
Zulassung entzogen: Internist rechnete jahrelang nicht ab
Ein niedergelassener Internist schickte über 20 Quartale hinweg keine Abrechnung an die Kassenärztliche Vereinigung, da sein Bruder schwer erkrankt war. Patienten habe er dennoch betreut. Die Zulassung wurde ihm daraufhin entzogen, wogegen er Klage einreichte.1
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Dieser Beitrag wird vertreten von Alexa Frey, Fachanwältin für Medizinrecht. Redaktion: Dr. med. Laura Cabrera
Das Bundessozialgericht (BSG) hatte in diesem Jahr über die Beschwerde eines niedergelassenen Facharztes für Innere Medizin zu entscheiden.¹ Der Arzt wehrte sich gegen die Entziehung seiner vertragsärztlichen Zulassung. Der Internist war seit 1987 in Einzelpraxis zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen, hatte jedoch seit dem Jahr 2010 keine Quartalsabrechnungen mehr bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) eingereicht.
2015 entzog der zuständige Zulassungsausschuss dem Arzt die vertragsärztliche Zulassung und begründete dies damit, dass der Arzt keine validen Nachweise zum Umfang seiner vertragsärztlichen Tätigkeit bei der KV vorgelegt habe. Gegen den Bescheid legte der Internist Widerspruch ein.
Abrechnung war aus „privaten Gründen“ nicht möglich
Der Arzt begründete die unterlassene Abrechnung mit privaten Gründen. Sein Bruder sei schwer und lebensbedrohlich erkrankt gewesen, weshalb er aus Zeitmangel auf „administrative Tätigkeiten“ verzichtet habe. Zudem konnte mit dem EDV-System kein Quartal „übersprungen“ werden, so dass auch zu einem späteren Zeitpunkt keine regulären Quartalsabrechnungen möglich waren. Er habe aber seine vertragsärztliche Tätigkeit vollumfänglich ausgeübt.
Der zuständige Berufungsausschuss wies den Widerspruch als unbegründet zurück. In der fehlenden Abrechnung der vertragsärztlichen Tätigkeit liege eine gröbliche Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten. Auch die Klage und die gegen das erstinstanzliche Urteil gerichtete Berufung des Arztes hatten keinen Erfolg.
Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verletzt
Durch die Zurückweisung der Berufung bestätigte das Landessozialgericht (LSG) den Zulassungsentzug wegen des Verstoßes der Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung des Vertragsarztes. Gegen diese Pflicht verstoße auch derjenige, der tatsächlich erbrachte Leistungen nicht abrechne. Die Pflichtverletzung sei dazu geeignet, das Vertrauensverhältnis zu den Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKVen) nachhaltig zu stören, weshalb die Pflichtverletzung entsprechend als gröblich zu qualifizieren sei, denn das System der GKVen hänge entscheidend davon ab, dass die GKVen und Krankenversicherungen auf die ordnungsgemäße Leistungserbringung und die peinlich genaue Abrechnung der zu vergütenden Leistungen vertrauen können.
Ohne ordnungsgemäße Abrechnung können auch die gesetzlich normierten Wirtschaftlichkeitsabrechnungen – durch die eine Kontrolle der Ausgaben der GKVen stattfindet – nicht stattfinden. Bei einer – wie hier – fehlenden Abrechnung über Jahre hinweg, kann die notwendige Gesamtvergütung durch die GKVen nicht ausreichend ermittelt werden, vielmehr würden dadurch sämtliche Statistiken zu Fallzahlen, Einkommen und zur Versorgungssituation der Patienten in der GKVen verfälscht.
Argument der Selbstschädigung greift nicht
Unerheblich sei – so das LSG – der Einwand des Arztes, dass er sich zuallererst selbst geschädigt habe. Dies ändere nichts an der Verpflichtung zur Abrechnung gegenüber der KV. Auch die Vorgaben des EDV-Systems entlasteten den Arzt nicht, da diese Problematik zu keinem Zeitpunkt durch ihn versucht wurde, zu lösen.
Die Erkrankung des Bruders ändere ebenfalls nichts an der groben Pflichtverletzung. Vielmehr war die akute Phase der Erkrankung bereits Ende 2012 überstanden gewesen. Auch hätte der Arzt in dieser Phase von einem Antrag auf Ruhen der Zulassung Gebrauch machen können, tat dies aber nicht.
Entziehung der Zulassung stets ultima ratio
Aufgrund der Schwere des Eingriffs ist die Entziehung aber stets ultima ratio. Aufgrund der langjährigen und anhaltenden Pflichtverletzung sei die Zulassungsentziehung auch verhältnismäßig, da dieses das einzige adäquate Mittel zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung gewesen sei.
Bundessozialgericht erhält Zulassungsentzug aufrecht
Auch die Beschwerde beim Bundessozialgericht (BSG) wurde verworfen, da es bereits an der Zulässigkeit der Beschwerde fehlte.
Folglich ist der Vertragsarzt stets – auch in schwierigen persönlichen Zeiten – zur Einreichung der Abrechnung gegenüber der KV verpflichtet. Stehen persönliche Gründe einer Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit – vorübergehend – entgegen, kann die Zulassung ruhend gestellt oder die vertragsärztliche Tätigkeit durch einen Sicherstellungsassistenten gesichert werden.

Alexa Frey ist selbständige Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht und Fachanwältin für IT-Recht. Sie berät Leistungserbringer im Gesundheitswesen in Fragen des Arzthaftungsrechts, IT-Rechts, Datenschutzes, Vertrags- und Gesellschaftsrechts, Vergütungsrechts und Medizinstrafrechts.
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