Männer mit niedrigem Testosteronspiegel sterben häufiger
Männer mit symptomatischen Covid-19, bei denen im Krankenhaus ein niedriger Testosteronspiegel nachgewiesen wurde, erkrankten laut einer italienischen Studie mit höherer Wahrscheinlichkeit schwer an Covid-19 und starben häufiger an der Erkrankung.1
Lesedauer: ca. 3 Minuten

Redaktion: Dr. Nina Mörsch
Die Studiendaten werden auf dem Online-Kongress der European Association of Urology (EAU21) vom 8. bis 12. Juli präsentiert.
Die im letzten Jahr in Mailand während der ersten Coronavirus-Welle durchgeführte Untersuchung kommt zu dem Ergebnis: Je niedriger der Testosteronspiegel, desto höher ist das Risiko für männliche Covid-19-Patienten, dass diese eine intensivmedizinische Versorgung benötigen, invasiv beatmet werden müssen und über längere Zeit im Krankenhaus bleiben müssen. Die Sterbewahrscheinlichkeit bei ihnen ist um das 6-fache erhöht.
Die Details der Studie
Der Facharzt für Urologie und Endokrinologie Professor Andrea Salonia hat gemeinsam mit seinem Team vom San Raffaele Universitätskrankenhaus in Mailand 286 männliche Covid-19-Patienten aus der Notaufnahme mit 305 gesunden Männern verglichen, die zwischen Februar und Mai 2020 zur Blutspende kamen.
Die Forschenden bestimmten bei allen Probanden den Status an männlichen Hormonen, einschließlich Testosteron. Ein Testosteron-Wert von 9,2 nmol/l oder darunter gilt als Schwellenwert für einen niedrigen Testosteronspiegel (Hypogonadismus).
Das Ergebnis
90 Prozent der Covid-19-Patienten wiesen einen Testosteronspiegel unterhalb dieses Wertes auf, verglichen mit nur 17 Prozent der gesunden Probanden. Mit durchschnittlich 2,5 nmol/ lagen die Testosteronwerte bei den Covid-19-Patienten sogar deutlich unter dem Schwellenwert.
Etwas höhere Testosteronwerte hatten Patienten mit leichteren Covid-19-Symptomen (zwischen 3 und 4 nmol/l) , während diejenigen, die auf die Intensivstation eingeliefert wurden oder an der Krankheit starben, Werte von nur 0,7 bis 1,0 nmol/l aufwiesen.
Auch unter Berücksichtigung von Alter, Vorerkrankungen und Body-Mass-Index (BMI) waren die Unterschiede in den Hormonprofilen und den klinischen Ergebnissen groß.
“So etwas habe ich in diesem Bereich in 25 Jahren noch nie gesehen”
„Zu Beginn der Covid-Pandemie sahen wir weit mehr Männer als Frauen, die ins Krankenhaus kamen und an sehr schweren Formen der Krankheit litten. Wir dachten sofort, dass dies mit dem männlichen Hormonspiegel, insbesondere dem Testosteronspiegel, zusammenhängen könnte”, erzählt Prof. Salonia.
Er und sein Team hätten aber nie erwartet, so viele Covid-19-Patienten mit diesen extrem niedrigen Testosteronwerten zu sehen, im Vergleich zu gesunden Männern. Aus seiner Sicht ist der Zusammenhang ganz klar: Je niedriger der Testosteronspiegel, desto höher der Schweregrad der Erkrankung und die Sterbewahrscheinlichkeit. „So etwas habe ich in meinen 25 Jahren in diesem Bereich noch nie gesehen,” so Prof. Salonia.
Die Sache mit der Henne und dem Ei
Allerdings gibt er auch zu Bedenken: Da ihnen keine Daten über den Testosteronspiegel der Patienten vor der Covid-19-Erkrankung vorliegen, ist bislang unklar, ob der niedrige Testosteronspiegel bereits vor der Krankheit bestand und diese verschlimmert hat oder ob er durch SARS-CoV-2 verursacht wurde.
„Wir haben einfach nicht die Daten, um zu wissen, was bei diesen Patienten zuerst kam, der niedrige Testosteronspiegel oder das Covid”, erklärt Professor Salonia.
Virus kann die Zahl an Leydig-Zellen reduzieren
Aus anderen Forschungen ist jedoch bekannt, dass einige Rezeptoren des Virus, wie das Enzyms TMPRSS2, auch mit männlichen Hormonen interagieren und dass das Virus die Anzahl der testosteronproduzierenden Leydig-Zellen im Körper verringert.
Zwar trägt Testosteron dazu bei, Männer vor Krankheiten zu schützen. Es sei jedoch auch möglich, dass das Virus selbst den Testosteronspiegel senkt und so die Betroffenen für einen schwereren Krankheitsverlauf prädisponiert. „Wir verfolgen diese Patienten nun über einen längeren Zeitraum, um zu sehen, wie sich ihre Hormonspiegel im Laufe der Zeit verändern, um diese Fragen zu beantworten,” sagt Prof. Salonia.
Zum EAU-Kongress:
Der jährliche EAU-Kongress ist Europas größter Urologie-Kongress und bringt Fachleute aus Klinik und Wissenschaft und Patientinnen und Patienten zusammen, um die neuesten Forschungsergebnisse und medizinischen Entwicklungen im Zusammenhang mit den Harnwegen und dem männlichen Fortpflanzungssystem zu diskutieren.
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