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Urologie-Trends

20. Apr. 2023
Prostatakrebs

Einige Männer bereuen später die Entscheidung zur Prostatektomie

Bei einem lokal begrenzten Prostatakarzinom ist die radikale Prostatektomie nur eine der
möglichen Therapieoptionen – man kann den Tumor auch bestrahlen oder erst einmal
engmaschig kontrollieren. Ein Team um den Urologen Valentin Meissner von der TU München hat jetzt untersucht, wie zufrieden Überlebende eines frühen Prostatakarzinoms mit ihrer damaligen Entscheidung zur radikalen Entfernung der Prostata sind.1

Lesedauer: ca. 3 Minuten

Einige Männer bedauern die Entscheidung zur Prostatektomie Jahre später
Manchen Männern kommen im Nachhinein Zweifel, ob die Entscheidung für die radikale Entfernung der Prostata richtig war. (Foto: Getty Images | aquaArts studio)

Autorinnen: Maria Weiß | Dr. Nina Mörsch

Während sich die Überlebensdaten hinsichtlich der verschiedenen Therapien bei einem lokal begrenztem Prostatakarzinom kaum unterscheiden, gibt es enorme Unterschiede in Bezug auf mögliche Nebenwirkungen, die wiederum erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität und damit auf ein Bedauern der Therapieentscheidung haben können. Bereits frühere Untersuchungen hatten gezeigt, dass Männer mit Prostatakrebs ihre Therapiewahl im Nachhinein häufig bereuen.

In der vorliegenden Längsschnitt-Studie hat das Münchner Urologen-Team Prävalenz und assoziierte Faktoren des Bereuens der Entscheidung bei Langzeit-Überlebenden nach radikaler Prostatektomie untersucht.

Hierfür füllten insgesamt 1.003 Überlebende eines bei Diagnose lokal begrenzten Prostatakarzinoms im Mittel nach etwa 7 und dann noch mal einmal nach 19 Jahren nach einer radikalen Prostatektomie einen Fragebogen zu ihrer damaligen Entscheidung aus. Bei der Diagnose waren die Männer zwischen 55 und 65 Jahre alt. Die große Mehrheit (97,9 %) hatte sich für die Entfernung der Prostata entschieden.

Die Männer beantworteten Fragen unter anderem zu ihrer Entscheidungsfindung, zur Lebensqualität und zu psychologischen Faktoren. 

9 % haderten mit ihrer Entscheidung

Zum Zeitpunkt 1 (2007, nach 5,7 – 6,2 Jahren) gaben 9 % der Betroffenen an, den Eingriff zu bedauern. Dieser Anteil hatte sich zum Zeitpunkt 2 (2020, nach 18 – 21 Jahren) auf 12 % erhöht. Die Patienten hatten bei der Befragung 2020 ein durchschnittliches Alter von 80,5 Jahren und ein medianes Follow-Up von 19,4 Jahren.

61 % der Patienten gaben an, dass sie die damalige Entscheidung in Übereinstimmung mit dem behandelnden Arzt getroffen hatten (shared decision making), 27 % hatten sich eher
eigenständig entschieden und 12 % hatten die Entscheidung passiv den Behandelnden
überlassen.

Wer einmal unzufrieden war, blieb es auch viele Jahre

Patienten, die zu beiden Zeitpunkten zufrieden mit ihrer Entscheidung waren, gaben häufiger
eine gemeinsame Entscheidungsfindung an (64 vs. 39 %) und seltener eine passive Rolle
bei der Therapiewahl (11 vs. 28 %). In der Multivarianz-Analyse waren Karzinome mit einem
besonders niedrigen Risiko (≤pT2c, Gleason-Score 3 + 3 = 6, pN0, cM0) mit einem höheren
Risiko für das Bedauern der Entscheidung assoziiert. Gleiches galt für einen höheren
Depressions-Score vor dem Eingriff. Die Unzufriedenheit zum Zeitpunkt 1 war zudem ein
starker Prädiktor für das Bedauern auch zum Zeitpunkt 2 – wer einmal unzufrieden war, blieb
es somit auch über viele weitere Jahre.

Limitationen der Studie

Die Studie weist einige Limitationen auf. Die Entscheidungsfindung lag viele Jahre zurück, so
dass die Selbstauskünfte hier möglicherweise unzuverlässig sind. Eine nicht zu
vernachlässigende Zahl von Überlebenden füllte zudem die Fragebögen nicht aus, sodass
hier ein Bias bestehen könnte. Zudem fehlen Angaben zu Folgeschäden der Operation wie
Urininkontinenz oder erektile Dysfunktion.

Patienten über mögliche Auswirkungen auf Lebensqualität informieren

Trotzdem unterstreichen die Ergebnisse, wie wichtig es sei, Patienten in den Entscheidungsprozess mit einzubeziehen, um eine spätere Unzufriedenheit mit der späteren Therapieform zu verringern, schreibt das Autorenteam.

Zudem sollten Ärztinnen und Ärzte ihre Patienten nicht nur über die objektiven Veränderungen der Funktionsfähigkeit nach der Prostatektomie informieren, sondern auch über mögliche Auswirkungen behandlungsbedingter Nebenwirkungen auf die zukünftige Lebensqualität. Dies sei heutzutage besonders wichtig, wenn Patienten mit lokalisiertem Prostatakarzinom und niedrigem Rezidivrisiko vor der schwierigen Wahl zwischen aktiver Behandlung sowie aktiver Überwachung stünden, die einen potenziellen Kompromiss zwischen Kontrolle des Tumors und behandlungsbedingten Nebenwirkungen darstellt.

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