
Deutschlands Gesundheitssystem auf Platz 5
Kein Land gleicht dem anderen, wenn es um die Organisation und den Zugang der Bevölkerung zur Gesundheitsversorgung geht. Doch welches Land bietet die beste Versorgung für seine Bürger? Und was wird dort besser gemacht als in anderen? Ein internationaler Vergleich.
Lesedauer: ca. 5 Minuten

Redaktion: Dr. Nina Mörsch
Vergleich von 11 einkommensstarken Ländern
Der Report „Mirror, Mirror“ der US-amerikanischen Commonwealth Foundation bewertete die Gesundheitssysteme von Australien, Kanada, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden, Neuseeland, Norwegen, Schweden, der Schweiz und Großbritannien vor allem im direkten Vergleich mit den USA.
Spitzenreiter Norwegen


Danach sind die Gesundheitssysteme in Norwegen, den Niederlanden sowie Australien am leistungsstärksten, gefolgt von Großbritannien, Deutschland (Platz 5) und Neuseeland, die ähnliche Ergebnisse erzielen (siehe Abb.1, 2).


Die USA belegen wie schon die Jahre zuvor den letzten Platz, obwohl sie von allen Industrieländern am meisten für die Gesundheitsvorsorge ausgeben.
Die Studie: Bewertung anhand von 5 Indikatoren
Die Bewertung der Gesundheitsversorgung in den 11 Ländern erfolgte anhand von über 70 Leistungskriterien der Gesundheitsversorgung, gebündelt in folgende 5 Indikatoren:
- Zugang zur Gesundheitsversorgung (acces to care)
- Versorgungsprozess (care process)
- Administrative Effizienz (andministrative efficiency)
- Gerechtigkeit (equity)
- Ergebnisse der Gesundheitsversorgung (health care outcomes)
Grundlage bildeten internationalen Erhebungen des Commonwealth Fund und Verwaltungsdaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sowie der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Zugang zur Gesundheitsversorgung: Erschwinglichkeit
Dieser Punkt beinhaltet neben der Bezahlbarkeit medizinischer Leistungen auch die Zeit, die vergeht, bis eine Leistung tatsächlich In Anspruch genommen werden kann.
Hier schneiden die Niederlande am besten ab. Aber auch Deutschland sowie Norwegen liegen weit vorne, wobei beide Länder in puncto Bezahlbarkeit von Großbritannien übertroffen werden: Der britische staatliche Gesundheitsdienst NHS garantiert jeder in Großbritannien wohnhaften Person eine (fast) kostenlose medizinische Versorgung. Ausnahmen sind etwa Medikamente.
Die USA bilden beim Zugang zur Gesundheitsversorgung das Schlusslicht. Trotz hohen Einkommens gibt es hier nach wie vor keinen allgemeinen Krankenversicherungsschutz – ein Großteil der Bevölkerung ist gar nicht oder unterversichert. Interessanterweise erreicht auch die Schweiz laut Bericht nur den vorletzten Platz.
Wie lässt sich der Zugang zur Gesundheitsversorgung verbessern?
- Leistungsstarke Länder sorgen für eine nahezu flächendeckende Versorgung und beseitigen finanzielle Hürden. Jeder der eine medizinische Leistung braucht, soll diese bekommen und zwar rechtzeitig. Neben den in Norwegen und der Schweiz eingeführten Zuzahlungsobergrenzen für die Eigenbeteiligung, hebt der Bericht Deutschland hervor, das 2013 die Zuzahlungen für Arztbesuche (“Praxisgebühr”) abgeschafft hat.
- Ebenfalls entscheidend ist eine leicht zugängliche und zeitnahe Primärversorgung. Spitzenreiter sind hier Norwegen und die Niederlande. So müssen Allgemeinmediziner in den Niederlanden etwa 50 Stunden pro Jahr außerhalb der Sprechstunden für die Patientenbetreuung zur Verfügung stehen. Und laut norwegischem Patientenrechtegesetz müssen Leistungen wie Arztbesuche, Krankenhausbehandlungen oder psychische Betreuung innerhalb bestimmter Fristen erfolgen.
Versorgungsprozesse: Präventivmedizin, intersektorale Kommunikation und Patientenpräferenzen
Bei der Gesundheitsversorgung schneiden die USA, Großbritannien und Schweden sehr gut ab, was insbesondere präventive medizinische Maßnahmen wie Mammografie, Grippeimpfungen und die ärztliche Aufklärung über eine gesunde Lebensweise betrifft.
In der Schweiz, Neuseeland, Australien, Norwegen und Frankreich funktioniert der Austausch zwischen Hausärzten und Spezialisten sehr gut. Doch in keinem der 11 Länder existiert eine gute Kommunikation zwischen den Primärversorgern und dem Krankenhaus, der Notaufnahme und der häuslichen Pflege oder der Koordination mit den Sozialdiensten.
Deutschland liegt aber gemeinsam mit den USA im Teilbereich Engagement und Patientenpräferenzen weit vorne: Darunter fällt eine effektive und respektvolle Kommunikation zwischen Arzt und Patient sowie eine Versorgungsplanung, die die Ziele und Wünsche der Patienten berücksichtigt.
Verwaltungseffizienz: Deutschland auf Platz 9
Leistungsstarke Länder haben es geschafft, den Aufwand für bürokratische Aufgaben zu verringern. Sie sparen so Zeit und Mühe und erleichtern den Zugang zur Gesundheitsversorgung für alle Bevölkerungsgruppen.
Die Spitzenreiter beim Bürokratieabbau sind Norwegen, Australien, Neuseeland sowie Großbritannien. Deutschland erreicht hier nur den 9. Platz und die USA bilden erneut das Schlusslicht: US-Ärzte und -Ärztinnen haben am häufigsten Probleme, ihre Patienten medizinisch zu versorgen, weil die Versicherungsdeckung eingeschränkt ist.
Chancengleichheit: Deutschland weit vorne
Die Analyse zur Chancengleichheit konzentriert sich auf einkommensbezogene Ungleichheiten in den Bereichen Zugang zur Gesundheitsversorgung, Versorgungsprozess sowie bürokratische Hürden.


Deutschland, Australien und die Schweiz weisen in diesem Punkt die geringsten einkommensabhängigen Unterschiede auf: Menschen aus einkommensschwächeren und einkommensstarken Schichten berichten hier von ähnlichen Erfahrungen in der medizinischen Versorgung.
Wie in vielen anderen Bereichen liegen die USA auch hier abgeschlagen auf dem letzten Platz: Hier klafft die Schere zwischen arm und reich am weitesten auseinander, ausgenommen davon ist der Bereich der Prävention sowie die Sicherheit der Gesundheitsversorgung.
Ergebnisse der Gesundheitsversorgung: Kindersterblichkeit, Lebenserwartung
An der Spitze der 11-Länder-Gruppe der effizientesten Gesundheitsversorgung liegen Australien, Norwegen und die Schweiz. Während Australien die höchste Lebenserwartung nach dem 60. Lebensjahr vorweisen kann (25,6 Jahre), ist in Norwegen die niedrigste Kindersterblichkeitsrate (zwei Todesfälle pro 1.000 Lebendgeburten zu verzeichnen. Deutschland schafft es nur auf Rang 7 (Kindersterblichkeit: 3,1 Todesfälle pro 1.000 Lebendgeburten).
Die höchste Kindersterblichkeit (5,7 Todesfälle pro 1.000 Lebendgeburten) und die niedrigste Lebenserwartung im Alter von 60 Jahren gibt es laut Bericht in den USA. Auch bei der Müttersterblichkeit schneidet das US-Gesundheitssystem außergewöhnlich schlecht ab.


Während alle hier bewerteten Länder ihre vermeidbare Sterblichkeitsrate innerhalb von 10 Jahren deutlich senken konnten, schafften die USA eine Reduktion nur um 5 Prozent weniger Todesfälle pro 100.000 Einwohner bis 2017 – verglichen mit 25 Prozent in der Schweiz (bis 2017) und 24 Prozent in Norwegen (bis 2016). Und das, obwohl die USA mehr Geld für die Gesundheitsversorgung ausgeben als andere Länder.
Als mögliche Gründe für diese Diskrepanz nennt der Bericht unter anderem administrative Hürden im US-Gesundheitssystem. Dies würden besonders Menschen am Rand der Gesellschaft davon abhalten, Gesundheitsleistungen in Anspruch zu nehmen. Zudem ist die US-Bevölkerung im Durchschnitt kränker als die Bevölkerung anderer einkommensstarker Länder: Chronische Erkrankungen wie Fettleibigkeit, Diabetes, Herzerkrankungen und Atemwegsbeschwerden sind weit verbreitet.
Investitionen in Bildung und soziale Dienste als wichtiger Faktor
Die Autorinnen und Autoren des Reports geben zu bedenken, dass neben dem Gesundheitssystem auch politische Maßnahmen und öffentliche Investitionen in Bildung, Beschäftigung, Ernährung, Wohnen, Verkehr und Umweltsicherheit die Gesundheit der Bevölkerung beeinflussen. Auch hier geben die USA vergleichweise wenig für Sozialprogramme wie frühkindliche Bildung, Elternurlaub und Einkommensunterstützung für Alleinerziehende und den Schutz von Arbeitnehmern aus.