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Urologie-Trends

16. Aug. 2023
Seltener Fall

Urosepsis als Folge eines über Jahre vergessenen Pessars

Ein Pessar, das einer älteren Dame wegen Harninkontinenz eingesetzt worden war, geriet über 10 Jahre in Vergessenheit: Weder die mittlerweile 83-jährige Patientin noch deren Gynäkologe, der regelmäßige Kontrolluntersuchungen durchführte, bemerkten den Silikonring über diesen langen Zeitraum - bis dieser schließlich zu einer Urosepsis führte und zufällig bei der Hysterektomie entdeckt wurde.1

Lesedauer: ca. 3 Minuten

Alte Frau im Klinikbett
Ein Pessar wurde über Jahre vergessen (Foto: Pressmaster | Dreamstime.com)

Den folgenden Fall haben die Chirurgen Halit Maloku und Roena Maloku von der Medizinischen Fakultät der Universität Pristina im Kosovo in der Fachzeitschrift Urology Case Reports unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht. Übersetzung und redaktionelle Anpassung: Dr. Nina Mörsch

Eine 83-jährige Frau wurde mit Müdigkeit, Unterleibsschmerzen, Fieber und seit 10 Jahren bestehenden Problemen beim Wasserlassen in die Universitätsklinik in Pristina eingeliefert. Die Menopause lag 25 Jahre zurück. Ihre Vorgeschichte umfasste fünf Geburten, aber keine Abtreibungen.

Vor Jahren hatte sie einen Eingriff an ihrer Gebärmutter vornehmen lassen, konnte sich aber nicht mehr an die Einzelheiten erinnern. Sie nahm regelmäßig gynäkologische Kontrolluntersuchungen wahr, hatte aber vergessen, dass ihr vor vielen Jahren ein Pessar aufgrund von Harninkontinenz eingesetzt worden war. Auch ihr Gynäkologe hatte es über die Jahre hinweg ebenfalls nicht bemerkt. Aktuell habe sie seit sechs Monaten bestehende Vaginalblutungen sowie eitrigen Ausfluss mit unangenehmem Geruch. 

Die Patientin litt außerdem unter Bluthochdruck und Diabetes.

MRT-Befunde lassen ein Endometriumkarzinom vermuten

Die Laborergebnisse deuteten auf eine Infektion hin. Eine MRT-Untersuchung des Abdomens und des Beckens offenbarte eine zystische Veränderung in der Gebärmutter mit einer Größe von 12,5 cm × 9,5 cm. Die Gebärmutterhöhle hatte einen Durchmesser von 8,5 cm und auf Höhe des Fundus war ein Luft-Flüssigkeits-Spiegel vorhanden (Abb. 1).

Die MRT-Befunde ließen ein Endometriumkarzinom vermuten. Obwohl auf den Scans sichtbar, enthielt der MRT-Bericht keinen Hinweis auf das Pessar (Abb. 2 ).

MRT-Bilder des Abdomens und des Beckens
Abb. 1. Axiale MRT-Aufnahmen. a; T2WI-Bilder zeigen eine dickwandige (dünner Pfeil) zystische Läsion (Stern). b; innerhalb der Läsion besteht ein Flüssigkeits-Niveauausgleich (dicker Pfeil). c; DWI-Bilder zeigen eine Diffusionseinschränkung der flüssigen Komponente der Läsion.
MRT-Bilder des Abdomens und des Beckens
Abb. 1. Axiale MRT-Aufnahmen. a; T2WI-Bilder zeigen eine dickwandige (dünner Pfeil) zystische Läsion (Stern). b; innerhalb der Läsion besteht ein Flüssigkeits-Niveauausgleich (dicker Pfeil). c; DWI-Bilder zeigen eine Diffusionseinschränkung der flüssigen Komponente der Läsion.

Abb. 2. sagittale MR-Bilder
Abb. 2. Sagittale MRT-Aufnahmen. a) T2WI, b; T1WI mit Vorkontrast. b) T1WI mit Nachkontrast. Dickwandige zystische Läsion (Stern) mit Luft-Flüssigkeits-Spiegel und Kontrastmittelanreicherung in der Wand. Das Ring-Pessar (dünne Pfeile).
Abb. 2. sagittale MR-Bilder
Abb. 2. Sagittale MRT-Aufnahmen. a) T2WI, b; T1WI mit Vorkontrast. b) T1WI mit Nachkontrast. Dickwandige zystische Läsion (Stern) mit Luft-Flüssigkeits-Spiegel und Kontrastmittelanreicherung in der Wand. Das Ring-Pessar (dünne Pfeile).

Die Patientin wurde stationär aufgenommen und erhielt Antibiotika. Ihr Zustand und die Ergebnisse der Bildgebung ließen den Verdacht auf ein Malignom mit Abszessbildung aufkommen. Doch die Ergebnisse der zytologischen Untersuchung der aus dem Douglas-Raum entnommenen Flüssigkeit lieferten keinen Hinweis auf Krebszellen.

Das Ärzteteam entschied sich für die Durchführung einer vollständigen Hysterektomie und einer beidseitigen Adnexektomie. Während der Operation fanden die Operateure einen Silikonring im Scheidengewölbe. Außerdem trat aus dem Gebärmutterhals eine große Menge übelriechenden Eiters aus. Die postoperative Genesung der Patientin verlief zufriedenstellend, und sie wurde am fünften Tag nach der Operation aus dem Krankenhaus entlassen.

Befunde

Uterusgröße: 13 × 11,5 cm, oval, mit ödematösen, hyperämischen Wänden und weicher Konsistenz. Die in der Öffnung befindliche große Eitermasse, der starke Geruch und die tumorfibrotischen Gebilde von sehr fester Konsistenz lassen zusammen eine maligne Ursache vermuten (Abb. 3).

Die Ansicht der Gebärmutterhöhle nach der Operation.
Abb. 3. Der Blick in die Gebärmutterhöhle nach der Operation.
a) Die Gebärmutter mit dem Gebärmutterhals. b) Gebärmutterhöhle nach der Präparation.
Die Ansicht der Gebärmutterhöhle nach der Operation.
Abb. 3. Der Blick in die Gebärmutterhöhle nach der Operation.
a) Die Gebärmutter mit dem Gebärmutterhals. b) Gebärmutterhöhle nach der Präparation.

Das histopathologische Ergebnis: Endometritis acuta supurativa. Adenomyose. Uterus myomatosus. CIN 1.

Diskussion

„Wie in der Literatur beschrieben, kann Unachtsamkeit zu einer rektovaginalen Fistel führen, die in unserem Fall glücklicherweise nur mit einer Urosepsis und einer erfolgreichen Behandlung endete," schreiben die Autoren. Pessare müssten alle sechs Wochen zur Reinigung entfernt werden, was im vorliegenden Fall seit 10 Jahren nicht der Fall war.

Bis 2022 wurden in Literaturdatenbanken nur 36 Fälle von Komplikationen durch Pessare gemeldet. Im vorliegenden Fall führte die fehlende Aufklärung über die Pflege des Pessars zur Urosepsis, folgern die beiden Chirurgen und verweisen auf weitere Fälle, in denen die Pessare 16 Jahre lang vergessen wurden und asymptomatisch waren.

Das Autoren-Team betont, dass Pessare nur bei Patientinnen angewendet werden sollten, die in der Lage sind, diese eigenständig zu pflegen und die sich der möglichen Komplikationen bewusst sind. Radiologinnen und Radiologen sollten bei der Identifizierung von ringförmigen Objekten auch an die Möglichkeit von Pessaren und damit verbundene Beschwerden denken. Ärztinnen und Ärzte sollten auf die richtige Pflege des Pessars achten, um schwerwiegende Folgen durch Vernachlässigung zu vermeiden.

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