
Ambulante Behandlung von BPS: Was geht, was nicht?
Der Trend zur ambulanten chirurgischen Behandlung des benignen Prostatasyndroms (BPS) scheint mittelfristig unausweichlich. Über die vorhandene Evidenz und Sicherheit von Verfahren wie TURP oder HoLEP im ambulanten Setting referierte der Urologe Dominik Abt auf dem diesjährigen Urologenkongress in Leipzig.
Lesedauer: ca. 7 Minuten

Der folgende Beitrag beruht auf dem Vortrag "Von PAE bis HoLEP - was geht noch ambulant und was macht keinen Sinn?" von PD Dr. med. Dominik Abt, Spitalzentrum Biel, Schweiz, der auf dem 75. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie in Leipzig präsentiert wurde. | Redaktion: Dr. Nina Mörsch
Trend zur ambulanten BPS-Therapie
Verfahren zur Behandlung eines benignen Prostatasyndroms (BPS) würden immer häufiger ambulant durchgeführt werden, stellt der Urologe Dr. Dominik Abt zu Beginn seines Vortrags fest. Dieser Trend sei hauptsächlich auf steigende Kosten zurückzuführen: „Der Druck seitens der Versicherungen nimmt immens zu und Ressourcen wie Betten und Personal werden immer knapper", führt er aus. Doch noch rege sich Widerstand gegen diese Entwicklung, sowohl aus Gewohnheit oder auch aus Sorge vor möglichen Komplikationen. Insbesondere ältere und fragile Patienten bevorzugen oft einen Klinikaufenthalt von 1- 2 Nächten. Auch behindern finanzielle Anreize, die an die Dauer des Aufenthalts gebunden sind, aus Sicht des Arztes die ambulante Versorgung.
Doch die Liste an Eingriffen, die nur noch ambulant durchgeführt werden, wächst stetig und der Druck wird weiter zunehmen, prognostiziert Abt. Er verweist auf eine Studie in der Fachzeitschrift "Annals of Surgery":2 Danach konnten über 87 % der Teilnehmer nach Eingriffen wie Thyreoidektomie, Hernienreparatur, Gallenblasenentfernung und Blinddarmoperationen ambulant nach Hause entlassen werden - und dies bei einer geringeren 30-Tage-Wiederaufnahmerate. Möglicherweise sind diese Ergebnisse auch durch eine Selektion von Patienten beeinflusst, bei denen es sich um weniger schwerwiegende Fälle handelte, gibt der Arzt zu bedenken.
MTI ambulant: Evidenz für resezierende Verfahren sehr gering
Minimalinvasive Therapieverfahren (MTI) für BPS wie Urolift®, Rezum®, Prostata Arterien Embolisation (PAE) und iTIND® sind wenig invasiv und erfordern in der Regel auch keine Narkose - die ambulante Durchführung ist daher schon Standard.
Viel interessanter seien daher resezierende Verfahren wie TURP (Transurethrale Resektion der Prostata), HoLEP (Holmium Laserenukleation der Prostata) oder Greenlight-Laser zu diskutieren, bei denen der Fokus auf Desobstruktion und Nachhaltigkeit liegt, so Abt. Diese Verfahren erzeugen eine Wunde, erfordern postoperative Spülungen und werden überlicherweise unter Vollnarkose oder Spinalanästhesie durchgeführt. Obwohl Daten auf die Möglichkeit einer ambulanten Durchführung dieser Techniken hindeuten, bleibt die Studienlage zu begrenzt für definitive Schlussfolgerungen, so der Referent.
Verfügbare Studien zu TURP und Greenlight-Laser
In Bezug auf die TURP gibt es laut des Referenten nur eine einzige, bereits ältere Studie. 3 In dieser Untersuchung wurden 60 Patienten mit relativ kleiner Prostata (Pvol 38,5ml) behandelt. Der Dauerkatheter wurde im Durchschnitt nach 4,3 Stunden entfernt, und die meisten Patienten konnten innerhalb von zwölf Stunden nach dem Eingriff entlassen werden. Lediglich ein Fall erforderte eine Wiedervorstellung in der Notaufnahme mit einer Tamponade.
Ähnliches gelte für die Therapie mit dem Greenlight-Laser. Hier konnten in einer Studie mit 98 Patienten 73 % ohne Katheter nach Hause entlassen werden, der mediane Krankenhausaufenthalt betrug 5 Stunden.4 In dieser Gruppe war kein erneutes Einsetzen eines Harnröhrenkatheters erforderlich. Eine andere Studie mit 109 ambulanten Patienten ergab keine erneuten Wiederaufnahmen ("Readmissions") und 90 % der behandelten Männer zeigten sich sehr zufrieden mit dieser Behandlung. 5
Bessere Datenlage zu HoLEP
Ein systematisches Review hat 14 Studien zur ambulanten HoLEP-Behandlung (1 x zu Thulium) ausgewertet. Die Erfolgs- bzw. die Wiederaufnahmeraten lagen aufgrund der Variabilität der eingeschlossenen Studien zwischen 35,3-100 % bzw. 0-17,8 %.
Dr. Abt stellte aus diesem Review eine Studie aus den USA exemplarisch vor, in der 114 Patienten mit einem durchschnittlichen Volumen der Prostata von 109 ml behandelt wurden.6 Der Erfolg war definiert als Entlassung am selben Tag, Entfernen des Dauerkatheters am gleichen Tag sowie als Fehlen von Wiederaufnahmen innerhalb von 30 Tagen. Dieses Ziel wurde bei 87 % der Patienten erreicht, unabhängig von Alter, Prostatavolumen und der Einnahme von Blutverdünnern. Trotz dieser Egebnnisse betonen die Autoren die Notwendigkeit eines standardisierten Protokolls.
Aquablation und RASP: "Manches muss man neu überdenken"
Zwei Therapien, bei denen eine ambulante Durchführung nicht unbedingt als erste Wahl erwogen wird, sind Aquablation und die Roboter assistierte Prostataadenomentfernung (RASP).
Hier verweist Dr. Abt auf bislang nicht publizierte Daten zur Aquablation. Diese zeigen, dass in 87 % der Fälle die ambulante Durchführung erfolgreich war und es nur zur sehr wenigen Wiederaufnahmen kam. Die behandelten Männer hatten eine relativ große Prostata, mit im Durchschnitt 180 ml Volumen. „Ehrlich gesagt, ich war immer froh, wenn wir diese Patienten auf der Station einigermaßen gut gespült bekommen haben, sodass eine ambulante Behandlung nicht meine erste Intuition gewesen wäre", gibt der Urologe zu und ergänzt: „Aber manchmal muss man halt Sachen noch mal neu überdenken."
Gleiches gelte für die RASP, die zwar auch ambulant durchgeführt werden könne, bei der allerdings Daten daraufhin deuteten, dass der Aufenthalt länger dauere und der Eingriff etwas schwieriger sein könnte.7
Blick auf Versorgungsdaten: Wie sieht die Realität aus?
Für einen Blick auf reale Zahlen hebt der Vortragende die Bedeutung von Versorgungsdaten aus den USA hervor, wo die stationären Behandlungskosten deutlich höher sind. Für eine kürzlich veröffentlichte Analyse wurden hier Daten aus dem Nationwide Military Surgery Sample (NASS) herangezogen. Dieser Datensatz deckt etwa 80 % aller ambulanten chirurgischen BPS-Eingriffe in den USA in Krankenhäusern ab, jedoch nicht in Praxen.8 Zwischen 2016 und 2019 wurden danach 20 % weniger ambulante Eingriffe in Krankenhausern durchgeführt, was auf eine Verschiebung hin zu mehr Eingriffen in Praxen hindeutet. Obwohl der Anteil an HoLEP-Behandlungen leicht zugenommen hat (8 %), dominiert immer noch TURP bei 90 % der Eingriffe. Die Verwendung von Greenlight-Laserbehandlungen ist von 32% auf 0,7% gesunken.
Ambulante BPS-Chirurgie: Wie sicher sind die Eingriffe?
Eine Studie aus dem Jahr 2020 untersuchte die Sicherheit und Häufigkeit von ambulanten urologischen Eingriffen. Garden et al. analysierten Daten des National Surgical Quality Improvement Programm in den USA, in dem zwischen 2015 und 2019 etwa 47.000 chirurgische Verfahren erfasst wurden. Der am häufigsten durchgeführte Eingriff war TURP (31.872 Fälle), gefolgt von der Behandlung mit einem Greenlight-Laser (12.125 Fälle). Da die Datenbank auch Informationen zu stationären Patienten enthält, waren Vergleiche zwischen Patienten mit ähnlichem Alter und ähnlicher Prostatagröße möglich. Die Ergebnisse:
- Bei der Analyse der verschiedenen Therapiearten zeigte sich, dass fast 70 % der Greenlight-Behandlungen und 20 % der TURP-Therapien ambulant durchgeführt werden.
- Bei HoLEP-Behandlungen gab es einen Anstieg von 20% auf fast 40%, was auf ein wachsendes Interesse an dieser Methode hinweist.
- In Bezug auf die Sicherheit der ambulanten Therapien stellten die Forschenden fest, dass die Raten für Reoperationen und Komplikationen zwischen ambulanten und stationären Eingriffen vergleichbar sind: Tatsächlich sind laut Analyse die 30-Tage-Wiederaufnahmequoten bei ambulant durchgeführten Behandlungen sogar niedriger, was jedoch auf eine selektive Patientenauswahl zurückzuführen sein könnte.
Das Autorenteam schlussfolgert aus den Daten, dass ambulante Therapien genauso sicher sind, da die Patienten offensichtlich sorgfältig ausgewählt werden.
Die Entscheidung, urologische Eingriffe ambulant durchzuführen, erfordert eine sorgfältige Planung und klare Standards, betont Dominik Abt. Einige wichtige Punkte sind:
- Klare Standards: Es ist entscheidend, klare Standards zu etablieren, sowohl bei der Auswahl der Patienten als auch bei Aspekten wie der Dauer der Spülung, dem Zeitpunkt der Katheterentfernung und der Entscheidung, ob der Patient auf die Tagesstation oder auf die Station zurückkehrt.
- Infrastruktur: Die Infrastruktur muss angepasst werden, um ambulante Eingriffe zu ermöglichen, einschließlich der Operationsplanung, Flexibilität bei der Bettenverwaltung und klaren Protokollen zur Aufnahme von Notfällen.
- Erfahrung sammeln: Die Teams müssen Erfahrung in der Durchführung ambulanter Eingriffe sammeln und Bedenken abbauen. Es kann anfangs eine gewisse Hemmschwelle geben, Patienten frühzeitig nach Hause zu schicken, aber diese Bedenken scheinen mit der Zeit abzunehmen.
- Finanzieller Druck: Der finanzielle Druck, ambulante Eingriffe durchzuführen, wird voraussichtlich weiter steigen. Die ambulante BPS-Chirurgie wird mittelfristig unvermeidlich sein, und neue Verfahren müssen sich daran messen lassen.
- Selektion und Protokolle: Wenn Patienten sorgfältig ausgewählt werden und standardisierte Protokolle verwendet werden, erscheinen alle gängigen resezierenden Verfahren als sicher ambulant durchführbar. Es ist jedoch wichtig, auch einen Plan B zu haben, da nicht alle Eingriffe reibungslos verlaufen.
Diese Beiträge vom DGU-Kongress könnten Sie auch interessieren:
- Prostatakarzinom: Aktive Überwachung mit standardisiertem MRT erspart viele Biopsien
- Fokale Therapien: Welche Behandlung für welchen Patienten?
- Mikrobiom bei Harnwegsinfektionen: Was ist für die Therapie wichtig?
- HIFU vs. Prostatektomie: Neue Studienergebnisse aus Frankreich
- Neue Antibiotikasubstanzen in der Urologie
- Diagnostik und Therapie des Nierenzellkarzinoms – was ist neu?
- Phimose und Zirkumzision: OP-Indikationen im Wandel
- Verdacht auf Prostatakrebs im MRT – lässt sich die Zahl der Biopsien reduzieren?
- Falsch-positive PSA-Wert-Erhöhung bei jungen Männern: Sind STI schuld?
- Impfungen in der urologischen Praxis: Wann & für wen sinnvoll?
- Verhütung für den Mann: "Es gibt einen klaren Bedarf"
- Urologie-Kongress mutet in diesem Jahr politisch an