
Chancen der Behandlung bei großen und kleinen Patienten
Bruxismus ist ein Dauerthema in der zahnärztlichen Praxis. Sowohl Erwachsene als auch Kinder sind davon betroffen: Über häufige Ursachen, die Diagnosestellung und Therapieempfehlungen für Erwachsene und Besonderheiten der Behandlung von Kindern.
Lesedauer: ca. 5 Minuten

Autorin: Dr. Melanie Salz | Redaktion: Sebastian Schmidt
In der aktuellsten Leitlinie zum Bruxismus wird dieser definiert als „eine wiederholte Kaumuskelaktivität, charakterisiert durch Kieferpressen und Zähneknirschen und/oder Anspannen oder Verschieben des Unterkiefers ohne Zahnkontakt.“
Dabei wird unterschieden zwischen einer Aktivität der Kaumuskulatur während des Schlafs (Schlafbruxismus) und des Wachzustands (Wachbruxismus). In der Leitlinie wird betont, dass es sich bei ansonsten gesunden Individuen nicht um eine Bewegungsstörung oder Schlafstörung handelt.
Junge Erwachsene und Kinder sind häufig betroffen
Viele Menschen sind von Bruxismus betroffen, und bereits im Kindesalter kann Bruxismus ein Thema sein. Da bei Kindern die Erhebung von geeigneten Daten schwieriger bzw. ein entscheidendes Kriterium die Wahrnehmung der Eltern ist, schwankt hier je nach Studie die Prävalenz zwischen 13 und 49%.2
Auch bei Erwachsenen unterscheiden sich die Studienergebnisse. Jedenfalls scheint Wachbruxismus häufiger zu sein (22,1 bis 31%) als Schlafbruxismus (ca. 13%).3 Am häufigsten sind Menschen im zweiten und dritten Lebensjahrzehnt betroffen, danach nimmt die Prävalenz ab. Ist ein Kind von Bruxismus betroffen, ist sein Risiko höher, auch im Erwachsenenalter damit zu tun zu haben.1
Notwendig: Diagnose nur mit mehreren Indizien
Die Kriterien zur Verifizierung des Wachbruxismus sind noch nicht eindeutig.4 Sicher sind unterschiedliche Kriterien wie Anamnese und klinische Kriterien als Hinweise heranzuziehen. Einen hohen Stellenwert hat die Selbstbeobachtung, die mit Hilfe einer App zur Erinnerung, von Betroffenen regelmäßig durchgeführt wird.1,5 Hierzu müssen diese vorher genau aufgeklärt werden, wie Zähneknirschen, Zähnepressen und Kaumuskelanspannung zu erkennen sind.
Um Schlafbruxismus zu diagnostizieren, sind die anamnestischen Angaben von Patientinnen und Patienten oder Angehörigen oft nicht zuverlässig und reichen zur Diagnose nicht aus. Kaumuskelschmerzen nach dem Aufwachen stehen auch im Zusammenhang mit CMD-Diagnosen und sind kein eindeutiges Indiz.1 Folgende klinische Anzeichen, kombiniert mit Angaben der Patienten, deuten jedoch auf einen Bruxismus hin:4
- Masseterhypertrophie
- Attritionen im Frontzahnbereich und Schlifffacetten
- Linea Alba an der Wangenschleimhaut durch Wangensaugen
- Zungenimpressionen durch Zungenpressen

Dr. Melanie Salz praktiziert seit über 20 Jahren in der Zahnmedizin. Sie hat sich auf Kinderzahnheilkunde spezialisiert. Seit 2013 ist sie in einer Praxis in Bad Tölz tätig.
Eine gute Hilfestellung bietet das Bruxismusscreening der Deutschen Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und -therapie (DGFDT). Es kann auf ihrer Homepage heruntergeladen werden: Befundbögen (dgfdt.de)
Als Goldstandard zur Diagnostik des Schlafbruxismus gilt die Polysomnografie im Schlaflabor. Da diese aber einen hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand bedeutet, sollte sie nur Einzelfällen, z.B. bei Verdacht auf eine schlafbezogen Atmungsstörung, erwogen werden.4 Eine kostengünstigere Alternative hierzu stellen tragbare EMG-Geräte dar, die zu Hause eingesetzt werden können und recht zuverlässige Ergebnisse liefern.1
Angststörungen, Stress und Schlafstörungen: Haben Sie dran gedacht?
Die frühere Annahme, dass bei okklusalen Faktoren (Vorkontakte, Gleithindernisse, tiefer Biss u.a.) der Organismus versucht, störende Kontakte durch Knirschen zu beseitigen und dies zu Bruxismus führt, gilt als überholt. Forschende gehen stattdessen davon aus, dass es sich um ein multifaktorielles Geschehen handelt.6 Die meisten Studien deuten darauf hin, dass Verhaltensauffälligkeiten, emotionaler Stress, Angststörungen und Schlafstörungen am häufigsten mit Bruxismus zusammenhängen. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass u.a. folgende Faktoren eine Rolle spielen können:1
- Genetische Faktoren
- Neurochemische Transmitter
- Reflux
- Nikotin (auch Passivrauchen), Alkohol, Drogen
Therapieansätze – oder: was Zahnärzte tun können
Schienen und okklusale Maßnahmen
Okklusionsschienen haben eine wichtige Funktion beim Bruxismus-Management. Sie haben das Potenzial, Bruxismus zu reduzieren, die Zähne vor Abrieb zu schützen und Beschwerden wie Muskelschmerzen zu verringern.
Empfohlen wird, die Schiene nicht dauerhaft, sondern intermittierend zu nutzen, um einen Gewöhnungseffekt zu vermeiden. Weiche Schienen können bei Bruxismus nicht empfohlen werden, und bimaxilläre nur bei schlafbezogener Atmungsstörung. Schienen mit Front-Jig sind nur für eine reduzierte Tragedauer geeignet.
Cave: Laut aktueller Leitlinie gilt: „Zur kausalen Behandlung von Bruxismus sollen definitive okklusale Maßnahmen nicht eingesetzt werden.“
Physiotherapie
Physiotherapeutische Maßnahmen können zur Behandlung oder Linderung von Beschwerden, die durch Bruxismus verursacht werden, beitragen. Zum Einsatz kommen:4
- Muskelübungen zur Stärkung der Mundöffner
- Muskelstretching
- Transkutane Elektro-Neuro-Stimulation (TENS)
- Biofeedback
- Progressive Muskelentspannung nach Jakobson
Psychotherapie
Psychotherapeutische Maßnahmen können einen Beitrag zur Behandlung von Bruxismus leisten. Einen hohen Stellenwert hat das Erlernen von Entspannungstechniken (z.B. Progressive Muskelentspannung nach Jakobson).
Außerdem kann z.B. Verhaltenstherapie und bei Kindern ein Selbstbehauptungstraining hilfreich sein. Wichtig sind Aufklärung der Patientinnen und Patienten und die Anleitung zur Selbstbeobachtung.4
Bruxismus bei Kindern: Vorsicht walten lassen
Tritt Bruxismus bei Kindern auf, sollten Behandelnde darauf achten, ob Anzeichen und Symptome wie Zahnabrasionen, Schmerzen oder reduzierte Mundöffnung vorliegen. Dann kann ein Kind physiotherapeutisch behandelt werden, wobei hier Kinesiotherapie, Massagen, Infrarottherapie oder Low-Level-Laser zum Einsatz kommen können.
Für Kinder zeigte außerdem die Stimulation bestimmter Akupunkturpunkte Erfolge, und auch Biofeedback (durch Vibration oder Elektrostimulation) kann hilfreich sein. In einigen Fällen kann eine kieferorthopädische Therapie helfen.7
Möglicherweise sind auch Maßnahmen zur Schlafhygiene (gute Belüftung, Ruhe, kein Koffein vor dem Schlafengehen) und Stressreduktion unterstützende Maßnahmen.7
Die Eingliederung einer Okklusionsschiene ist bei Erwachsenen eine etablierte Vorgehensweise. Bei Kindern kann diese zwar auch die Muskelaktivität reduzieren und Beschwerden lindern. Allerdings kann dadurch auch das Wachstum der Kieferknochen beeinflusst werden.
In Phasen, in denen die Gebissentwicklung ruht, können Schienen bei Kindern eingesetzt werden, das ist zwischen der 1. und 2. Wechselgebissphase und nach Durchbruch aller bleibenden Zähne.4 Bisher fehlen noch genauere Handlungsempfehlungen zum Umgang von Schienen bei Kindern.7
Bei sehr hohem Leidensdruck und wenn andere Maßnahmen versagen, kann eine medikamentöse Therapie erwogen werden. Verschiedene Wirkstoffe stehen Pädiatern hierfür zur Verfügung.7
Zusammengefasst: Woran Sie bei Bruxismus denken sollten
Beim Bruxismus handelt es sich wie so oft um ein multifaktorielles Geschehen. Zu den Ursachen besteht weiterhin Forschungsbedarf, und häufig ist nur eine Behandlung der Symptome möglich. Zur Diagnosestellung sind mehrere Indizien notwendig, hilfreich ist dabei das Bruxismusscreening der DGFDT, s.o.
Die wichtigste Maßnahme ist bei Erwachsenen meistens die Eingliederung einer harten Schiene, die Zähne vor Abrieb schützt und bei intermittierendem Einsatz craniomandibuläre Beschwerden lindern kann. Je nach individuell bekannten Ursachen können weitere Behandlungen wie Entspannungstraining, Stressreduktion, Selbstbeobachtung, Physio- und Psychotherapie, die Vermeidung von Nikotin, Alkohol und Drogen und ein guter Schlaf helfen.