Arzt wird wegen „überhöhter Vergütung“ unrechtmäßig gekündigt
Ein niedergelassener Chirurg zieht vor Gericht, weil ihm der Krankenhausträger den Kooperationsvertrag aufkündigt. Die Begründung: „überhöhte Vergütung“. Der Fall zeigt, was Ärzte vor dem Vertragsabschluss unbedingt wissen sollten.
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Dieser Beitrag wird vertreten von Dr. Florian Hölzel, Fachanwalt für Medizinrecht. Redaktion: Sebastian Schmidt
Eine jüngere Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamm (Urt. v. 17.12.2020, Az.: 1 Ca 330/20) in einem Kündigungsschutzverfahren zeigt, wie unterschiedlich die Bewertungsmaßstäbe sind, die deutsche Gerichte an die Zulässigkeit von ambulant-stationären Kooperationen anlegen. Zugleich wird klar, dass diese Kooperationen außerordentlich vielschichtig sind. Umso wichtiger, dass Mediziner und Medizinerinnen beim Vertragsabschluss genau auf die Details achten.
Die straf- und arbeitsrechtlichen Hintergründe
Im Jahre 2016 wurden vor dem Hintergrund einer geänderten strafrechtlichen Rechtsprechung die Antikorruptionsnormen der § 299a und § 299b StGB eingeführt. Viele Krankenhausträger stellten daraufhin die bislang für die Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten entwickelten Kooperationsmodelle auf den Prüfstand.
Die Folge: Die Krankenhausträger kündigten oder modifizierten reihenweise Kooperations- und Anstellungsverträge mit niedergelassenen Ärzten. Denn sie mussten fürchten, dass die vereinbarten Konditionen eine unzulässige Vorteilsgewährung im Sinne der neuen Strafrechtsbestimmungen darstellten.
Der Fall: Kündigung wegen „überhöhter Vergütung“
So verhielt es sich auch im vorliegenden Fall. Der Kläger war als Facharzt für Chirurgie mit Schwerpunkt Gefäßchirurgie niedergelassen. Er vereinbarte mit dem beklagten Krankenhausträger einen Anstellungsvertrag über 13 Wochenstunden. Hierfür sollte er eine Grundvergütung in Höhe von 2.112,50 Euro monatlich + variabler Vergütung erhalten. Mit Ergänzungsvertrag wurde die Grundvergütung 2014 zunächst auf 11.500 Euro monatlich + Bonuszahlung angehoben. In einen zweiten Ergänzungsvertrag 2017 wurde er wiederum auf 9.166,00 Euro ohne Bonusvereinbarung abgesenkt.
2019 schließlich wechselte die Geschäftsführung. Hierauf beendete der Krankenhausträger alle Kooperationsvereinbarungen mit niedergelassenen Ärzten durch Aufhebungsvereinbarungen. Lediglich der Kläger weigerte sich, eine entsprechende Vereinbarung abzuschließen. Daraufhin kündigte der Krankenhausträger das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich wegen „überhöhter Vergütung“. Der Gehaltszahlung habe keine angemessene Leistung des Klägers gegenübergestanden, so dass das Arbeitsverhältnis aus korruptionsrechtlichen Gründen habe gekündigt werden müssen.
Die Entscheidung: Krankenhaus muss Arzt weiterbeschäftigen
Das Arbeitsgericht Hamm hält beide Kündigungen für unwirksam. Ein Fehlverhalten des Klägers sei nicht festzustellen. Die Zahl der durchgeführten Operationen lasse keinen Rückschluss auf die Arbeitsleistung des Klägers zu. Denn, so die Richter weiter, die Aufgaben eines Krankenhausarztes reichen über die Arbeit im OP hinaus. Der Kläger habe keinen Einfluss auf die Zahl der Operationen. Somit gehöre dies zum Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers.
Auch die Höhe der Vergütung war aus Sicht des ArbG Hamm kein Kündigungsgrund. Nach unwidersprochenem Vortrag des Klägers, war ihm die Vergütung ohne Verhandlungen angeboten worden. Die Annahme eines Vertragsangebots allein aber stelle keine Pflichtverletzung dar.
Die Verknüpfung zwischen Zuweisung von Patienten und Gehaltshöhe konnte oder wollte der beklagte Krankenhausträger schließlich nicht eindeutig nachweisen. Fazit: Schlussendlich wurde der Krankenhausträger zur Weiterbeschäftigung des Arztes verpflichtet.
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Die Experten-Bewertung:
Die Entscheidung des Arbeitsgericht Hamm ist – beschränkt auf die arbeitsrechtliche Perspektive – nachvollziehbar. Tatsächlich stellt eine für den Arbeitgeber ungünstige Vergütungsregelung keinen hinreichenden Grund für eine Kündigung dar. Es gilt das Prinzip der Vertragsfreiheit.
Da das Gericht nicht über die Strafbarkeit der Kooperationsvereinbarungen zu entscheiden hatte, blendete es die strafrechtliche Perspektive des Falls vollständig aus. Um nachzuweisen, dass mit der weit über dem Tarifvertrag liegenden Vergütung auch die Zuweisung von Patienten abgegolten werden sollte, hätte der Krankenhausträger im Arbeitsgerichtsprozess Zuweisungsdaten vorlegen und die Kausalität nachweisen müssen.
Hierdurch wären möglicherweise korruptionsstrafrechtlich relevante Strukturen aufgedeckt worden. So stand der Krankenhausträger letztlich vor der Wahl, den Arbeitsgerichtsprozess zu verlieren oder die Staatsanwaltschaft auf den Plan zu rufen.
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Abseits des entschiedenen Falls zeigt das Urteil, dass Kooperationsvereinbarungen zwischen Ärzten und Ärztinnen und Krankenhäusern außerordentlich vielschichtig sind. Von der konsiliar- und belegärztlichen Tätigkeit, über Anstellungs- oder Mietverträge im Krankenhaus bis zu Überlegungen für ein gemeinsames MVZ kann die Zusammenarbeit unterschiedlich eng ausgestaltet werden.
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Über den Autor

Dr. jur. Florian Hölzel ist Fachanwalt für Medizinrecht,
Anwalt für Cooperative Praxis und Mediator von der Rechtsanwaltskanzlei “Broglie, Schade & Partner GbR”
mit Standorten in Wiesbaden, Berlin und München.