Praxisübernahme: Was wichtig ist, wenn das Personal bleibt
Eine wichtige Rolle beim Praxiskauf spielt das Praxispersonal – gerade in der Anfangszeit können erfahrene Fachkräfte ein großer Vorteil sein. Diese Punkte sind bei der Personalübernahme zu beachten.
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Autorin: Nadine Ettling, Fachanwältin für Medizinrecht bei der Kanzlei Lyck+Pätzold. healthcare.recht. Redaktion: Marc Fröhling.
Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) liegt allein bei den Hausärzten und -ärztinnen der Anteil der über 60-Jährigen bei 35,7 %. Der hohe Anteil niedergelassener Ärzte und Ärztinnen im Renteneintrittsalter stellt eine gute Chance für eine Existenzgründung dar. Zahlreiche Praxen werden abgegeben – das Angebot ist groß. Anhand bereits vorhandener Patientenzahlen und Umsätze aus den letzten Quartalen und Jahren lässt sich bereits im Vorfeld das Potential einer Praxis einschätzen. Eine bedeutende Rolle kann hierbei auch das Praxispersonal spielen, welches oftmals aufgrund langjähriger Praxiszugehörigkeit die Patientinnen und Patienten kennt und mit den Praxisabläufen vertraut ist.
Wer eine Praxis übernimmt, übernimmt auch das Personal
Wer eine Praxis übernimmt, übernimmt nicht nur Inventar und Patientenstamm, sondern auch das angestellte ärztliche und nicht-ärztliche Personal. Aus rechtlicher Sicht stellt die Praxisübername einen sogenannten Betriebsübergang dar, für den § 613 a Abs. 1 BGB vorsieht, dass neue Inhaberinnen und Inhaber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eintreten.
Neue Vorgesetzte müssen das Personal also zu unveränderten Konditionen übernehmen. Eine Kündigung der Beschäftigten durch die alte oder neue Praxisleitung wegen der Praxisübernahme ist unwirksam, § 613 Abs. 4 BGB.
Wer beabsichtigt eine Praxis zu übernehmen, sollte sich daher im Vorfeld der Vertragsverhandlungen alle Arbeitsverträge aushändigen lassen, um die Inhalte und ihre Reichweite für den Fall der Praxisübernahme zu kennen und einschätzen zu können. Denn entscheidet man sich für die Praxisübernahme, entscheidet man sich auch für das Praxispersonal.
Praxisübergabe: Team schriftlich informieren
Ist die Praxisübernahme beschlossene Sache, müssen die Angestellten noch vor der tatsächlichen Übergabe der Praxis entweder durch den bisherigen oder durch den neuen Praxisinhaber von dem Wechsel schriftlich unterrichtet werden. Am besten informieren sogar beide gemeinsam über den Schritt. Bisherige Inhaberinnen und Inhaber können dadurch zeigen, dass diese sich um die Beschäftigten und den Erhalt ihrer Arbeitsplätze kümmern. Neue Praxisinhaberinnen und -inhaber können sich auf diese Weise den zukünftigen Angestellten vorstellen und bereits Anerkennung und Interesse an der Praxisfortführung im vorhandenen Team bekunden.
Im Rahmen dieser in § 613 a Abs. 5 BGB normierten Mitarbeiterinformation müssen den Beschäftigten der geplante Zeitpunkt des Übergangs, der Grund für den Übergang, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Praxisübergangs sowie die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen schriftlich mitgeteilt werden.
Übernahme: Chef & Chefin müssen, Mitarbeiter können
Während neue Praxisinhaberinnen und -inhaber das Personal qua Gesetz übernehmen müssen, haben die Beschäftigten die Wahl. Möchte eine der angestellten Personen nicht unter neuer Flagge in der Praxis weiterarbeiten, hat er oder sie das Recht, innerhalb von einem Monat dem Übergang des Arbeitsverhältnisses schriftlich zu widersprechen. Die Folge des Widerspruchs ist, dass das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Praxisinhaber bestehen bleibt. Dieser hat dann die Möglichkeit das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zu kündigen, wenn er nach der Praxisabgabe keine ärztliche Praxis mehr betreiben wird.
Kein Widerspruch: Regelungen aus dem Arbeitsvertrag gelten weiterhin
Widersprechen die Angestellten nicht, bleibt alles beim Alten: alle Regelungen aus dem Arbeitsvertrag gelten weiterhin. Neue Inhaberinne und Inhaber bleiben auch an für ihn oder sie ungünstige Vereinbarungen, wie z.B. einer hohen Anzahl an Urlaubstagen, prozentuale Umsatzbeteiligungen sowie sonstige Gratifikationen gebunden. Dies gilt auch für etwaige Vergünstigungen, die über die Jahre durch betriebliche Übung gewachsen sind. Gerade deswegen ist es umso wichtiger, sich im Vorfeld ein genaues Bild über Rechte und Pflichten als neuer Arbeitgeber zu verschaffen.
Andererseits gelten aber auch die gleichen Kündigungsfristen wie bisher weiter. Die Kündigung der Arbeitsverhältnisse ist bei Vorliegen der entsprechenden Kündigungsgründe und unter Einhaltung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen selbstverständlich weiterhin möglich. Die Kündigung darf eben nur nicht aufgrund bzw. wegen der Praxisübernahme erfolgen. Bei Kündigungen, die zumindest einen zeitlichen Zusammenhang zur Praxisübernahme aufweisen, sollte daher ganz genau darauf geachtet und bestenfalls rechtlich abgesichert werden, dass kein Kündigungsverbot besteht.
Gestaltungsmöglichkeiten bei ungünstigen Vereinbarungen im Arbeitsvertrag
Nicht selten sind Fachkräfte bereits seit Jahren oder Jahrzehnten in der Praxis angestellt und verfügen über viel Erfahrung in den Praxisabläufen. Für die erfolgreiche Fortführung der Praxis können sie einen sehr hohen Stellenwert haben. Möchten neue Inhaberinnen und Inhaber an dem Arbeitsverhältnis deshalb grundsätzlich festhalten, halten jedoch bestimmte arbeitsvertragliche Konditionen für nicht dauerhaft tragbar, so stellt sich die Frage, ob es hier Gestaltungsspielräume im bestehenden Arbeitsverhältnis gibt.
Einzelne Vertragsbestandteile können nicht einseitig von der Praxisleitung abgeändert werden. Die Möglichkeit sich mit den betroffenen Angestellten an einen Tisch zu setzen und einen neuen Arbeitsvertrag auszuhandeln (sog. Änderungsvertrag) ist in der Praxis oftmals nur schwer zu vermitteln, vor allem wenn Beschäftigte dadurch schlechter gestellt werden als vorher. Damit bleibt nur noch die Möglichkeit, eine Änderungskündigung auszusprechen.
Die Änderungskündigung ist die Kündigung des bisherigen Arbeitsvertrages verbunden mit dem Angebot eines neuen Arbeitsvertrages, um das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzusetzen. Wie bei allen anderen Kündigungen auch, müssen hierbei die gesetzlichen Vorgaben, insbesondere auch die Kündigungsgründe eingehalten werden, damit es im Streitfall nicht doch noch zu einem kostenintensiven arbeitsgerichtlichen Verfahren kommt.
Personal in Elternzeit: Arbeitsverhältnisse bleiben bestehen
Schließlich sollten bei Betrachtung der bestehenden Arbeitsverhältnisse diejenigen Beschäftigten nicht vergessen werden, deren Arbeitsverhältnisse beispielsweise aufgrund von Elternzeit vor, während und nach der Praxisübernahme noch ruhen. Auch diese Arbeitsverhältnisse bleiben mitsamt einem Anspruch auf Rückkehr an den Arbeitsplatz bestehen.
Fazit: Arbeitsverträge prüfen & erfahrenes Personal beibehalten
Die Praxisübernahme spielt bei ärztlichen Existenzgründungen eine wichtige Rolle. Vor dem Praxiskauf sollten bei der Prüfung der laufenden Verträge auch die Arbeitsverträge genau unter die Lupe genommen werden. Denn hier können spätere Kostenfallen lauern.
Fest steht aber auch: Wer sich ein genaues Bild über Rechte und Pflichten als neue Führungskraft verschafft hat, kann durch die Beibehaltung von erfahrenem und mit den Abläufen vertrauten Personal einen großen Vorteil für die Anfangszeit in der Selbstständigkeit finden.
Über die Autorin

Nadine Ettling ist Fachanwältin für Medizinrecht bei der Anwaltskanzlei Lyck+Pätzold. healthcare.recht. Die Kanzlei hat sich ausschließlich auf die Beratung medizinischer Leistungserbringer und Industrieunternehmen aus der Gesundheitsbranche spezialisiert.
Titelbild: Foto 99415829 © Wutthichai Luemuang Dreamstime.com