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Urologie-Trends

05. Okt. 2023
DGU 2023

Fokale Therapien: Welche Behandlung für welchen Patienten?

Fokale Therapien werden vor allem von jungen Prostatakarzinom-Patienten immer öfter angesprochen, weil die Verfahren hinsichtlich der Kontinenz und der Sexualfunktionen schonender zu sein scheinen als die Standardverfahren. Aber welche Therapie ist für welchen Patienten geeignet? Darüber haben wir mit dem Chefarzt der Urologischen Abteilung der Asklepios Klinik Bad Tölz, Prof. Roman Ganzer, gesprochen.

Lesedauer: ca. 5 Minuten

fokale therapie prostatakrebs
Je höher die Anzahl der fokalen Vorbehandlungen ist, desto eingeschränkter sind die funktionellen Ergebnisse nach einer Nerv-erhaltenden radikalen Prostatektomie. (Foto: © Dreamstime.com | Natal'ya Buzuevskaya)

Dieses Interview wurde am 20. September 2023 auf dem 75. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) durchgeführt.

Fragen und Redaktion: Marina Urbanietz

Welche neuen Entwicklungen gibt es aktuell im Bereich der fokalen Therapie?

Die meisten Studien mit der längsten Nachbeobachtungszeit gibt es zur fokalen HIFU (hochintensiver fokussierter Ultraschall). Es werden jedoch immer wieder neue Technologien untersucht, die aber ähnliche Limitationen haben: In viele Studien werden oft nur wenige Patienten eingeschlossen und es gibt kaum Langzeitergebnisse. Außerdem wurden fast alle Verfahren bisher nicht prospektiv im Vergleich zu den Standardverfahren untersucht. Lediglich die photodynamische Therapie mit dem Tookad – Verfahren wurde prospektiv an einem low-risk Kollektiv im Vergleich zur Active Surveillance untersucht und in zwei nennenswerten Studien untersucht. Tookad wird jedoch vom Hersteller nicht mehr geliefert und kann daher in Deutschland nicht mehr angeboten werden.

In aktuellen Forschungsarbeiten geht es auf der einen Seite darum, die fokalen Therapiemethoden gezielter einzusetzen und die Patientenselektion durch verbesserte Bildgebung und Einsatz von Biomarkern zu optimieren. Auf der anderen Seite sind Studien von großer Wichtigkeit, in welchen fokale Therapie mit Standardverfahren, wie der radikalen Prostatektomie und der Radiatio verglichen werden.

Welche Studien laufen derzeit, deren Ergebnisse wegweisend sein können?

In Deutschland rekrutieren aktuell drei Studien: ProFocus (fokale HIFU), ProFocAL (fokale HDR Brachytherapie) und ProFLa (Fokale Laserablation). Dies sind prospektive und nicht randomisierte Phase II Studien. Aktuelle prospektiv randomisierte Studien sind zum Beispiel die CHRONOS-Studie aus England, die fokale Therapie im Vergleich zu Standardtherapien untersucht. In CHRONOS-A wird die fokale HIFU-Therapie mit der radikalen Prostatektomie verglichen.

In CHRONOS-B wird die fokale Therapie allein mit der Kombination fokale Therapie plus Hormontherapie verglichen. Ziel ist es, die fokale Therapie weiter zu verbessern. Eine andere Vergleichsstudie zwischen fokaler HIFU bzw. dem TULSA Pro Verfahren und der radikalen Prostatektomie ist die FARP-Studie aus Norwegen. Erste Auswertungen zeigen einen deutlichen Vorteil beim Erhalt von Kontinenz und Potenz zugunsten der fokalen Therapie. Für eine Aussage zur onkologischen Effektivität (aktuell kein Unterschied) ist die Nachbeobachtungszeit jedoch zu kurz.

Woran liegt es, dass in Deutschland keine prospektiv randomisierten Studien in dem Bereich laufen?

Die Randomisierung ist hierzulande ein schwieriges Thema, wie man bei der PREFERE-Studie gesehen hat. Sowohl die Patienten selbst als auch deren Zuweiser sind beim Prostatakarzinom aus nachvollziehbaren Gründen voreingenommen, wenn es um die Wahl der passenden Therapie geht.

Deshalb sind prospektiv randomisierte Studien wie CHRONOS, in die über 1200 Patienten eingeschlossen werden, sehr beachtenswert. In Deutschland werden wir wahrscheinlich nur einarmige Beobachtungsstudien durchführen können.

Welche Voraussetzungen müssen für eine fokale Therapie erfüllt sein?

Die folgenden Kriterien sind eine Mischung aus Konsens-Papers und meiner persönlichen Meinung:

  • Intermediate-Risk Tumor (ISUP II) im lokal begrenzten Stadium
  • MRT-Fusionsbiopsie im Vorfeld, mit einer Übereinstimmung von Biopsie und MRT-Areal(en)
  • PSA-Wert < 15 ng/ml
  • Lebenserwartung von über 10 Jahren
  • Die Patienten sollten auf jeden Fall für Rebiopsien offen sein und sich darüber im Klaren sein, dass sowohl die Rezidivrate als auch der Nachsorgeaufwand höher sind als bei den Standardverfahren. Ich würde es so zusammenfassen: Von vier Patienten mit dem Wunsch nach einer Fokaltherapie kommt einer infrage.

Was sind Ausschlusskriterien?

Gleason-Score ≥ 8; lokal fortgeschrittenes/metastasiertes Stadium und eine Lebenserwartung von unter 10 Jahren.

Welche Rolle spielt das Alter der Patienten?

Meine persönliche Meinung ist, dass man bei einem sehr jungen Patienten die Indikation für eine fokale Therapie vorsichtig stellen sollte. Da er mit einer fokalen Therapie weniger sicher behandelt wird als mit einer Standardtherapie, werden aufgrund der hohen Lebenserwartung sehr wahrscheinlich Folgetherapien auf ihn zukommen. Je höher die Anzahl der fokalen Vorbehandlungen ist, desto eingeschränkter sind die funktionellen Ergebnisse (insbesondere Potenz) nach einer Nerv-erhaltenden radikalen Prostatektomie.

Welche Verfahren der fokalen Therapie eignen sich für welche Patienten bzw. für welche Tumorlokalisationen?

Für mich persönlich sind vier Punkte wichtig:

  • Tumorcharakteristika
  • Tumorlage
  • Alter und Komorbidität
  • Potenzstatus

Basale Tumoren: Bei den Tumoren, die basal gelegen sind, sind die Verfahren, die über das Rektum appliziert werden, sinnvoll. Das ist zum Beispiel die fokale HIFU-Therapie.

Anteriore Tumoren: Bei den Tumoren, die anterior in der Prostata liegen, spielen eher Verfahren eine Rolle, die man nadelbasiert über den Darm (perineal) appliziert. Das ist zum Beispiel die irreversible Elektroporation (IRE), die fokale Kryotherapie oder die Mikrowellenablation (MWA). Beispielhaft kann man die Studie von Sze und Kollegen nennen. Sie haben 17 Patienten mit einem anterioren Tumor untersucht, bei denen die fokale Kryotherapie durchgeführt worden war. Dabei konnte die Kontinenz komplett erhalten werden und auch bei der Sexualfunktion wurden sehr gute Ergebnisse erreicht (Sze et al. BMC Urology, 2019).

Apikale Tumoren: Kompliziert sind die apikalen Tumoren wegen der Gefahr der Sphinkter-Schädigung. Hier haben wir sehr wenig Daten, aber die fokale Brachytherapie scheint in solchen Fällen einen Vorteil zu bieten.

Wie sieht die aktuelle Evidenzlage in Bezug auf die unterschiedlichen Verfahren der fokalen Therapie aus?

HIFU: Die meisten Studien haben wir aktuell zur HIFU-Therapie. Hier haben wir insgesamt 27 Untersuchungen mit 2 matched pair Analysen im Vergleich zu Standardverfahren. Prospektiv randomisierte Studien sind unterwegs.

IRE: Bei der IRE ist in letzter Zeit viel passiert: Es wurden insgesamt 9 Studien publiziert, davon eine matched pair Analyse zur roboterassistierten Prostatektomie (RALP).

Kryotherapie: Obwohl es die Kryotherapie schon sehr lang gibt, bewegen wir uns auf einem niedrigen Evidenzlevel: Es gibt ein großes Register, das COLD Registry, jedoch mit sehr eingeschränktem Follow-up, sodass man hier auf eine sehr limitierte Datenlage zurückgreifen muss.

TOOKAD: Die Substanz ist in Deutschland nicht mehr erhältlich.

Neue Verfahren: Bei den neuen Therapien, wie die Radiofrequenzablation (RFA) und die MWA, gibt es ebenfalls bisher wenig Evidenz und insbesondere keine Langzeitdaten.

Welche Verfahren der fokalen Therapie werden in Ihrer Klinik angeboten und in welchen Fällen können niedergelassene Kolleginnen und Kollegen ihre Patienten an Sie überweisen?

Wir führen die fokale HIFU-Therapie mit dem focal One Gerät durch. Grundsätzlich können alle Patienten, die die oben genannten Voraussetzungen erfüllen, zu uns überwiesen werden. Bei dem Follow-up halten wir uns im Wesentlichen an das Studienprotokoll der ProFocus bzw. HEMI-Studie.

Zur Person:

Prof. Roman Ganzer

Prof. Dr. med Roman Ganzer ist seit 2017 Chefarzt der Urologie an der Asklepios Stadtklinik Bad Tölz. Er ist u. a. ausgewiesener Spezialist auf dem Gebiet der Roboter-assistierten (da Vinci) Chirurgie, der Laparoskopie und der Fokalen Therapie des Prostatakarzinoms.

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