
5 seltene und ungewöhnliche psychiatrische Symptome
Die meisten in der Psychiatrie tätigen Menschen sind mit Erkrankungen wie Schizophrenie oder bipolaren Störungen vertraut. Aber es gibt auch Syndrome, die so selten sind, dass viele Psychiaterinnen und Psychiater in ihrem Berufsleben keinen einzigen Fall davon sehen. Hier werden fünf der seltensten und seltsamsten psychiatrischen Erkrankungen vorgestellt.1
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Autor: Christoph Renninger
Fregoli-Syndrom: Ein Mensch mit vielen Persönlichkeiten
Beim Fregoli-Syndrom glaubt man, dass es sich bei verschiedenen Personen um ein und dieselbe Person handelt, die nur ihr Aussehen verändert. Menschen mit diesem Syndrom fühlen sich oft von denjenigen verfolgt, die sie für verkleidete Personen halten. Das Syndrom ist nach Leopoldo Fregoli benannt, einem italienischen Theaterschauspieler, der für seine bemerkenswerte Fähigkeit bekannt war, auf der Bühne schnell sein Aussehen zu verändern.
Das Fregoli-Syndrom tritt typischerweise zusammen mit anderen psychischen Störungen auf, wie bipolaren Störungen, Schizophrenie und Zwangsstörungen. Es kann auch durch Hirnverletzungen und die Einnahme des Medikaments L-Dopa zur Behandlung der Parkinson-Krankheit verursacht werden.
Ein Review im Jahr 2018 ergab, dass seit der Erstbeschreibung der Krankheit weltweit weniger als 50 Fälle gemeldet wurden.2 Eine neuere Studie (2020) meldete jedoch eine Inzidenz von 1,1 % bei Patienten nach einem Schlaganfall, also sicherlich mehr als 50 Fälle, aber immer noch sehr selten.3 Eine Heilung des Fregoli-Syndroms ist nicht bekannt, aber eine Behandlung mit antipsychotischen Medikamenten kann die Symptome lindern.
Cotard-Syndrom: Sich selbst tot fühlen
Beim Cotard-Syndrom, das auch als "Walking-Corpse-Syndrom" bezeichnet wird, haben die Betroffenen die wahnhafte Vorstellung, dass sie tot sind und nicht existieren. Andere glauben, dass ihnen Körperteile fehlen.
Das Syndrom ist nach dem französischen Neurologen Jules Cotard aus dem 19. Jahrhundert benannt, der diese Krankheit 1882 erstmals beschrieb.
Schizophrenie, Depression und bipolare Störung sind Risikofaktoren für das Cotard-Syndrom. Es wurde jedoch auch als seltene Nebenwirkung des antiviralen Medikaments Aciclovir berichtet.4
Man geht davon aus, dass das Syndrom auf eine Unterbrechung der Verbindung zwischen den Gehirnbereichen, die Gesichter erkennen, und den Bereichen, die emotionale Inhalte mit dieser Gesichtserkennung verbinden, zurückzuführen ist.
Diese seltene Erkrankung wird in der Regel mit Antidepressiva, Antipsychotika und Stimmungsstabilisatoren sowie mit Elektrokrampftherapie behandelt.
Alien-Hand-Syndrom: Hand mit eigenem Willen
Das Alien-Hand-Syndrom ist eine der seltsamsten neurologischen Störungen. Dabei scheint die Hand einer Person einen eigenen Willen zu haben und autonom zu handeln, und die Person hat das Gefühl, als gehöre ihre Hand nicht zu ihr.
Dieses Syndrom wurde erstmals 1908 festgestellt, aber erst in den frühen 1970er Jahren eindeutig definiert. Der Begriff "Alien-Hand-Syndrom" wurde von Joseph Bogen, einem amerikanischen Neurophysiologen, geprägt, um ein merkwürdiges eigenwilliges Verhalten zu beschreiben, das gelegentlich während der Genesung von bestimmten Arten von Gehirnoperationen auftritt.
Menschen mit dem Alien-Hand-Syndrom haben in der Regel Störungen der sensorischen Verarbeitung und distanzieren sich von den Handlungen ihrer Hand. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Menschen mit diesem Syndrom die fremde Hand oft personifizieren und glauben, dass sie von einem anderen Geist oder einer fremden Lebensform besessen ist.
Zu den Ursachen des Syndroms gehören Demenz, Schlaganfälle, Prionenerkrankungen (eine tödliche Gehirnkrankheit), Tumore und Krampfanfälle. Fälle des Alien-Hand-Syndroms wurden auch bei Patienten gemeldet, bei denen die linke und die rechte Gehirnhälfte zur Behandlung schwerer Epilepsie operativ getrennt wurden.
Das Syndrom ist sehr selten. In einem Review aus dem Jahr 2013 wurden nur 150 Fälle in medizinischen Fachzeitschriften gefunden.5
Obwohl es keine Heilung für das Alien-Hand-Syndrom gibt, können die Symptome bis zu einem gewissen Grad minimiert und gelindert werden, indem man die betroffene Hand beschäftigt und in eine Aufgabe einbezieht – zum Beispiel, indem man ihr einen Gegenstand zum Greifen gibt. Weitere Behandlungsmöglichkeiten sind Injektionen von Botulinumtoxin und die Spiegelboxtherapie. Die besten Behandlungserfolge scheinen Schlaganfallpatienten zu haben.
Ekbom-Syndrom: Krabbelnde Insekten unter der Haut
Das Ekbom-Syndrom ist eine taktile Halluzination, bei der die Betroffenen glauben, von Parasiten befallen zu sein, die sie oft als unter der Haut krabbelnde Insekten erleben. Das Syndrom ist nach Karl Ekbom benannt, einem schwedischen Neurologen, der die Krankheit in den späten 1930er Jahren erstmals beschrieb.
Die genaue Zahl der Menschen, die an diesem Syndrom leiden, ist nicht bekannt, aber eine Studie berichtet von etwa 20 neuen Fällen pro Jahr in einer großen US-amerikanischen Überweisungsklinik.6
Einer Meta-Analyse von 1223 Ekbom-Fällen zufolge ist das Syndrom häufiger bei Frauen (zwei Drittel Frauen, ein Drittel Männer) und bei Personen über 40 Jahren anzutreffen. Die Symptome hielten in der Regel drei bis vier Jahre an.7
Das Ekbom-Syndrom wird mit verschiedenen Erkrankungen in Verbindung gebracht, darunter paranoide Schizophrenie, organische Hirnkrankheit, Neurose und paranoide Persönlichkeitsstörung. Es wurde auch bei einigen Personen beobachtet, die einen Alkoholentzug, Kokainmissbrauch, Schlaganfälle, Demenz und Läsionen im Thalamus, erlitten haben.
Psychologische Behandlungen werden von Menschen, die unter dem Ekbom-Syndrom leiden, oft nicht gewünscht, da sie davon überzeugt sind, dass das Problem medizinisch behandelt werden muss.
Alice-im-Wunderland-Syndrom: Mal groß, mal klein
Das Alice-in-Wunderland-Syndrom, auch Todd-Syndrom genannt, bezeichnet eine Verzerrung des Körperbildes, des Sehens, des Hörens, des Tastsinns und des Raum-Zeitempfindens einer Person. Betroffene nehmen Objekte in der Regel kleiner wahr, als sie tatsächlich sind, während Menschen größer erscheinen, als sie sind. Oder umgekehrt: Objekte werden als größer wahrgenommen, als sie tatsächlich sind, und Menschen erscheinen kleiner. Diese Erfahrungen können von Gefühlen der Paranoia begleitet sein.
Es ist wenig darüber bekannt, wie häufig diese Störung ist. Die meisten Betroffenen sind Kinder und Migränepatienten. Betroffene können sich ängstigen und in Panik geraten, so dass eine erfolgreiche Behandlung oft Ruhe und Entspannung beinhaltet. In den meisten Fällen handelt es sich um eine relativ kurzlebige Erkrankung.
Die jüngste Übersichtsarbeit über das Alice-im-Wunderland-Syndrom berichtet, dass fast die Hälfte aller Betroffenen erfolgreich behandelt werden kann.8