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26. Jan. 2022

Mindestlohn & Minijobs in der Arztpraxis: Verträge rechtzeitig anpassen

Die erneute Erhöhung des Mindestlohnes auf zwölf Euro könnte noch in diesem Jahr umgesetzt werden. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde vom Bundesarbeitsministerium bereits angekündigt. Die Anhebung hat weitreichende Auswirkungen – auch für ärztliche Arbeitgeber.

Lesedauer: ca. 3 Minuten

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Autorin: Nadine Ettling, Fachanwältin für Medizinrecht bei der Kanzlei Lyck+Pätzold. healthcare.recht. Redaktion: Marc Fröhling. 

Mindestlohn in Praxen und Kliniken

Der gesetzliche Mindestlohn gilt grundsätzlich für alle angestellten Personen und ist insbesondere für geringfügig Beschäftigte relevant. Minijobs finden sich überall auf dem Arbeitsmarkt – nicht zuletzt auch in Arztpraxen und Krankenhäusern. Man denke hierbei zum Beispiel an die Reinigungskräfte, die Hilfe in der Buchhaltung, studentische Aushilfen in Praxen und Pflege oder auch an die Botenfahrten ins Labor. Bei all diesen Verträgen, die oft nicht oder nur schlecht schriftlich geregelt sind, kann sich die Erhöhung des Mindestlohnes auswirken – mit teils weitreichenden Folgen.

Mindestlohnerhöhung: Die politische Entwicklung

Bereits als Kanzlerkandidat hat Olaf Scholz die Erhöhung des Mindestlohnes zu einem zentralen Punkt seiner Kampagne gemacht und die Anhebung innerhalb eines Jahres auf zwölf Euro in Aussicht gestellt. Dies soll nun tatsächlich auch zeitnah umgesetzt werden. Entsprechende Gesetzesentwürfe liegen zwar noch nicht vor, es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass diese in Kürze eingereicht werden. Ob die bereits angekündigten Klageverfahren der Arbeitgeberverbände gegen die Erhöhung Erfolg haben werden, ist völlig offen und kann nicht abgewartet werden. Vielmehr sollten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bereits jetzt die bestehenden Verträge überprüfen, ob diese entsprechend angepasst werden müssen.

Steigt der Mindestlohn bereits im Sommer auf 12 Euro?

Aktuell liegt der Mindestlohn bei 9,82 Euro. Die frühere Bundesregierung hat für den 1. Juli 2022 bereits eine Erhöhung auf 10,45 Euro vereinbart. Wann nun der Mindestlohn in Höhe von 12 Euro beschlossen wird, ist derzeit noch unklar. Die Mindestlohnkommission gibt hierzu alle zwei Jahre eine Empfehlung ab – das nächste Mal im Sommer 2022. Die neue Regierung kann allerdings auch entscheiden, die Anhebung früher vorzunehmen. Nach den bisherigen Aussagen ist gut vorstellbar, dass die geplante Anhebung auf 10,45 Euro übersprungen und im Sommer 2022 der Mindestlohn direkt auf 12 Euro festgelegt wird.

Mindestlohnerhöhung: Nicht automatisch mehr Gehalt im Minijob

Die Erhöhung bringt nicht automatisch mehr Gehalt für angestellte Personen, sondern kann im Fall der geringfügig Beschäftigten auch weniger erlaubte Arbeitszeit bedeuten. So liegt die Obergrenze für den Minijob derzeit bei 45,8 Stunden im Monat. Sollte die Erhöhung auf 12 Euro in Kraft treten, wären noch 37,5 Stunden im Monat zulässig. Bestehende Arbeitsverträge sind entsprechend nach unten zu korrigieren, soll der Status als Minijob erhalten bleiben.

Problematisch wird es dann, wenn – wie so oft – kein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert. Denn nach § 2 des Nachweisgesetzes (NachwG) haben Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und der angestellten Person auszuhändigen. Ist dies nicht erfolgt, hat die arbeitgebende Instanz im Streitfall das Nachsehen.

Kein schriftlicher Arbeitsvertrag: Weitreichende Folgen möglich

Behauptet eine angestellte Person – beispielsweise vor Gericht –, dass ihr noch eine bestimmte Vergütung zusteht, sind Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in der Pflicht, diese Behauptungen zu widerlegen. Das wird jedoch ohne einen schriftlichen Arbeitsvertrag kaum gelingen. Es wird dann – in der Regel zu Gunsten der angestellten Person – eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden fingiert (§ 12 Abs. 1 TzBfG). Dies gilt auch, wenn weniger als 20 Stunden wöchentlich gearbeitet wurden. Das bedeutet, dass nunmehr ein Mindestwochenlohn von 196,40 Euro oder zukünftig dann womöglich 209,00 Euro und damit ein Mindestmonatslohn von 785,60 Euro bzw. 836,00 Euro (gerechnet auf vier Wochen) gilt, für den Betriebe dann auch zahlungspflichtig sind. Dies, obwohl eigentlich eine geringfügige Beschäftigung von 450,00 Euro vereinbart sein sollte.

Weitere Konsequenzen bei Überschreitung der Minijob-Grenze

  • Rentenversicherung: Nicht nur, dass Beschäftigte den höheren Lohn fordern können, auch die Rentenversicherung wird Arbeitgeber zum finanziellen Ausgleich der nicht gezahlten Sozialversicherungsabgaben verpflichten. Eine Nachforderung von bis zu 4 Jahren ist hierbei möglich.
  • Mindestlohngesetz: Empfindliche Strafen sieht daneben auch das Mindestlohngesetz (MiLoG) in § 21 vor. Wird gegen die Regelungen dieses Gesetzes verstoßen, eröffnet der Zoll ein Bußgeldverfahren. Insgesamt drohen Geldstrafen von bis 30.000€ und sogar bis zu 500.000€.
  • Zollbehörden: Und schließlich sind die Zollbehörden bei dem Verdacht einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat auch noch verpflichtet, die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Damit drohen arbeitgebenden Personen schlimmstenfalls sogar strafrechtliche Konsequenzen, da die Rechtsprechung in jeder Mindestlohnunterschreitung ein „Vorenthalten“ im Sinne des § 266 a StGB sieht. Zwar reicht eine fahrlässige Mindestlohnunterschreitung nicht aus, da bedingt vorsätzliches Handeln notwendig ist. Das Risiko eines strafrechtlich relevanten Verhaltens und daraus möglicherweise resultierende berufsrechtliche Konsequenzen sollten insbesondere ärztliche Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber aber von vorneherein meiden.

Fazit: Schriftliche Vereinbarungen & einheitliche Verträge

Als arbeitgebende Person sollten Sie die Entwicklung des Mindestlohns im Blick haben. Arbeitsverträge – auch bei Minijobs – sollten grundsätzlich immer schriftlich vereinbart werden. Idealerweise werden in der Praxis einheitliche Arbeitsverträge verwendet werden, die die individuellen Gegebenheiten in der Praxis hinreichend berücksichtigen und bei Veränderungen gut und sicher angepasst werden können.

Über die Autorin
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Nadine Ettling ist Fachanwältin für Medizinrecht bei der Anwaltskanzlei Lyck+Pätzold. healthcare.recht. Die Kanzlei hat sich ausschließlich auf die Beratung medizinischer Leistungserbringer und Industrieunternehmen aus der Gesundheitsbranche spezialisiert.

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