Lyme-Borreliose richtig behandeln
Lyme-Borreliose wird oft unzureichend diagnostiziert und folglich falsch therapiert, so der Neuroinfektiologe Sebastian Rauer auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN).1 Erfahren Sie in diesem Beitrag, wie Sie eine Lyme-Borreliose rechtzeitig erkennen & effizient therapieren können.
Lesedauer: ca. 3 Minuten

Folgender Beitrag basiert auf einem Artikel von Fingerle V. et al., veröffentlicht im Deutschen Ärzteblatt, Perspektiven der Infektiologie.2
Wann sind mikrobiologische & serologische Tests erforderlich?
Die Durchführung mikrobiologischer und serologischer Tests wird ausschließlich bei der Lyme-Borreliose-typischen Symptomatik angezeigt. Bei unspezifischen Symptomen ohne klare klinische Fragestellung sind diese Tests laut Leitlinien und Empfehlungen medizinischer Fachgesellschaften nicht indiziert.2,3,4

Typisches Erythema migrans: Hier ist keine weitere Diagnostik erforderlich und es kann nach der Blickdiagnose sofort mit der Therapie begonnen werden.

Atypisches sowie multiples Erythema migrans: Eine serologische Diagnostik ist erforderlich. Dabei hängt die Nachweisrate borrelienspezifischer Antikörper von der Erkrankungsdauer ab: In den ersten Wochen besteht eine „serodiagnostische Lücke“. Antikörper, insbesondere IgG, können im weiteren Verlauf bei ca. 60% der Betroffenen nachgewiesen werden. Bei früh disseminierten Formen liegt die Nachweisrate bei 70-90% und bei späten Formen bei nahezu 100%. Daher wird bei negativem Befund empfohlen, einen Direktnachweis mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) durchzuführen.

Borrelien-Lymphozytom: Bei eindeutigem klinischen Bild und positiver Serologie kann sofort mit antibiotischer Therapie begonnen werden. Sind die serologischen Tests negativ, sollte der direkte Erregernachweis mittels Anzucht oder PCR durchgeführt werden.

Akrodermatitis chronica atrophicans Herxheimer (ACA): Die serologische Diagnostik ist bei klinischem Verdacht erforderlich. Bei nicht eindeutigem klinischen Bild sollte Biopsie, Histologie sowie der Erregernachweis mittels Anzucht oder PCR erfolgen. Die Abbildung 4 zeigt livid rote Verfärbung und Atropie am rechten Handrücken und Kleinfinger und livide Flecken, Streifen und Infiltrate dorsal am rechten Knie.
Verdacht auf Lyme-Arthritis (massive Schwellung der Gelenke): Es wird empfohlen, eine Gelenkpunktation für den Nachweis von Borrelien-DNA mittels PCR durchzuführen. Der Antikörpernachweis aus Gelenkpunktat kann dagegen nicht empfohlen werden, da er nahezu identische Antikörpertiter ergibt.
Frühe und späte Neuroborreliose: Es finden sich typische Liquorveränderungen, wie lymphozytäre Pleozytose mit Plasmazellen und aktivierten Lymphozyten, Schrankenstörung sowie intrathekale Immunglobulinproduktion. Auf Symptomebene sind für Spätmanifestationen chronische Erschöpfung, Müdigkeit sowie ein schubartiger Krankheitsverlauf charakteristisch.
Wichtig: Die PCR zum Direktnachweis von Borrelien ist ein hilfreiches Zusatzverfahren bei diagnostisch schwierigen Fällen, jedoch nicht zur Primärdiagnostik geeignet.
Borreliose effizient therapieren
Laut Dr. med. Volker Fingerle vom Nationalen Referenzzentrum für Borrelien (NRZ) ist Lyme-Borreliose eine „effizient zu therapierende Erkrankung mit guter Prognose“.2 Oft heilt sie auch ohne antibiotische Therapie und ohne spätere Manifestation aus. Um Komplikationen zu verhindern, wird jedoch in der Regel eine antibiotische Therapie empfohlen.
- Frühe Manifestationen (außer Neuroborreliose): Frühe Manifestationen der Lyme-Borreliose können mit Doxycyclin, Amoxicillin oder Cefuroximaxetil therapiert werden, bei Unverträglichkeit der vorgenannten Substanzen auch mit Azithromycin.
- Frühe Neuroborreliose: Die Erkrankung wird intravenös mit Ceftriaxon, Cefotaxim, Penicillin G oder oral mit Doxycyclin therapiert.
- Späte Erkrankungsformen der Haut: Akrodermatitis chronica atrophicans Herxheimer (ACA) kann oral mit Doxycyclin oder Amoxicillin therapiert werden. Falls gleichzeitig eine periphere Neuropathie besteht, kann Ceftriaxon, Cefotaxim oder Penicillin G intravenös verabreicht werden.
- Späte Neuroborreliose: Späte Manifestationen der Neuroborreliose werden primär intravenös behandelt, da zur Wirksamkeit der oralen Therapie (in erster Linie mit Doxycyclin) bislang keine Studien vorliegen.
Wichtig: Von einer Langzeittherapie mit Antibiotika (länger als drei Wochen) raten die Neurologen ab. Wenn Antibiotika nach zwei bis drei Wochen keine Wirkung zeigen, kann davon ausgegangen werden, dass keine Neuroborreliose vorliegt, sondern eine andere Erkrankung die Beschwerden verursacht.1
Diese Testverfahren werden NICHT empfohlen
Wegen fehlender oder unzureichender Validierung raten die Experten bei der Diagnosestellung oder Diagnosesicherung derzeit von folgenden Methoden ab:
- Lymphozytenaktivierungs- oder -transformationstests (LTT, MELISA, ELISPOT)
- Direktnachweis von Borrelien aus Patientenmaterial mittels Lichtmikroskopie (Dunkelfeld aus Blut, focus floating microscopy)
- PCR oder Antigennachweis aus Urin oder Blut
- Antikörpernachweis aus Immunkomplexen
- Visual Contrast Sensitivity Test (VCS)
- Nachweis einer erniedrigten CD57-positiven Lymphozytensubpopulation
- HLA-Typisierung
Zeckenuntersuchung: Die Untersuchung der vom Menschen entfernten Zecken eignet sich nicht für die weiteren Therapieentscheidungen, da die heutigen Testverfahren unklare diagnostische Sensitivität und Spezifität aufweisen.