Gegenstand ab 10 cm Länge (bei Kindern ab 6 cm) oder 2,5 cm Durchmesser, muss dieser in einer Klinik endoskopisch entfernt werden.2 Wesentlich dramatischer läuft oft eine Aspiration ab, da hier sofort ein lebensbedrohlicher Zustand eintreten kann.

Bolus oder Aspiration

Hat sich ein Fremdkörper im Bereich der Glottis, Subglottis, des Hypopharynx oder Ösophagus verkeilt, spricht man von einem Bolus. Husten, Würgen, Erstickungs- und Angstgefühle sind die Folge. Erfolgt eine reflektorische Vagusstimulation, können Blutdruckabfall, Schock und Kammerflimmern eintreten (Bolustod).

Ist ein Fremdkörper in die Atemwege gelangt, unterscheidet man zwischen der Verlegung der Atemwege

  • oberhalb der Bifurkation der Trachea
  • unterhalb der Bifurkation der Trachea, also dem Bereich des „Zweiröhrensystems“, wobei meist der weitere und steilere rechte Hauptbronchus betroffen ist.3

Verlegung der Atemwege – Sofortmaßnahmen

Besteht der Verdacht, dass ein Fremdkörper in die Atemwege gelangt ist und die Patientin oder der Patient stark hustet, würgt, verminderte Atemgeräusche zeigt oder gar zyanotisch wird, ist sofortiges Handeln angesagt. Falls der Fremdkörper noch zu sehen ist, kann er möglicherweise noch mit einer Magill-Zange entfernt werden.1 Laut Leitlinien des European Resuscitation Council 2021 müssen folgende Maßnahmen durchgeführt werden, wenn dies nicht mehr möglich ist:4

  1. Fordern Sie die betroffene Person zum Husten auf.
  2. Bleibt das Husten wirkungslos, schlagen Sie ihr bis zu 5‑mal auf den Rücken:
  • Beugen Sie die betroffene Person hierzu vornüber.
  • Schlagen Sie mit der Handwurzel 5‑mal zwischen die Schulterblätter.

3.  Sind Schläge auf den Rücken unwirksam, drücken Sie bis zu 5‑mal auf den Oberbauch (Heimlich-Handgriff):

  • Stellen Sie sich hinter die Person und legen Sie beide Arme um den Oberbauch.
  • Lehnen Sie die betroffene Person vornüber.
  • Ballen Sie eine Faust und legen Sie sie zwischen Nabel und Brustkorb.
  • Fassen Sie Ihre Faust mit der anderen Hand und ziehen Sie ruckartig nach innen und oben.

4.  Wenn der Erstickungsanfall nach 5 Oberbauchkompressionen nicht beseitigt ist, fahren Sie abwechselnd mit 5 Schlägen auf den Rücken und 5 Oberbauchkompressionen fort, bis sich der Zustand bessert oder aber Bewusstlosigkeit eintritt.

5.  Wenn die Person bewusstlos wird:

  • Notruf 112!
  • Beginnen Sie mit kardiopulmonaler Reanimation auf einer harten Unterlage bzw. auf dem Boden (30 Thoraxkompressionen 100-120/Minute im Wechsel mit 2 Atemspenden).

Cave: Bei Kindern unter 1 Jahr darf der Heimlich-Handgriff nicht angewendet werden! Stattdessen erfolgen bis zu fünf Thoraxkompressionen wie bei der Herzdruckmassage. Das Kind befindet sich hierbei in Rückenlage mit dem Kopf nach unten.4

Über die Autorin
Dr. Melanie Salz

Dr. Melanie Salz praktiziert seit über 20 Jahren in der Zahnmedizin. Sie hat sich auf Kinderzahnheilkunde spezialisiert. Seit 2013 ist sie in einer Praxis in Bad Tölz tätig.

Fremdkörperaspiration vermeiden: Kofferdam schützt

Ein lebensbedrohliches Ereignis wie die Aspiration eines Fremdkörpers auf dem Zahnarztstuhl will niemand erleben. Doch es gibt einige Methoden, um dieses so gut wie möglich zu vermeiden. Das wichtigste Hilfsmittel ist sicher der Kofferdam, der zuverlässig verhindert, dass kleine Teile in den Rachen von Patientinnen oder Patienten gelangen. Vor Gericht kann der Nicht-Einsatz von Kofferdam sogar als eine Fahrlässigkeit gewertet werden.5

Eine einheitliche Rechtsprechung gibt es hierzu aber nicht. So steht in einem Urteil des OLG Düsseldorf: „Wenn beim Einsetzen und Anpassen von Primärteleskopkronen eine dieser – bei einem Hustenstoß des Patienten – in dessen Mundhöhle gelangt und von ihm eingeatmet wird, ist dies dem behandelnden Zahnarzt nicht vorwerfbar.“5

Kleines Instrumentarium, wie z.B. Schraubendreher, kann mit Zahnseide gesichert werden. Hilfreich können auch Applikationsinstrumente mit einer Klebespitze sein, um indirekte Restaurationen zu positionieren (z.B. Optrastick®).

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