Titelbild von Praxismanagement
Logo von Praxismanagement

Praxismanagement

31. Mai 2017
Aus dem Kollegenkreis

Reanimation in der Praxis: Die 6 wichtigsten Schritte

Notfälle in Arztpraxen sind äußerst selten: Einmal in acht Jahren wird laut Statistik ein niedergelassener Allgemeinmediziner mit einer Reanimation konfrontiert. Doch wenn es darauf ankommt, ist schnelles und präzises Handeln entscheidend. Erfahren Sie hier, was Sie und Ihr Team im Fall der Fälle tun können.

Lesedauer: ca. 5 Minuten

In-Artikel Bild

Dieser Beitrag basiert auf einem Vortrag von Dr. Stephan Wallmeyer (Allgemein- und Notfallmedizin), der im Rahmen des 5. Forums: Die Hausarztpraxis im Fokus in München vorgestellt wurde. Redaktionelle Aufbereitung: Kai Breuing, Marina Urbanietz, coliquio-Redaktion.

Notfallorganisation: Nicht technische Fertigkeiten

Eigene Sicherheit an erster Stelle: Die wichtigste Maßnahme ist immer die eigene Sicherheit – und die Ihrer Kolleginnen und Kollegen.

Notfall mit den Team durchsprechen: Nehmen Sie sich monatlich 10 bis 15 Minuten Zeit, um mit Ihrem Team den Ablauf im Notfall sowie das in der Praxis verfügbare Notfallequipment durchzusprechen.

Stopp-Regel: Bei einem Notfall muss alles schnell gehen, doch diese Regel der Notfallmediziner ist gerade in akut lebensbedrohlichen Situationen äußerst wichtig: Nehmen Sie sich bei Bedenken, Unklarheiten oder Kommunikationsproblemen 10 Sekunden Zeit, um sich zu strukturieren und die nächsten 10 Minuten des Ablaufs durchzuplanen (10 Sekunden für 10 Minuten-Regel).

Geschlossene Kommunikation: Es wird eine sogenannte geschlossene Kommunikation empfohlen: Ansage/Auftrag → Wiederholung → Bestätigung → Vollzug: „Ausgeführt“. Nur so kann sicherstellt werden, dass sich keiner der beiden Kommunikationspartner auf Vermutungen verlässt, sondern sicher weiß, dass er sein Gegenüber richtig verstanden hat. Gerade in akut lebensbedrohlichen Situationen ist dieser Prozess von großer Bedeutung.

Notfall in der Praxis: Die 6 wichtigsten Schritte

Schritt 1 – Bewusstsein & Atmung prüfen: Wenn ein Patient oder Mitarbeiter kollabiert, müssen sofort Bewusstsein und Atmung überprüft werden. Ist keine normale Atmung messbar oder reagiert der Patient nicht, sollten die Atemwege durch Kopfüberstrecken freigemacht werden. Bei einem Unfall den Unterkiefer hochziehen und den Kopf nicht zu weit überstrecken. Der Patient ist auf jeden Fall reanimationspflichtig, es muss umgehend ein Notarzt alarmiert werden.

Schritt 2 – Patient ist bei Bewusstsein: Falls der Patient bei Bewusstsein ist, können folgende weitere Maßnahmen erforderlich werden:

  • Lagerung
  • O2-Gabe
  • RR-Kontrolle
  • EKG
  • SPO2-Messung (auch in seinem Interview am Ende des Beitrags betont Dr. Wallmeyer, dass ein Sättigungsfüller ein “Must-Have” für jede Arztpraxis ist)
  • BZ-Kontrolle
  • i.v.-Zugang
  • Überwachung
  • Angehörige informieren

Schritt 3 – Notruf 112 wählen: Die wichtigsten Informationen werden in der sogenannten (modifizierten) 3Ws-Regel zusammengefasst (Wo – Notfallort, Was – Leitsymptom, Warten – auf Rückfragen oder Anweisungen).

Schritt 4 – Thoraxkompression: Laut den aktuellen Guidelines sind die Herzdruckmassage und eine schnelle Defibrillation die zwei wichtigsten ersten Maßnahmen. Der empfohlene Druckpunkt ist die Mitte des Brustkorbs, die Druckrichtung ist nach wie vor senkrecht von oben nach unten. Die Drucktiefe wurde in den letzten Guidelines modifiziert und nun heißt es mindestens 5 bis maximal 6 cm und jeweils komplett entlasten. Dabei soll die Druckfrequenz mindestens 100 bis maximal 120 Mal pro Minute betragen. Da die Aufgabe ohne spezielle Vorbereitung ziemlich anstrengend ist, wird empfohlen, den Helfer spätestens nach 2 Minuten Herzdruckmassage abzulösen.

Schritt 5 – Beatmung: Die Beatmung ist nach wie vor eins des schwierigsten Verfahren in der Notfallmedizin. Der wichtigste Schritt dabei ist das Öffnen der Atemwege. Am effektivsten ist bei der Beatmung oftmals der doppelte „C“-Griff (s. Abbildung 1). Alternative: z.B. Larynxtubus. Die aktuellen Guidelines empfehlen 30 Thoraxkompressionen gefolgt von 2 Beatmungen, wobei, wie bereits erwähnt, die Thoraxkompression absolute Priorität hat.

Abbildung 1. Doppelter “C”-Griff
Abbildung 1. Doppelter “C”-Griff
Abbildung 1. Doppelter “C”-Griff
Abbildung 1. Doppelter “C”-Griff
Abbildung 2. “C”-Griff
Abbildung 2. “C”-Griff
Abbildung 2. “C”-Griff
Abbildung 2. “C”-Griff

Schritt 6 – (AED)-Defibrillation: Steht in Ihrer Praxis ein automatischer externer Defibrillator (AED) zur Verfügung, sollte dieser unverzüglich eingesetzt werden. Für die Anwendung werden idealerweise selbstklebende Defibrillator-Pads verwendet, die in anteriorer und linkslateraler/apikaler Position angebracht werden. Nach Defibrillation wird die Herzdruckmassage sofort wieder aufgenommen (mit einem Rhythmus von 30:2) und nach 2 Minuten eine erneute Analyse durchgeführt und ggf. Kreislaufkontrolle empfohlen.

Tipp: Dr. Wallmeyer empfiehlt die Anschaffung eines AED als lohnende Investition für jede Arztpraxis.  

Wichtig: Die Überlebenswahrscheinlichkeit des Patienten hängt laut Statistik in 80 Prozent der Fälle von einer rechtzeitigen und professionell durchgeführten Reanimation ab. Aus diesem Grund empfiehlt Dr. Wallmeyer bei einem Notfall in der Praxis von Notfallmaßnahmen wie Intubation oder Legen eines intravenösen Zugangs abzusehen und sich im Wesentlichen nur auf die akkurate und präzise Durchführung der oben genannten Maßnahmen zu konzentrieren.

Mögliche Ursachen: 4 Hs und HITS

Vier Hs und HITs stehen für acht mögliche Ursachen eines Herz-Kreislauf-Stillstands, an die man bei einer kardiopulmonalen Reanimation möglichst frühzeitig denken sollte. Wichtig ist dabei keine Zeitverzögerung durch unnötige Diagnostik oder andere Maßnahmen.

4Hs:

  • Hypoxie
  • Hypovolämie
  • Hypo-/Hyperkaliämie/metabolisch
  • Hypo-Hyperthermie

HITS:

  • Herzbeuteltamponade
  • Intoxikationen
  • Thrombo-embolisches Ereignis
  • Spannungspneumothorax

Dr. Stephan Wallmeyer im Gespräch mit coliquio

Erfahren Sie in diesem 3-minütigen Interview unter anderem, welche Notfälle in einer Hausarztpraxis am häufigsten vorkommen und was in jeden Notfallkoffer gehört.

Videodauer: 3 Minuten.

Das Interview als Podcast

Einen Podcast des Interviews mit Dr. Stephan Wallmeyer können Sie sich hier anhören.

Notfall in der Praxis: Durchführung

Die RettungsassistentInnen Christine Stachow, Thomas Haas, Andreas Eichinger und Michael Suhrbier aus dem Team der Wallmeyer GmbH haben im folgenden Video einen Notfall nachgestellt und den klassischen Ablauf für Sie Schritt für Schritt durchgeführt.

Videodauer: 3:30 Minuten.

In-Artikel Bild

Zur Person: Dr. med. Stephan Wallmeyer ist Facharzt für Allgemeinmedizin mit Zusatzbezeichnung Notfallmedizin. Er ist seit 20 Jahren in der Notfallmedizin tätig und war über lange Zeit Notarzt auf dem Rettungshubschrauber „Christoph 3“. Zurzeit ist er im Rettungsdienst der Stadt Dortmund im Einsatz. Dr. Wallmeyer ist Inhaber der Wallmeyer GmbH und bietet bundesweit eine breite Palette von medizinischen Notfallseminaren für Arztpraxen an. Folgen Sie Herrn Dr. Wallmeyer hier.

Leitlinien zum Download

In-Artikel Bild

Die hier aufgeführten Maßnahmen basieren auf den aktuellen Guidelines zur Reanimation von Erwachsenen des European Resuscitation Council ERC (2015). Weitere aktuelle Leitlinien aus allen medizinischen Fachbereichen finden Sie auch auf coliquio.
Hier geht’s zu den Leitlinien >>

Unser neues Video-Format: News der Woche

Welche Fachärzte behandeln die meisten Patienten? Pflegekräfte sollen ärztliche Aufgaben übernehmen – diese und andere Themen der Woche finden Sie in unserem 2-minütigen News-Video:

Videodauer: 2 Minuten.

Diese Themen könnten Sie auch interessieren:

Notfallkoffer: Das gehört hinein – Liste zum Ausdrucken

In-Artikel Bild

Die Frage “Was gehört eigentlich in den Notfallkoffer?” stößt auf coliquio immer wieder auf großes Interesse. Erfahren Sie in diesem beliebten Beitrag, welche Medikamente und Materialien Ihre Kollegen empfehlen, und drucken Sie sich die praktische PDF-Liste aus.
Hier geht’s zum Beitrag >>

Brustschmerz: So grenzen Sie den kardialen Notfall ab

In-Artikel Bild

Brustschmerzen können verschiedenste Ursachen haben. Um kritische Krankheitsverläufe zu vermeiden, müssen kardiovaskuläre Ursachen schnell erkannt und sicher von muskuloskelettalen, gastrointestinalen, respiratorischen oder psychogenen Beschwerden abgegrenzt werden.
Hier geht’s zum Beitrag >>

Chronischer Hypoparathyreoidismus: Trotz Therapie ein hoher Leidensdruck

In-Artikel Bild

Muskelschmerzen, Fatigue & „Brain Fog“: Erfahren Sie, was die Studienautoren über die klinische & soziale Krankheitslast bei Hypoparathyreoidismus herausfanden.
Hier geht’s zum Beitrag >>

Quellen anzeigen
Impressum anzeigen