Überraschender Befund 24 Jahre nach OP
Das Zurücklassen von Tupfern, Gaze und chirurgischen Schwämmen im Operationssitus gehört zu den vermeidbaren Fehlern in der Chirurgie. Trotzdem kommt es immer wieder vor und kann auch noch nach vielen Jahren zu Beschwerden und Komplikationen führen, wie der Fall eines 76-jährigen Patienten zeigt. 1
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Autorin: Maria Weiß | Redaktion: Dr. Nina Mörsch
Der ansonsten gesunde Mann stellte sich mit einem akuten Abdomen in der Notaufnahme vor. Der zunehmende Schmerz bestand seit 12 Stunden und war von Übelkeit und Erbrechen begleitet. Bei der Untersuchung fiel eine Tachykardie und Dehydratation auf, die Laboruntersuchung ergab eine Leukozytose mit Neutrophilie und ein erhöhtes CRP. Um die Verdachtsdiagnose einer akuten Appendizitis zu bestätigen, wurde ein Kontrastmittel-verstärktes CT des Abdomens durchgeführt, bei dem sich ein überraschender Befund zeigte.
Gabriel A. Molina und sein Team vom Hospital Metropolitano & Universidad San Francisco de Quitoin in Ecuador sahen im Abdomen eine gut eingekapselte spongiforme Masse von 7.2 × 6.3 × 8.6 cm mit mehreren radiodichten linearen Kalzifikationen im Zentrum (Abbildung 1).

Bei der anschließenden chirurgischen Entfernung zeigte sich ein zusätzlicher Abszess. Die hypogastrische Raumforderung war eng mit der Dünndarmwand verwachsen, sodass ein Teil des Dünndarms mitentfernt werden musste. Dies führt zu Komplikationen, die einen Zweiteingriff mit Anlegen eines Ileostomas erforderlich machte.

Kompresse wurde nach Prostatektomie vergessen
Bei der pathologischen Untersuchung erwies sich die Raumforderung als inzwischen fibrös eingekapselter chirurgischer Schwamm, der offensichtlich bei einer 24 Jahre zurückliegenden Prostatektomie zurückgelassen worden war.
Chirurgische Schwämme sind die am häufigsten im Operationssitus zurückgelassenen Objekte, schreiben die Autoren. Am häufigsten werden Materialien im Abdomen zurückgelassen, gefolgt von Thorax und Becken. Risikofaktoren für diese Komplikation sind offene Eingriffe, Notfalloperationen, unplanmäßige Veränderungen des Operationsteams und ein hoher BMI des Patienten. Folgen können akute Fremdkörperreaktionen mit Inflammation und Abszessbildung sein - oder auch die Bildung eines Gossypiboms mit Einkapselung, Adhäsionen und Kalzifikation wie bei dem Patienten.
Klinische Symptome variabel
Die klinische Symptomatik ist sehr variabel. Bei einigen Betroffenen setzen die Beschwerden bereits einige Tage nach der Operation ein – bei anderen erst Jahre später nach einer asymptomatischen Phase. Diagnostisch lassen sich die Fremdkörper mittels Röntgenaufnahmen nachweisen, wenn das vergessene Material entsprechen markiert ist. Im Ultraschall kann sich eine zystische Masse mit heterogenem Inhalt zeigen. Das CT hilft bei der Darstellung der Umgebungsstrukturen und der OP-Planung.
Gossypibome müssen immer chirurgisch entfernt werden, wobei das Risiko für erneute Operationen, erneute Krankenhausaufnahmen, längere Krankenhausaufenthalte, Sepsis, Fisteln und Todesfälle relativ hoch ist.
Anders als bei anderen chirurgischen Komplikationen, handelt es sich beim Vergessen von Gegenständen um einen Fehler, der eigentlich nicht passieren dürfte. Zur Vermeidung sollten entsprechende Checklisten und Sicherheitsprotokolle unbedingt eingehalten werden. Für die Sicherheit des Patienten ist hier das ganze OP-Team und nicht nur der einzelne Chirurg verantwortlich.