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Urologie-Trends

11. Aug. 2023
Autoerotische Unfälle

Ein Dichtungsring und ein stark geschwollenes Skrotum

Menschen haben aus ganz unterschiedlichen Gründen die Neigung, sich selbst zu schaden. Ein Beispiel dafür schildern Dr. Ramona Grahl (Klinik für Urologie, Kliniken Maria Hilf in Mönchengladbach) und ihre Kollegen. Es handelt sich eindeutig um eine Geschichte aus der Ab­tei­lung „Bitte nicht nach­ma­chen!"1

Lesedauer: ca. 3 Minuten

Dichtungsringe
(Foto: Getty Images | bizoo_n)

Autor: Dr. Thomas Kron | Redaktion: Dr. Nina Mörsch

Der Patient und seine Geschichte

Ein 40 Jahre alter Mann stellte sich nach Angaben der Autorinnen und Autoren in der Notaufnahme wegen einer massiven Skrotalschwellung vor. Die Schwellung sei durch Anlegen eines Dichtungsrings ausgelöst worden, den er zuvor unter Drogenkonsum (Amphetamin 2 g, Ecstasy 2 Pillen und Marihuana 5 g) zweifach um das Skrotum gelegt habe. Den Urologen zufolge hatte der Patient über das Internet Informationen bezogen, wonach sich nach Anlegen von Dichtungsringen die Hoden dauerhaft vergrößert. Nach Anlegen eines solchen Rings und mehrfacher Masturbation sei der Mann allerdings eingeschlafen. Erst nach dem Aufwachen habe er den Ring entfernt. Die in einem anderen Krankenhaus empfohlene Therapie der Orchiektomie beidseits bei Verdacht auf totale Ischämie beider Hoden habe der Mann abgelehnt.

Die Befunde

Bei Vorstellung in der Notaufnahme der Urologen der Kliniken Maria Hilf in Mönchengladbach war das Skrotum nach Angaben der Autoren „massiv geschwollen, temperiert und gerötet, die Skrotum-Haut  ausgeprägt ödematös, arealweise auch holzartig verhärtet. Auch der Penis sei geschwollen gewesen.

Labordiagnostik: Leukozytose (Leukozyten 13,57 Gpt/l); erhöhter CRP-Wert (4,5 mg/l); normwertiger Procalcitonin-Wert < 0,3 ng/ml.

Vitalparameter normwertig

Sonographisch beide Hoden minderperfundiert, ödematöse Bindegewebsschwellung, keine Hydrozele und keine Lufteinschlüsse.

Diagnose, Therapie und Verlauf

Die Diagnose lautete: hämorrhagischer Infarkt beider Testes. Die empfohlene operative Therapie habe der Patient erneut abgelehnt, sodass er konservativ behandelt worden sei (transurethraler Blasenkatheter, Kombinationstherapie mit Tazobactam und Piperacillin, Hochlagerung des Skrotum, Hautpflege).

Im weiteren Verlauf zunehmende Verbesserung des Skrotalhautbefunds, Entlassung zehn Tage nach Aufnahme. Ambulante Kontrolle nach 6 Monaten: klinisch gesunder Patient; sonographisch beidseits atrophe Hoden, testikuläre Perfusion nicht nachweisbar.

Diskussion

Es handelt sich in diesem Fall um einen autoerotischen Unfall. Ein autoerotischer Unfall sei ein Geschehen, das durch Masturbation oder eine andere autoerotische Handlung eine meist leichte bis mittelschwere Verletzung zur Folge habe, so der Urologe Professor Hubert John (Kantonsspital Winterthur). Erste Berichte von autoerotischen Unfällen seien um 1900 veröffentlicht worden. Betroffen seien vor allem Männer. In der Regel komme es bei autoerotischen Aktivitäten zu leichten oder mittelschweren Verletzungen. Da viele Patienten den tatsächlichen Unfallhergang aus Scham gegenüber dem Arzt verschwiegen, gebe es keine genauen Zahlen über die Häufigkeit. Laut Jonas gehen Schätzungen von ein bis zwei tödlichen Unfällen im Zusammenhang mit der Selbstbefriedigung pro eine Million Personen und Jahr aus.

In der urologischen Notfallsituation seien Penisstrangulationen und eingeführte Fremdkörper in der Harnröhre am häufigsten. Bekannt wurde in der Fachliteratur Jonas zufolge der Handstaubsauger: „Die Patienten führen dabei den nicht erigierten Penis in den einige Zentimeter langen Ansaugstutzen des Staubsaugers ein, um sich durch den Luftsog im Sinne einer Vakuumerektion sexuell zu stimulieren. Dabei touchieren das Präputium und die Glans penis den rotierenden Ventilator des Geräts.“ Dabei komme es zu multiplen Riss-Quetsch-Wunden. Solche Verletzungen seien auch mit neuartigeren Staubsaugermodellen noch möglich. Das Einführen von Fremdkörpern in die Harnröhre und Harnblase sei nicht selten. Dabei könnten Gegenstände wie Fäden, Holz- und Metallteile oder Wachs beobachtet werden.

Maden und Hantelscheiben: Weitere autoerotische Unfälle

Ein Maden-Unfall

Über einen ungewöhnlichen Fremdkörper“ -Unfall haben vor einigen Jahren Urologen des Hamburger Bundeswehrkrankenhauses berichtet. Es handelte sich um einen 47-jährigen Mann, der wegen rechtsseitiger Unterbauchschmerzen in die Notaufnahme des Bundeswehrkrankenhauses kam. Dem Chirurgen habe er berichten, sich am Morgen desselben Tages in autoerotischer Absicht Maden in die Harnröhre eingeführt und anschließend masturbiert zu haben. Die Maden seien bei der Miktion jedoch nicht aus der Blase gespült worden. Die Folge war eine Harnstauung mit Fornixruptur durch Schmeißfliegenlarven.

Ein Hantelscheiben-Unfall

Eine weitere Geschichte aus der Ab­tei­lung „Bitte nicht nach­ma­chen“ ereignete sich 2017 im Raum Worms. Im dortigen städtischen Krankenhaus waren Chirurgen mit einem nicht alltäglichen Notfall konfrontiert: Ein Mann hatte sich seinen Penis im Loch einer 2,5 Kilogramm schweren Hantelscheibe eingeklemmt. Um den Mann aus dieser misslichen Lage zu befreien, mussten die Mediziner allerdings die Feuerwehr um Hilfe rufen. Nach mehrstündiger „Operation“, unter anderem mit Schleifer und Vibrationssäge, sei der Mann die schwergewichtige Last los gewesen.

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