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Psychiatrie kompakt

18. Sep. 2023
Posttraumatische Belastungsstörung

Ecstasy-Wirkstoff unterstützt Behandlung

Eine Zulassungsstudie bestätigte kürzlich die Wirkung von MDMA bei der Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung – und das bei einer diversen Patientenkohorte. Fachleute begrüßen die positiven und bestätigenden Ergebnisse.1

Lesedauer: ca. 5 Minuten

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Ecstasy-Wirkstoff unterstützt Behandlung posttraumatischer Belastungsstörung (Foto: Dreamstime.com | Thatswhatyouneed)

Redaktion: Dr. Linda Fischer

Die psychotherapeutische Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) ist wirkungsvoller, wenn sie durch MDMA (3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin) unterstützt wird. Dies wurde erneut in einer Phase-III-Studie bestätigt, die auch Personen einschloss, die in klinischen Studien häufig unterrepräsentiert sind.2

2021 erste Studie zu MDMA-unterstützter Behandlung

MDMA ist der ursprüngliche Wirkstoff in Ecstasy und fördert unter anderem prosoziales Verhalten. Bereits 2021 veröffentlichte das Forschungsteam Ergebnisse einer Phase-III-Studie zu einer MDMA-unterstützten Psychotherapie bei PTBS.3

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhielten in dieser Studie über einen Zeitraum von 18 Wochen mehrere psychotherapeutische Sitzungen, die 3 × entweder mit MDMA oder Placebo unterstützt wurden. Die Behandlung konnte sowohl die Schwere der PTBS-Symptome als auch die funktionelle Beeinträchtigung reduzieren.

Jetzt ähnliche Studie, aber vielfältigere Population

Häufig sind in klinischen Studien Personengruppen unterrepräsentiert, die einem höheren Risiko unterliegen, eine PTBS zu entwickeln. Dazu zählen etwa Transgender-Personen, ethnischen Minderheiten, Rettungskräfte, Militärangehörige, Veteranen oder Opfer von chronischem sexuellem Missbrauch.

Die jetzt publizierte Bestätigungsstudie umfasst eine ethnisch vielfältige Population mit mittelschwerer bis schwerer PTBS. Der Ablauf des Experiments ist vergleichbar mit dem der Vorgängerstudie aus 2021.

Die MDMA-unterstützte Therapie reduzierte die PTBS-Symptome im Vergleich zu Placebo. Am Ende der Studie erfüllten 71 % der Probandinnen und Probanden in der MDMA-Gruppe die diagnostischen Kriterien für PTBS nicht mehr, gegenüber 48 % in der Placebo-Gruppe.

Akute Behandlung sehr gut, langfristiger Erfolg noch offen

Laut Autorinnen und Autoren liefern die Ergebnisse der Zulassungsstudien eine gute Wirksamkeit für den akuten Behandlungsverlauf. Für Aussagen zu einem langfristigen Therapieerfolg reichen die Daten noch nicht aus.

Fachstimmen

Prof. Dr. Matthias Liechti, Stellvertretender Chefarzt der klinischen Pharmakologie und Toxikologie, Universitätsspital Basel, und Professor für Klinische Pharmakologie, Medizinische Fakultät, Universität Basel, Schweiz

Relevanz der Ergebnisse

„Die Daten bestätigen jene der ersten Phase-III-Studie mit MDMA bei damals noch homogenerem Patientenkollektiv in einer erweiterten Population. Zusammenfassend liegen damit potenziell genügend Daten von Patienten für eine Zulassung vor. Denkbar ist, dass noch weitere Untersuchungen zur Pharmakologie von MDMA z. B. bei speziellen Populationen notwendig sind. Es ist also ein wichtiger Meilenstein erreicht, indem die beiden Zulassungsstudien für MDMA zu PTBS nun beendet und publiziert sind.“

„Das heißt noch nicht, dass damit MDMA für Patienten gleich verfügbar wird. Dazu braucht es noch die Zulassung in den Regionen und den Marktzugang. Es ist aber ein Meilenstein in der Geschichte dieser Substanz. MDMA wurde – nachdem es therapeutisch bereits in den 1960er und 70er Jahren verwendet wurde – in den 1990er Jahren als problematische Freizeitdroge betrachtet und findet nun möglicherweise den Weg zurück in eine offizielle therapeutische Anwendung.“

„Die Daten zeigen eine Wirksamkeit, welche im indirekten Vergleich mit anderen bisher verfügbaren Behandlungen – Antidepressiva und Expositionstherapie – aufgrund der Effektgröße klar besser erscheint. Noch offen ist – wie bei vielen neuen Behandlungsformen – ob sich diese Wirksamkeit auch in einer breiteren Anwendungspraxis bei vielen Patienten bestätigen lässt.“

Langzeitwirkung

„Eine Therapieantwort zwei Monate nach der letzten MDMA-Gabe ist relevant. Die Behandlung ist damit weit über die Gegenwart der Substanz im Körper hinaus effektiv. Allerdings ist es möglich, dass sich der Zustand im weiteren Verlauf wieder verschlechtern kann und weitere Behandlungen nötig werden. Darauf weisen Praxisdaten aus der beschränkten medizinischen Anwendung von MDMA in der Schweiz hin, wo i. d. R. mehrere Behandlungen über einen längeren Zeitraum erfolgen.“

Therapeutischer Einsatz weltweit

„MDMA wird in der Schweiz mittels Ausnahmebewilligungen des Bundesamtes für Gesundheit seit acht Jahren außerhalb medizinischer Studien bereits eingesetzt. Diese Behandlung ist aber stark reguliert und auf Patienten beschränkt, die nicht ausreichend auf die üblichen Therapien ansprechen. Zudem muss für jede Behandlung eine Bewilligung durch einen Arzt eingeholt werden und es muss ein Bericht über den Verlauf erstellt werden.“

Mögliches Suchtpotenzial

„Ein nicht regulierter Konsum von MDMA kann unabhängig von einer Zulassung auftreten und kommt bereits seit Jahren vor. Es wird davon ausgegangen, dass Patienten sich bei fehlendem reguliertem medizinischem Zugang zu MDMA diese Substanz auch zwecks Selbstbehandlung beschaffen könnten. Dies kann nur durch das Angebot von medizinischem MDMA innerhalb von medizinischen Studien, qualitätskontrollierten Anwendungsprogrammen (,compassionate use‘) oder mittels einer Zulassung potenziell verhindert oder vermindert werden.“

Prof. Dr. Gregor Hasler, Ordinarius für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Freiburg, Schweiz

Relevanz der Ergebnisse

„Neu an dieser Studie ist die große Vielfalt der Teilnehmenden, was ein wichtiges Argument für die breite Anwendbarkeit der Therapie ist. Zu den Teilnehmenden gehörten Personen mit schweren Formen von PTBS, mit neurologischen Symptomen und mit zusätzlichen Cannabis- und Alkohol-Problemen. Auch ethnische Minderheiten wurden besser untersucht als in früheren Studien: 33 % der Teilnehmenden waren hispanoamerikanisch und 8 % afroamerikanisch.“

„Die Studie bestätigte die gute Wirksamkeit und Verträglichkeit von MDMA-unterstützter Psychotherapie unabhängig vom Schweregrad und der ethnischen Zugehörigkeit der Betroffenen. Am Studienende hatten 87 % der Teilnehmenden eine bedeutsame klinische Verbesserung und 71 % hatten keine PTBS-Diagnose mehr.“

Langzeitwirkung

„Da PTSD allgemein keine wiederkehrende Krankheit ist, sind 2 Monate recht gut. Sicher wäre es spannend, die Teilnehmenden nach einem Jahr wieder zu befragen. Die wissenschaftliche Aussage einer solchen Nachbefragung ist aber eher gering, weil die Personen andere Therapien in Anspruch nahmen und neue Stressoren eintraten. Es ist einfach nicht möglich, über längere Zeit alle Faktoren vergleichbar zu halten.“

Mögliches Suchtpotenzial

„Ob Patienten nach der Therapie privat MDMA konsumieren könnten, hängt von der Auswahl der Patienten ab. Wenn man Patienten nimmt, die gar keine Drogenerfahrung haben und gar keine Suchtprobleme, ist die Gefahr äußerst gering.“

„Ferner ist es ziemlich schwierig, MDMA auf dem Schwarzmarkt zu erhalten. Was unter dem Namen Ecstasy läuft, sind eher Amphetamine mit wenig MDMA. Deshalb tanzen die Konsumenten häufig. Bei MDMA liegen die Patienten und haben meistens keine Lust, sich zu bewegen. Auch Personen, die auf Partys schon Ecstasy einnahmen, bestätigen, dass das therapeutische MDMA deutlich verschieden ist. Allgemein gilt, dass man, wenn man immer mehr Personen mit Suchtproblemen einschließt, genau prüfen muss, ob das Suchtverhalten zunimmt oder abnimmt. Eine Abhängigkeit von MDMA ist pharmakologisch möglich.“

Prof. Dr. Gerhard Gründer, Leiter der Abteilung Molekulares Neuroimaging, Zentralinstitut für seelische Gesundheit Mannheim

Therapeutischer Einsatz weltweit

„Bei der vorliegenden Datenlage ist damit zu rechnen, dass die amerikanische Arzneimittelbehörde MDMA für PTBS in 2024 zulassen wird. Wegen der fehlenden Finanzierung hat die Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies (MAPS) leider ihr Studienprogramm in Europa zunächst gestoppt. Bis zur Verfügbarkeit dieser Therapieform in Europa wird es daher wohl noch Jahre dauern.“

Offene Fragen

„Offene Fragen sind die Dauerhaftigkeit des Therapieeffektes - dafür wären längere Beobachtungszeiträume notwendig - und der Vergleich mit dem derzeitigen Goldstandard, der traumafokussierten Psychotherapie.“

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