
Vertretung in der BAG: Das kann teuer werden!
Vertretungsregelungen innerhalb der Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) müssen aus steuerlichen Gründen überprüft werden. Das legt ein Urteil aus Rheinland-Pfalz nahe. Worum es geht und worauf Ärztinnen und Ärzte in der BAG deshalb achten sollten.
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Dieser Beitrag erscheint in Zusammenarbeit mit der Kanzlei Lyck+Pätzold. healthcare.recht.
Autoren: Anna Stenger und Frank Steuer | Redaktion: Sebastian Schmidt
Es gibt gute Gründe, warum sich Ärztinnen und Ärzte in einem begrenzten zeitlichen Rahmen nach den Zulassungsverordnungen vertreten lassen können: Urlaub, Krankheit, Teilnahme an einer Fortbildung oder an einer Wehrübung sind solche Gründe. Und genau dann müssen sie sich, keine Sorgen machen, wenn sie in einer Berufsausübungsgesellschaft arbeiten. Denn die steuerliche Problematik einer gewerblichen Infizierung wird in solch kurzfristigen Vertretungsfällen nicht zutreffen.
Doch bei einer längerfristig angelegten Vertretung, beispielsweise durch Krankheit, kann es nach der Entscheidung durch das Finanzgericht Rheinland-Pfalz vom 16.09.2021 und deren Urteilsbegründung notwendig sein, die Gesellschaftsverträge rauszuholen und nochmal genau unter die Lupe zu nehmen.
Der konkrete Fall in einer Zahnarztpraxis
Vorweg: Die Entscheidung des Gerichts ist zwar zu einem anderen Sachverhalt ergangen, betrachtet man aber die Urteilsbegründung, dann wird die Problematik auch für längerfristige Vertretungsfälle offensichtlich.
Der konkreten Streitfall betraf eine zahnärztliche Berufsausübungsgemeinschaft. Einer der Partner hat sich aus der zahnärztlichen Tätigkeit weitestgehend zurückgezogen. Seine Aufgaben bestanden im Wesentlichen aus Praxisleitung, Organisation, Qualitätsmanagement, Mitarbeiterführung, interne Fortbildung sowie der Vertretung der Praxis nach außen.
Über die Autoren
Anna Stenger ist Fachanwältin für Medizinrecht bei der Anwaltskanzlei Lyck+Pätzold. healthcare.recht. Frank Steuer ist Steuerberater und Geschäftsführer bei der Steuerberatungsgesellschaft sbu | BLUM UND STEUER
Urteil mit Folgen
Dadurch, dass die ärztliche Tätigkeit deutlich in den Hintergrund geraten war, sah das Gericht die Tätigkeit des Zahnarztes nicht mehr als eigenverantwortliche und leitende freiberufliche Tätigkeit an.
Und das hatte Folgen: Die Einkünfte der gesamten Praxis wurden als gewerblich qualifiziert. Dieser Umstand verändert nicht nur die je nach Hebesatz der betreffenden Gemeinde eintretende zusätzliche Belastung der Praxisüberschüsse mit Gewerbesteuer. Bei einem Hebesatz von mehr als 400 % wird die Gewerbesteuer nicht mehr durch die Anrechnung auf die Einkommensteuer nach § 35 EStG kompensiert.
Darüber hinaus führt die steuerliche Umqualifizierung der Einkünfte auch zu einer Änderung der Gewinnermittlung von der Überschussrechnung nach § 4 (3) EStG zur Bilanzierung nach § 4 (1) EStG. Dabei entsteht regelmäßig im Jahr des Übergangs durch die Einbeziehung von nicht vereinnahmten Honoraransprüchen einerseits und dem Abzug von noch nicht gezahlten Betriebsausgaben und Rückstellungen ein Übergangsgewinn.
Dieser jedoch führt wegen der Zusammenballung von diesen Einkünften im Übergangsjahr zu zusätzlichen Steuerbelastungen. So kann es sein, dass sich auch die Steuerprogression durch Einkünfte im Reichensteuersatz von 45 % erhöht.
Leitsatz des Urteils
Gewerbliche Infizierung einer zahnärztlich tätigen Partnerschaftsgesellschaft durch Konzentration von Organisations-, Verwaltungs- und Management-Aufgaben bei einem der approbierten Zahnärzte
Leitsatz
Übt in einer zahnärztlichen Partnerschaftsgesellschaft ein Mitunternehmer, der approbierter Zahnarzt ist, ganz überwiegend nur noch Organisation-, Verwaltungs- und Management-Tätigkeiten aus und erbringt nur in geringem Umfang eigene zahnärztliche Beratungs- oder Behandlungsleistungen unmittelbar an Patienten, so entspricht dies nicht mehr dem Leitbild der selbständig ausgeübten Tätigkeit als Zahnarzt und seine Tätigkeit ist als gewerblich anzusehen. Sie infiziert hierdurch die Einkünfte der gesamten Partnerschaftsgesellschaft als gewerblich.
Orientierungssatz
1. Allein aus der Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft heraus folgt keine automatische Einordnung ihrer Einkünfte als Einkünfte aus selbständiger Arbeit. § 18 EStG ist tätigkeitsbezogen und nicht rechtsformbezogen anzuwenden (vgl. Urteil des FG Düsseldorf vom 13.01.2005 - 16 K 4282/02 F).
2. Dem BFH-Urteil vom 04.08.2020 - VIII R 24/17, das eine doppelstöckige Personengesellschaft betrifft, ist nicht zu entnehmen, dass bei einer einfachen Mitunternehmerschaft bereits jede minimale, eigenverantwortlich und leitend ausgeübte freiberufliche Leistung eines Mitunternehmers ausreiche, um insgesamt von einer unschädlichen Tätigkeit für die Mitunternehmerschaft auszugehen und die Umqualifizierung als gewerblich zu vermeiden.
3. Eine Umqualifizierung der Einkünfte gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG kann ausnahmsweise nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgeschlossen sein, wenn die gewerblichen Einkünfte der Gesellschaft lediglich ein äußerst geringes Ausmaß haben (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Auf eine derartige Ausnahme aus Verhältnismäßigkeitsgründen kann sich aber eine Partnerschaftsgesellschaft nicht berufen, deren nicht "eigenverantwortlich und leitend" tätiger Mitunternehmer mit eigenen freiberuflichen Umsätzen zu den Gesamt-Umsatzerlösen der Partnerschaftsgesellschaft nur 0,028% beigetragen hat und bei der der Vergütungsanteil für die den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzurechnenden Tätigkeiten des nicht "eigenverantwortlich und leitend" tätigen Mitunternehmers nahezu 100% betragen hat.
4. Revision eingelegt (Az. des BFH: VIII R 4/22)
Jeder Arzt der BAG muss freiberuflich tätig sein
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Freiberuflichkeit können nicht von der Berufsausübungsgesellschaft selbst, sondern nur von natürlichen Personen, den darin tätigen Ärztinnen und Ärzten, erfüllt werden. Eine Berufsausübungsgesellschaft entfaltet folglich nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufs im Sinne von § 18 EStG darstellt, wenn sämtliche Personen der Gesellschaft die Merkmale eines freien Berufs erfüllen.
Die Hauptmerkmale des freien Berufs muss dabei jeder Gesellschafter als Steuerpflichtiger in eigener Person erfüllen, zu deren Ausübung persönlich qualifiziert sein und diese tatsächlich ausführen.
Zwei wichtige Voraussetzungen für die Arbeit mit Praxisteam
Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG sind Angehörige eines freien Berufs auch dann noch freiberuflich tätig, wenn sie sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedienen, die die Arbeit der Berufsträger jedenfalls in Teilbereichen ersetzen. Allerdings ist die nur unschädlich, wenn die persönliche Teilnahme der Berufsträger an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet ist.
In welchem Umfang Berufsträgerinnen und Berufsträger, also Ärztinnen und Ärzte als Freiberufler, selbst tätig sein muss, hängt vom jeweiligen Berufsbild ab. Sie müssen zudem aufgrund eigener Fachkenntnisse „leitend“ und „eigenverantwortlich“ tätig werden.
Leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit - was heißt das?
Leitend
Eine „leitende“ Tätigkeit liegt nur vor, wenn Berufsträger die Grundzüge für die Organisation des Tätigkeitsbereichs und für die Durchführung der Tätigkeiten festlegt, deren Ausführung überwacht und zudem grundsätzliche Fragen selbst entscheidet.
Auch eine besonders intensive leitende Tätigkeit, zu der unter anderem die Organisation des Sach- und Personalbereichs, Arbeitsplanung, Arbeitsverteilung, Aufsicht über Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Anleitung und die stichprobenweise Überprüfung der Ergebnisse gehören, vermag daher die eigenverantwortliche Tätigkeit nicht zu ersetzen.
Eigenverantwortlich
Eine eigenverantwortliche Tätigkeit aufgrund eigener Fachkenntnisse liegt vor, wenn Berufsträger ihre Arbeitskraft in einer Weise einsetzt, die es ihnen tatsächlich ermöglicht, uneingeschränkt die fachliche Verantwortung auch für die von den Mitarbeitenden erbrachten Leistungen zu übernehmen. Dies setzt voraus, dass die persönliche Teilnahme der Berufsträger an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet ist.
Die Eigenverantwortlichkeit erschöpft sich nicht darin, nach außen die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des einzelnen Auftrags zu tragen. Die Ausführung jedes einzelnen Auftrags muss vielmehr durch die Ärztin oder den Arzt selbst und nicht deren qualifizierten Teammitgliedern zuzurechnen sein; es genügt daher nicht eine gelegentliche fachliche Überprüfung der Mitarbeitenden.
Allerdings gibt es keine allgemein gültigen zeitlichen Vorgaben für eine eigenverantwortliche fachliche Leistung. Selbst bei Berufsgruppen, in denen der das Berufsbild prägende „persönliche, individuelle Dienst“ am Auftraggeber in den Hintergrund tritt (z.B. Laboratoriumsmediziner), kann nicht auf das Erfordernis der persönlichen Teilnahme an der praktischen Arbeit verzichtet werden.
Das Erfordernis der leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit setzt gerade bei freiberuflichen Berufsausübungsgemeinschaften nicht voraus, dass jede Ärztin und jeder Arzt in allen Unternehmensbereichen leitend tätig ist und an jedem einzelnen Auftrag mitarbeitet. Vielmehr können sie die Leitung und die Arbeit an den einzelnen Aufträgen teilen.
Dazu müssen sie an der Bearbeitung der erteilten Aufträge zumindest in der Weise mitwirken, dass sie die mit einem übernommenen Auftrag verbundenen Aufgaben untereinander aufteilen und jede bzw. jeder den jeweils zugewiesenen Aufgabenbereich aufgrund ihrer bzw. seiner Sachkenntnis eigenverantwortlich leitet.
Erforderlich ist auch der persönliche Einsatz jedes Mitglieds der BAG im arzttypischen Heilbereich; die alleinige Wahrnehmung bloß kaufmännischer Leitungs- oder sonstiger Managementaufgaben ist insofern schädlich und führt zur Gewerblichkeit.
Entscheidung der Bundesfinanzhof steht aus
Gegen das Urteil des FG Rheinland-Pfalz wurde Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt. Die Entscheidung der BFH steht aus.
Wichtig ist jedoch: Die Ausführungen der Urteilsbegründung lassen sich auf die Fälle einer längerfristigen Vertretung durch ein anderes Mitglied der BAG übertragen. Wenn die Vertretung nicht selbst führen und leiten kann, kann dies steuerlich problematisch werden.
Folglich gilt es die Vertretungsregelungen in Gesellschaftsverträgen genau zu prüfen. Es kann sinnvoll sein dafür auch Rechtsbeistand und Steuerberatung einzubeziehen.