Pflicht zur Arbeitszeiterfassung soll kommen
Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur verpflichtenden Zeiterfassung am Arbeitsplatz sorgt aktuell für Diskussionen bei Arbeitgebern und Angestellten. Es wird erhebliche Folgen für Arztpraxen und MVZ haben. Rechtsanwalt Dr. Florian Hölzel erklärt, warum Praxisinhaber erstmal Ruhe bewahren sollten.
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Dieser Beitrag erscheint in Zusammenarbeit mit der Kanzlei Broglie, Schade & Partner GbR. Autor: Florian Hölzel, Fachanwalt für Medizinrecht | Redaktion: Sebastian Schmidt
Mit einem neuen Grundsatzurteil vom 13.09.2022 leitet das Bundesarbeitsgericht (BAG) aus den Bestimmungen des Arbeitsschutzgesetzes eine Pflicht zur Zeiterfassung ab. Dies wird erhebliche Folgen für Arztpraxen und MVZ haben.
Wie häufig in höchstrichterlichen Urteilen handelt es sich bei dieser für die betriebliche Praxis wichtigen Weichenstellung nur um ein „Nebenprodukt“ eines anderen, gerichtlich ausgetragenen Konflikts. Ein Betriebsrat wollte eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung abschließen. Die Verhandlungen scheiterten, der Arbeitgeber rügte die Zuständigkeit der auf Antrag des Betriebsrats gerichtlich eingerichteten Einigungsstelle. Der Betriebsrat beantragte daraufhin die gerichtliche Feststellung über sein Initiativ- und Mitbestimmungsrecht bei der Einrichtung von Zeiterfassungssystemen.
Während das Landesarbeitsgericht noch ein Mitbestimmungsrecht und damit die Zuständigkeit der beantragten Einigungsstelle feststellte, hatte die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers vor dem BAG Erfolg. Im Lichte eines EUGH-Urteils aus dem Jahre 2019 und dessen Auslegung der Arbeitszeitrichtlinie leitet das BAG aus dem Arbeitsschutzgesetz eine Pflicht zur Zeiterfassung ab. Es verneinte damit zugleich ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
Über den Autor

Dr. jur. Florian Hölzel ist Fachanwalt für Medizinrecht, Anwalt für Cooperative Praxis und Mediator von der Rechtsanwaltskanzlei “Broglie, Schade & Partner GbR” mit Standorten in Wiesbaden, Berlin und München.
BAG-Urteil: Ein Paukenschlag im Arbeitsrecht?
In der arbeitsrechtlichen Praxis wird dieses Urteil als „Paukenschlag“ angesehen, weil das BAG weit über die EUGH-Entscheidung hinausgeht. Dieser hatte den Mitgliedsstaaten lediglich eine Umsetzung seines Urteils aufgegeben. Das BAG kommt dem seit drei Jahren untätigen Gesetzgeber nun zuvor. Denn es leitet eine Pflicht zur Zeiterfassung aus dem bereits existierenden und mit Ausnahmen flächendeckenden geltenden Arbeitsschutzgesetz (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ArbSchG) ab.
Vertrauensarbeitszeit möglicherweise ein Auslaufmodell
Für Krankenhäuser und andere Großbetriebe in denen regelmäßig bereits Zeiterfassungssysteme verwendet werden, ergeben sich durch das neue Urteil keine Änderungen. Die vom BAG festgestellte, gesetzliche Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gilt jedoch für alle ärztlichen Arbeitgeber, unabhängig von der Zahl ihrer Beschäftigten. Somit werden sich auch ambulante Leistungserbringer im Gesundheitswesen mit dem Thema beschäftigen müssen. Vertrauensarbeitszeit, wie sie insbesondere mit Führungskräften regelmäßig vereinbart wird, dürfte nach aller Wahrscheinlichkeit in der bisherigen Form nicht mehr weitergeführt werden können.
Fazit: Urteilsbegründung abwarten
Welche Anforderungen an Zeiterfassungssysteme anzulegen sind und ob diese tatsächlich für sämtliche medizinischen Leistungserbringer, ungeachtet ihrer Größe verpflichtend ist, lässt sich aus den dürren Worten der vom BAG veröffentlichten Pressemitteilung nicht ableiten. Hier wird die Veröffentlichung der Entscheidungsgründe abzuwarten sein.