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Praxismanagement

23. Jan. 2023

Steht die Praxisabgabe an Investoren vor dem Ende?

MVZ in Investorenhand, darin steckt Sprengstoff. Nun kommt Bewegung in die Diskussion, weil das Gesundheitsministerium eine Reform plant. Doch was könnte eine Reform für abgabewillige Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber bedeuten?

Lesedauer: ca. 4 Minuten

Arzthand und Managerhand Fistbump
Zwischen Kampf und Absprache: Die Meinungen zu MVZ in Investorenhand. (Symbolbild) (Foto: Getty Images / Westend61)

Der folgende Beitrag wird vertreten von der Anwaltskanzlei Broglie & Schade. Redaktion: Sebastian Schmidt

Die Diskussion ob und – wenn ja – wie sozial, zivil- und verfassungsrechtlich eine Einschränkung der Praxisabgabe an Finanzinvestoren möglich ist, wird den Abgebermarkt 2023 prägen. Die Diskussion ist Bewegung geraten.

Bundesgesundheitsminister Lauterbach hatte jüngst eine Reform in Aussicht gestellt. Die Bundesärztekammer legte Mitte Januar ein Konzeptpapier vor, wie der Einfluss von Finanzinvestoren in die ambulante Gesundheitsversorgung eingedämmt werden könnte. Fraglich ist, ob es Einschränkungen, wie es sie bereits im Zahnarztbereich gibt, kommen könnten. Und über all dem schwebt die Frage, was rechtlich überhaupt umsetzbar ist.1

Eins ist dabei klar: Die intensive Diskussion von Einzelheiten wird neue Versorgungsmodelle anstoßen, wie beispielsweise die regionale Versorgung durch Ärzte-Genossenschaften, die MVZ betreiben.

Über den Autoren:
Hans-Joachim Schade, Fachanwalt für Medizinrecht
Hans-Joachim Schade (Foto: Kanzlei Broglie & Schade)

Hans-Joachim A. Schade ist Fachanwalt für Medizinrecht und Wirtschaftsmediator von der Rechtsanwaltskanzlei “Broglie, Schade & Partner GbR” mit den Sitzen in Wiesbaden, Berlin und München.

Finanzinvestoren gefährlich und deshalb auszuschließen?

Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KV BW) formuliert in ihrem jüngsten Jahresbericht, Investorengetriebene MVZ seien daran zu erkennen , dass erzielte Gewinne an die Anteilseigner ausgeschüttet und damit keine Investition in moderne Ausstattung und angemessene gute Bezahlung des Personals erfolgten.2

Doch wie sind dann Investoren von MVZ zu bewerten, die 10 % höhere Honorare zahlen als marktüblich? Was ist mit Finanzinvestoren, die ihre Gewinne nicht ausschütten, sondern in technische modernste Ausstattung reinvestieren? Wenn  man diese vagen Kriterien der KV BW anwendet, könnte die Gefahr für die Versorgung eher bei investitionsarmen kommunalen und gemeinnützigen unterfinanzierten Trägern liegen.

Lassen sich Investorbetriebene MVZ verbieten?

In einem Interview in der Reihe KBV Klartext argumentiert Prof. Wenner aus verfassungsrechtlicher Sicht zur Frage, ob sich Investorbetriebene MVZ verbieten lassen. Verfassungsrechtlich geboten sei die Gleichbehandlung von Krankenhäusern und MVZ. Dabei dürfen und müssen Finanzinvestoren zugelassene Krankenhäuser betreiben, um überhaupt im ambulanten Sektor MVZ betreiben zu können.3

Aktuell liegt der Marktanteil privater Investoren bei 40%, bei MVZ sind es 10 bis 12 Prozent. Der hohe Marktanteil entstand, weil es Kommunen, Landkreise, und Länder und auch Kirchen und Wohlfahrtsverbände nicht schafften, rentable Organisationsmodelle für MVZ zu entwickeln.

Es ist davon auszugehen, dass eine Mehrzahl der Finanzinvestoren jedoch langfristige Geschäftsinteressen hat, um für Pensionsfonds oder Stiftungen oder Familienvermögen stabile Anlagemodelle zu entwickeln. Einige Beispiele unterstreichen diesen Gedanken:

  • Hinter Helios/Fresenius steht die Else Kröner-Fresenius-Stiftung als eine der größten Stiftungen Deutschlands im medizinischen Forschungsbereich.
  • Die Asklepios Broermann Gruppe investiert in moderne Ausstattung ihrer Krankenhäuser und schüttet keine Gewinne aus.
  • Die Sana Gruppe hat das Geld der privaten Krankenversicherer (24 Unternehmen der privaten Krankenversicherung sind die Aktionäre) langfristig anzulegen um Arztrechnungen der Privatpatienten bezahlen zu können.
  • Paracelsus gehört einem deutschen Familien-Unternehmer mit Sitz in der Schweiz.
Minipraxis, MVZ und Genossenschaft: Wie Ihre Kollegen zu Investoren werden
Telemedizin
(© Getty Images / Cavan Images)

Hausarztpraxen sind das Rückgrat der Patientenversorgung im Land – und stehen vor einem gewaltigen Umbruch. Denn in vielen Praxen steht nun ein Generationenwechsel an. Manche werden schließen, weil es keine Nachfolge gibt. Andere nutzen die Chance zu investieren. Ein Beitrag über Möglichkeiten, Risiken und Chancen für abgebende Ärztinnen und Ärzte.
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Krankenhäuser nur auf räumlichen Einzugsbereich beschränken?

Oft wird argumentiert, es sei sinnvoll, die MVZ-Gründung von Krankenhäusern, die Finanzinvestoren gehören, auf den räumlichen Einzugsbereich des Krankenhauses zu beschränken. Doch was ist die Begründung und hält die Maßnahme dem Realitätscheck stand?

Die großen privaten Eigentümer von Krankenhäusern wie beispielsweise Helios/Fresenius haben für für die bestehenden MVZ Bestandsschutz. Setzte man den Vorschlag also um, würden Monopole entstehen, weil diese Krankenhäuser an vielen Standorten vertreten sind und noch nicht für alle Abteilungen ambulante MVZ im räumlichen Einzugsbereich haben. Folglich würde mit einer räumlichen Beschränkung genau das Gegenteil dessen eintreten, was gewünscht zu sein scheint.

Bundesärztekammer will fachübergreifende MVZ

Mitte Januar hatte sich die Bundesärztekammer mit einem Papier positioniert. Darin spricht sich die Standesvertretung dafür aus, ausschließlich fachübergreifende MVZ zuzulassen. Darüber hinaus fordert sie eine bessere Transparenz, um nachvollziehen zu können, wem das MVZ gehört, die grundsätzliche Begrenzung von Marktanteilen, mehr Möglichkeiten, um Versorgungsaufträge zu überprüfen sowie die Einhaltung des Berufsrechts.

Kritik gab es an der Forderung der ausschlißelich fachübergreifenden MVZ. Denn gerade im Hausarztbereich sei es kaum möglich, eine Versorgung ohne fachgleiche MVZ zu ermöglichen, so der Verband Medi Baden-Württemberg.

Auch die Forderung nach einem räumlichen Bezug sieht Medi kritisch. Eine vorgeschriebene örtliche Nähe zu den MVZ-Gründerinnen und -Gründern sei nicht zielführend. „Wenn ein in ärztlicher Hand geführtes MVZ Konzepte für eine überregionale Versorgungskette entwickeln möchte, muss das erlaubt sein. Regionalität ist hier kein Qualitätskriterium“, fordert Smetak. Eine Ausdehnung innerhalb des eigenen Bundeslands mit den angrenzenden Randgebieten anderer Bundesländer sollte mindestens möglich sein.4

Online-Seminar: Praxisabgabe an Investoren - auch wenn es Kollegen sind?
In-Artikel Bild
(© gettyImages/utah778)

Die Rechtsanwaltskanzlei „Broglie, Schade & Partner GbR” veranstaltet am 25. Januar 2023 von 18 bis 19.30 Uhr ein Online-Seminar für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, die darüber nachdenken, Ihre Praxis abzugeben.

  • Hintergründe der Lauterbachschen Pläne zur Eindämmung von Investoren-MVZ
  • Rechtslage heute: Wer darf MVZ gründen?
  • Positionspapier der Bundesärztekammer zum Thema MVZ vom 9.1.2023
  • Drei Hürden für Gründungsberechtigte
  • Welche Handlungsmöglichkeiten haben Praxisabgeber?

In diesem Seminar wird diskutiert, welche Handlungsoptionen es im Jahr 2023 für praxisabgabewillige Ärztinnen und Ärzte gibt und wie realistisch unter rechtlichen Gesichtspunkten die geforderten Veränderungen tatsächlich sind.

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