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Pädiatrie kompakt

16. Sep. 2020

Post-Covid-Syndrom schädigt Kinderherzen schwer

Das Multisystemische Entzündungssyndrom bei Kindern (MIS-C) steht im Verdacht, mit SARS-CoV-2 zusammenzuhängen. US-amerikanische Forscher haben jetzt festgestellt, dass die Erkrankung auch das Herz betroffener Kinder schwer schädigen kann. 1,2

Lesedauer: ca. 2 Minuten

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Für ihre Literaturrecherche, die in der Fachzeitschrift The Lancet erschien, hat ein Ärzteteam um den Neonatologen Dr. Alvaro Moreira, am Health Science Center der Universität von Texas in San Antonio 662 MIS-C-Fälle ausgewertet, die zwischen dem 1. Januar und dem 25. Juli weltweit gemeldet wurden.

„Die Fallstudien zeigen, dass das Multisystemische Entzündungssyndrom auch bei scheinbar gesunden Kindern noch 3 oder 4 Wochen nach einer asymptomatisch verlaufenden Covid-19-Infektion auftreten kann”, wird Dr. Moreira in einer Pressemitteilung der Universität zitiert.2

Die meisten Kinder wiesen zu Beginn des MIS-C bereits Antikörper gegen SARS-CoV-2 auf, ein Indiz dafür, dass sie die Coronavirus-Infektion bereits überstanden hatten, als sie (erneut) erkrankten.

Die Ergebnisse kompakt im Überblick:

  • 71% der Kinder wurden auf der Intensivstation (ICU) behandelt
  • 60% hatten einen Schock erlitten
  • Die Kinder verbrachten durchschnittlich 7,9 Tage im Krankenhaus
  • Alle Kinder hatten Fieber, knapp 74% litten unter Bauchschmerzen oder Durchfall und fast 70 % mussten erbrechen
  • Bei 90% der Kinder wurde ein Echokardiogramm durchgeführt, bei mehr als der Hälfte (54%) mit unauffälligem Ergebnis
  • 22,2% der Kinder benötigten eine künstliche Beatmung
  • In 4,4 % Fällen wurde eine extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) notwendig
  • 11 der Kinder starben an der massiven Entzündungskrankheit

Die Hälfte der Kinder hatte keine Vorerkrankungen

Besorgnisserregend war für die Autoren die Erkenntnis, dass 52 % der untersuchten Kinder (n= 290 von 558) mit MIS-C keine Vorerkrankungen aufwiesen. Von den vorerkrankten Kindern war die Hälfte wiederum übergewichtig oder adipös.

„Diese neue Kinderkrankheit kann tödlich verlaufen, da sie mehrere Organsysteme angreift”, erläutert Dr. Moreira. Ob Herz, Lunge, Magen-Darm oder neurologisches System – die Krankheit habe so viele Gesichter, dass sie für die Kliniker anfangs kaum erfassbar gewesen sei.

Das Ausmaß der Entzündungsreaktionen bei MIS-C übertrifft zwei ähnliche pädiatrische Erkrankungen: das Kawasaki-Syndrom und das toxische Schocksyndrom. Das Kawasaki-Syndrom ist wie MIS-C durch plötzlich einsetzendes hohes Fieber gekennzeichnet, begleitet von kardialen und gastrointestinalen Beschwerden, einer Konjunktivitis und häufig auch einem Hautausschlag.

Zur Behandlung von MIS-C haben ebenfalls die beim Kawasaki-Syndrom eingesetzten Immunglobuline und Glukokortikosteroide als erfolgreich erwiesen.

Troponinwerte um das 50-Fache erhöht

Die betroffene Kinder mit MIS-C wiesen den Autoren um Dr. Moreira zufolge Troponinwerte auf, die um das 50-fache über dem Normalwert liegen. Bei den meisten der 662 Kinder mit MIS-C lagen kardiale Auffälligkeiten vor, ebenso erweiterte Koronarblutgefäße sowie eine verminderte Ejektionsfraktion. Außerdem hatten 8,1 % der Kinder Aneurysmen in den Koronararterien.

Fazit der Autoren: Das Multisystemische Entzündungssyndrom ist eine neue Kinderkrankheit, die mit SARS-CoV-2 assoziiert ist. Wird die Erkrankung rechtzeitig erkannt und medizinisch behandelt, bestehen sehr Überlebenschancen für die Betroffenen. „Wir müssen diese Kinder engmaschig weiter überwachen, um zu verstehen, welche Folgen dies für sie langfristig haben könnte, “ erklärt Dr. Moreira.

Diese Literaturstudie wurde von Dr. Moreira gemeinsam mit Wissenschaftlern des Texas Children’s Hospital in Houston, der Georgetown University, der National Institutes of Health und der University of Pennsylvania durchgeführt.

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