Wen bevorzugen Patientinnen & Patienten?
In der Urologie geht es mitunter um sehr intime Probleme, doch die Patientinnen und Patienten scheinen nicht immer einen Urologen ihres eigenen Geschlechts zu bevorzugen. Zu diesen Ergebnissen kommt eine neue Studie aus München.
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Redaktion: Marina Urbanietz
In manchen Situationen würden sowohl männliche als auch weibliche Patienten einen männlichen Urologen aufsuchen, doch in anderen Fällen – z. B. bei einer schmerzhaften Erkrankung – würden sowohl Männer als auch Frauen bevorzugt von einer Urologin behandelt werden.
Die Studie wurde von einem Forschungsteam um Dr. Alexander Tamalunas vom Universitätsklinikum München durchgeführt und kürzlich auf dem Kongress der Europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU) in Mailand vorgestellt.1
Über EAU23
Der 38. Jahreskongress der European Association of Urology (EAU23) fand vom 10. bis 13. März 2023 in Mailand statt. Mit über 1.500 präsentierten Vorträgen gehört er zu den größten medizinischen Kongressen Europas. Das vollständige wissenschaftliche Programm finden Sie auf der Website des Kongresses.
Befragung von über 1000 Patientinnen und Patienten
Auf der Grundlage einer Befragung von über 1000 Patientinnen und Patienten fand das Forschungsteam heraus, dass etwa zwei Drittel der Befragten eine gewisse Präferenz hinsichtlich des Geschlechts ihres Urologen haben. „Frühere Untersuchungen ergaben, dass das Geschlecht der Urologen nur für ein Drittel aller Patientinnen und Patienten überhaupt eine Rolle spielt. Diese Erkenntnis basiert jedoch auf einer einzigen Frage. Unsere Studie ist differenzierter und untersucht, ob Patientinnen und Patienten Urologinnen und Urologen unterschiedliche Fähigkeiten zuschreiben oder ob ihre Wahl von bestimmten Symptomen und Situationen beeinflusst wird“.
Für die Studie wurden Fragebögen von 1012 Patientinnen und Patienten ausgewertet, die das Universitätsklinikum im Jahr 2021 aufsuchten. Etwa drei Viertel davon waren männlich und knapp ein Viertel weiblich. Drei Patienten waren nicht-binär – eine zu geringe Zahl, um statistisch signifikante Rückschlüsse auf die Präferenzen dieser Gruppe zu ziehen. Die Kohorte umfasste Patientinnen und Patienten vieler Bildungsschichten und Altersgruppen – wobei die Mehrheit über 60 Jahre alt war.
Für zwei Drittel der Befragten spielt das Geschlecht des Arztes eine Rolle
Insgesamt gaben zwei Drittel der Befragten an, in mindestens einem Fall einen Urologen eines bestimmten Geschlechts zu bevorzugten – doppelt so viele wie in den früheren Untersuchungen.
Sowohl männliche als auch weibliche Patienten zogen es vor, einen männlichen Urologen aufzusuchen, wenn ihre Beschwerden für sie peinlich waren oder tägliche Aktivitäten einschränkten. Bei schmerzhaften Beschwerden hingegen wählten sowohl männliche als auch weibliche Patienten eher eine Urologin.
Praktische Fähigkeiten vs. Einfühlungsvermögen
Sowohl bei Sprechstunden als auch bei Operationen präferierte etwa ein Drittel der Befragten ein bestimmtes Geschlecht. Bei den Sprechstunden war das Verhältnis etwa 60:40 zugunsten eines männlichen Urologen. Bei Operationen änderte sich dies auf 80:20.
Männer waren eher der Meinung, dass männliche Urologen über mehr praktische Fähigkeiten verfügen, während Frauen eher der Meinung waren, dass eine Urologin mehr Einfühlungsvermögen besitzt. Sowohl Männer als auch Frauen gaben an, dass Urologen ihres eigenen Geschlechts ihren Körper besser verstehen würden und dass es einfacher wäre, mit ihnen über ihre Erkrankung zu sprechen.
Ausgewogenes Verhältnis zwischen Urologinnen und Urologen wichtig
Die Urologie ist nach wie vor ein von Männern dominierter Beruf. Diese Studie unterstreicht jedoch noch einmal die Notwendigkeit eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen männlichen und weiblichen Ärzten, erklären die Forscherinnen und Forscher. Am Universitätsklinikum München sei es bereits ausgewogen, aber das sei nicht in allen Krankenhäusern der Fall, so Dr. Tamalunas weiter.
„In der Urologie geht es um sehr sensible Themen wie Erektionsstörungen, Inkontinenz oder Infektionen im Genitalbereich. Den Patientinnen und Patienten fällt es ohnehin schwer, mit Urologinnen und Urologen offen über diese Probleme zu sprechen. Es ist daher wichtig, alle zusätzlichen Barrieren, wie z. B. das Geschlecht des Arztes, zu minimieren. Hierfür müssen wir mehr Frauen in diesem Beruf ermutigen und unterstützen“, davon ist Dr. Tamalunas überzeugt.
Kommentar des wissenschaftlichen Kongressbüros der EAU
Nach Ansicht von Dr. Carme Mir Maresma vom wissenschaftlichen Kongressbüro der EAU bestätigen diese Ergebnisse ihre eigenen Erfahrungen. „Die Präferenzen der Patientinnen und Patienten für einen bestimmten Urologen oder eine Urologin hängen von ihrer Erkrankung ab. Ich behandle hauptsächlich schwerkranke Krebspatienten, denen das Geschlecht des Arztes in der Regel egal ist, solange er oder sie gut qualifiziert ist. Patientinnen und Patienten mit Erkrankungen, die nicht lebensbedrohlich sind, können eher eine Präferenz äußern“, so Dr. Maresma.
„Wahrscheinlich spielen zusätzlich kulturelle Faktoren eine Rolle. Es wäre daher auf jeden Fall interessant, diese Untersuchung auch in anderen Ländern durchzuführen. Das Geschlechterverhältnis in der Urologie wird immer ausgewogener, obwohl Männer immer noch die Mehrheit der Führungspositionen innehaben. Ich denke aber, dass sich dies in den nächsten zehn Jahren ändern wird“, schlussfolgert Dr. Maresma.