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Praxismanagement

06. Okt. 2023
Praxisabgabe

MVZ mit gebundenem Vermögen: Eine Chance für die ambulante Versorgung

Die ambulante Versorgung ist im Wandel: MVZ mit eigenem Vermögen, medizinische Genossenschaften, Kassenärztliche Vereinigungen und Kommunen als Betreiber von Praxen. Eine Chance für Ärzte und Patienten.

Lesedauer: ca. 4 Minuten

Geld Sparschwein

Der folgende Beitrag wird vertreten von der Anwaltskanzlei Broglie & Schade. Redaktion: Sebastian Schmidt

Wenn über die Zukunft der medizinischen Versorgung im Land diskutiert wird, geht es bald auch um Medizinische Versorgungszentren in Investorenhand (iMVZ), oft als Schreckgespenst für eine immer schlechter werdende Versorgung.

Ein aktuell diskutierter Lösungsansatz ist, eine MVZ-GmbH mit einer Vermögensbindung an das Unternehmen auszustatten. Damit soll zugleich eine Gewinnausschüttung an die Eigentümer wie beispielsweise Private Equity ausgeschlossen werden.1 Doch wie könnte das aussehen?

MVZ mit Vermögen: Was sich Praxisabgeber davon versprechen

Viele unternehmerischen Ärztinnen und Ärzte, die keine Nachfolge finden, unterstützen die Idee eines MVZ mit gebundenem Vermögen. Ihnen geht es darum, die Nachfolge anders zu regeln als bisher.

  • Firmenanteile sollen nicht frei vererbt oder verkauft werden können.
  • Stattdessen sollen die Anteile stets in einem Kreis von Gesellschaftern verbleiben, die sich dem Geschäftszweck verbunden fühlen, ganz gleich, ob das Familienangehörige, Geschäftsführende der Firma, Vertraute oder Mitarbeitende sind.
  • Die neuen Eigentümer sollen als Treuhänder des Gründers auftreten.
  • Gewinne sollen stets im Unternehmen verbleiben.
  • Das Unternehmen soll so dauerhaft erhalten werden können, wenn es keine oder keine interessierten Erben in der Familie gibt.
  • Anteile können nur zum Nennwert übergeben werden, wie bei der Genossenschaft.

Die unmittelbare postulierte Folge: Würde das Eigentum bei Nichtärzten an die diskutierte Rechtsform gekoppelt, verlören Investoren aus Steueroasen ihr ökonomisches Interesse. Sie könnten die Praxen nicht mehr hoch verschulden, um wenig Eigenkapital einzusetzen und dann durch Verkauf eine hohe Rendite zu erzielen. Die Gewinne müssten im MVZ bleiben.

Über den Autoren:
Hans-Joachim Schade, Fachanwalt für Medizinrecht
Hans-Joachim Schade (Foto: Kanzlei Broglie & Schade)

Hans-Joachim A. Schade ist Fachanwalt für Medizinrecht und Wirtschaftsmediator von der Rechtsanwaltskanzlei “Broglie, Schade & Partner GbR” mit den Sitzen in Wiesbaden, Berlin und München.

Gründung einer MVZ-Genossenschaft: Eine gute Option?

Sinn und Zweck dieser neuen Unternehmensform ist deshalb nicht die kurzfristige Profitmaximierung. Vielmehr dürfen Gewinne nicht mehr entnommen werden, sondern müssen der langfristigen Entwicklung des MVZ zugutekommen. In Deutschland gibt es bereits ein ganz ähnliches Modell bei Stiftungen, die rechtlich sehr komplex gestaltet sind. Dieser Gesetzgebungsansatz zeigt also zugleich, dass sich Medizinerinnen und Mediziner, die ihre Praxisabgabe in dieser Form planen, damit tiefgreifend auseinandersetzen müssen.

Dass es gelingen kann zeigt der Hausärzteverband Nordrhein. Der Verband bindet Vermögen mit der Gründung der MVZ-Genossenschaft HV Plus e.G. in Richtung langfristig gebundenem Verantwortungseigentum. So kommt als Auffanglösung für Praxisabgabewillige ein weiterer Genossenschaftsanbieter auf den Markt. Es stellt bei jeder genossenschaftlichen Lösung die Frage der Rentabilität und Professionalität.

Diese Faktoren sprechen für gute Erfolgsaussichten

  1. Die Gründer stammen aus der ärztlichen Berufspolitik
  2. Sie sind umfassend im Markt vernetzt.
  3. Die Mehrzahl der MVZ sollen in unterversorgten Gebieten arbeiten. Dort erhalten medizinische Fachangestellte (MFA) Zuschläge. Fallzahlen werden über dem Fachgruppendurchschnitt extra vergütet und über die Hausarztzentrierte Versorgung (HZV) abgerechnet.
  4. Der Hausärzteverband stellt seine Abrechnungsspezialisten zur Verfügung und seine Delegations- und Organisationskompetenz aus der VERAH-Ausbildung (Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis).
  5. Die Genossenschaftsanteile sind nur zum Nennwert handelbar und sind nur Ärztinnen und Ärzten zugänglich.

Und das hat auch Folgen für den ärztlichen Nachwuchs: Denn angestellte Nachwuchsärzte können sich in den Räumen der Genossenschaft selbstständig machen und das zentrale Management weiter nutzen.

Online-Seminar: Praxisabgabe an Investoren oder kommunal geförderte MVZ & BAG

Die Rechtsanwaltskanzlei Broglie, Schade & Partner GbR veranstaltet am 11. Oktober 2023 von 18 bis 19.30 Uhr das Online-Seminar „Praxisabgabe an Investoren  oder kommunal geförderte haus- und fachärztliche MVZ/BAG” für Ärzte, Zahnärzte und alle Unternehmer in der ambulanten Versorgung. 

Themen des Online-Seminars sind u.a.:

  • Praxisinvestoren aus dem Bereich private Equity – wie sieht der Arbeits- & Zeitplan aus?
  • Landkreise und kreisfreie Stände als Ansprechpartner
  • Weiterentwicklung bestehender fachgleicher und gemischter Facharzt BAGs oder MVZ
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(Foto: © Getty Images / Kittiphan Teerawattanakul / EyeEm)

Praxisbeispiel Lillian Care: Ärztemitbestimmung durch Kapitaleinlage

Auch bei dem Netzwerk Lillian Care mit dem Gründer Linus Drop geht es um den Kauf und das Betreiben von Hausarztpraxen im unterversorgten Gebieten. Abgeberpraxen in Rheinland-Pfalz und Westfalen-Lippe sind hier die Zielgruppe. Diese müssen aber mit einer Änderung ihrer Rolle hin zum Leiter eines interprofessionellen Teams unter Einschluss von Physician Assistants (PA) und Pflegekräften rechnen.

In diesem Unternehmenskonzept sind viele Elemente der neuen Gesetzesinitiative zu Primärversorgungszentren enthalten. Betriebswirtschaftlich sollen pro Hausarztzulassung ein bis zwei Physician Assistants zur Entlastung eines Arztes oder einer Ärztin eingesetzt werden. Ein Standort wird mit zwei ärztlichen Mitarbeitern im unterversorgten Gebiet geplant. Dies wären ca. 600 Behandlungsfälle pro Quartal mehr als beim Durchschnitt pro Zulassung! Hinzu kommen die Zuschläge und Fördermaßnahmen für unterversorgte Gebiete und die Teilhabe an der HZV.

Hinzu kommt der Ansatz Teilzeithausärzten zu gestatten, an bestimmten Tagen aus ihrem urbanen Wohnort Dauerpatienten per Videokonsultation zu betreuen, während in der Praxis die PA die Patientinnen und Patienten betreuen. Immer ist aber ein Arztkontakt vorgesehen, wenn auch wesentlich kürzer. Dies ist im übrigen eine Lösung, die auch die KV BW in ihrem Jahresbericht 2022 vorsieht. All diese Ansätze können auch niederlassungswillige und unternehmerische Ärzte nutzen, wie bereits die Arbeitsgruppe der Bundesärztekammer „Zukünftiges Rollenverständnis der Ärzteschaft in einer teamorientierten Patientenversorgung“ herausgearbeitet hat.

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