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Pädiatrie kompakt

10. März 2023

Melanome bei Kindern: Inzidenz, Risikofaktoren und die ABCDE-Regel

Wenn Eltern ihre Kinder zu Dr. Caroline Piggott bringen, um einen verdächtigen Leberfleck auf der Kopfhaut oder an einer anderen Körperstelle untersuchen zu lassen, stellt sich die überwiegende Mehrheit als gutartig heraus, denn die Inzidenz von Melanomen ist gering, insbesondere vor der Pubertät.

Lesedauer: ca. 6 Minuten

Melanome bei Kindern
Experten empfehlen zur Melanom-Diagnose bei Kindern die Anwendung von modifizierten Kriterien in Verbindung mit den herkömmlichen ABCDE-Regeln. (Foto: Andrey Popov | Dreamstime.com)

Der folgende Artikel erschien ursprünglich auf MDedge.com, Teil des Medscape Professional Network und wurde von Dr. Petra Kittner ins Deutsche übersetzt. | Redaktion: Dr. Nina Mörsch

„Nur 1 bis 2 % aller Melanome auf der Welt treten bei Kindern auf, sodass meine Aufgabe hauptsächlich darin besteht, zu beruhigen", sagte Caroline Piggott, Kinderdermatologin am Scripps MD Anderson Cancer Center in San Diego, auf dem jährlichen "Cutaneous Malignancy Update".

„Es gibt nur wenige pädiatrische Studien. Warum? Weil Kinder von den meisten klinischen Studien zum Melanom ausgeschlossen sind. Unsere Behandlung basiert hauptsächlich auf den Richtlinien des National Comprehensive Cancer Network für Erwachsene."

Um Eltern bei der Identifizierung eines Melanoms zu helfen, empfehlen Kliniker in der Regel die "ABCDE"-Regel: Asymmetrie, Unregelmäßigkeit der Ränder ("Border irregularity"), Farbabweichung (insbesondere dunkle oder mehrere Farben; "Color variation"), Durchmesser größer als 6 mm und Entwicklung (verändert es sich, blutet es oder ist es schmerzhaft?).

Modifizierte ABCD-Kriterien vorgeschlagen

Während Caroline Piggott die Standard-ABCDE-Regeln für wichtig hält - vor allem bei älteren Kindern und Jugendlichen -, schlugen Wissenschaftler um Kelly M. Cordoro, Professorin für Dermatologie an der University of California, San Francisco (UCSF), modifizierte ABCD-Kriterien vor. Sie stützten sich dabei auf die Auswertung einer Kohorte von 60 Kindern, die zwischen 1984 und 2009 am UCSF die Diagnose Melanom erhielten, und 10 Kindern, die im selben Zeitraum am UCSF mit unklaren, als Melanom behandelten melanozytären Tumoren diagnostiziert wurden.

Die Wissenschaftler teilten die Kinder und Jugendlichen in zwei Gruppen ein: die 0- bis 10-Jährigen (19; Gruppe A) und die 11- bis 19-Jährigen (51; Gruppe B). Sie stellten fest, dass 60 % der Kinder in Gruppe A und 40 % der Kinder in Gruppe B nicht die herkömmlichen ABCDE-Kriterien für Kinder erfüllten. Von den 60 Melanom-Patienten starben 10. Von diesen waren 9 älter als 10 Jahre, und 70 % hatten amelanotische Läsionen.

Auf der Grundlage ihrer Analyse der klinischen und histopathologischen Daten sowie der Ergebnisse schlugen Dr. Cordoro und Kollegen zusätzliche ABCD-Kriterien vor, bei denen A für amelanotisch, B für Blutungen oder Beulen, C für Farbgleichheit (Color uniformity) und D für De novo oder einen beliebigen Durchmesser steht.

„Das bedeutet nicht, dass man die alten ABCDE-Kriterien aus dem Fenster wirft", sagte Caroline Piggott. Vielmehr solle man diese modifizierten Kriterien in Verbindung mit den herkömmlichen ABCDE-Regeln verwenden.

Risikofaktoren ähnlich wie bei Erwachsenen

Die Risikofaktoren für ein Melanom bei Kindern ähneln denen bei Erwachsenen und umfassen eine

  • Melanom-Familienanamnese,
  • große/riesige angeborene Nävi,
  • das Vorhandensein vieler atypisch erscheinender Nävi,
  • die Fitzpatrick-Hauttypen I oder II,
  • eine Vorgeschichte mit blasenbildenden Sonnenbränden und
  • das Vorhandensein von genetischen Anomalien wie Xeroderma pigmentosum.

Laut einer Analyse von Daten des Surveillance, Epidemiology, and End Results (SEER)-Programms stieg die Melanominzidenz bei allen Personen in den Vereinigten Staaten im Alter von 0 bis 19 Jahren zwischen 1973 und 2009 an. Zu den wichtigsten Risikofaktoren gehörten die weiße Rasse, das weibliche Geschlecht und das Leben in einem SEER-Register, das als geringe UVB-Exposition eingestuft wurde. Während des Studienzeitraums traten bei Jungen vermehrt Melanome im Gesicht und am Rumpf auf, während bei Mädchen Melanome an den unteren Gliedmaßen und der Hüfte vermehrt auftraten.

Altersspezifische Inzidenz

Kürzlich haben Wissenschaftler die Daten von 988.103 Fällen von invasivem Melanom aus der SEER-Datenbank 2001-2015 ausgewertet, um die altersspezifische Inzidenz des Melanoms in den Vereinigten Staaten zu ermitteln. Im Jahr 2015 wurden 83.362 Fälle von invasivem Melanom für alle Altersgruppen gemeldet. Davon waren nur 67 Fälle jünger als 10 Jahre, 251 waren zwischen 10 und 19 Jahren alt und 1.973 waren junge Erwachsene zwischen 20 und 29 Jahren.

Weiteren Ergebnissen zufolge stieg die Gesamtinzidenz des invasiven Melanoms für alle Altersgruppen zwischen 2006 und 2015 von 200 Millionen auf 229 Fälle pro Million Personenjahre. „Bei den 10- bis 19-Jährigen und den 10- bis 29-Jährigen war jedoch ein statistisch signifikanter Rückgang der Melanom-Inzidenz zu verzeichnen", so Piggott, die nicht an der Studie beteiligt war.

„Die Hypothese ist, dass die Bemühungen der Gesundheitspolitik, Sonnenexpositionen und die Benutzung von Solarien zu verhindern, die Melanominzidenz in jüngeren Bevölkerungsgruppen beeinflussen könnten. Interessant ist jedoch, dass junge erwachsene Frauen ein doppelt so hohes Melanomrisiko haben wie junge erwachsene Männer".

In einer separaten Studie beobachteten Wissenschaftler prospektiv 60 melanomgefährdete Familien über einen Zeitraum von bis zu 40 Jahren, um das Risiko für pädiatrische Melanome in Familien mit und ohne Mutationen des Cyclin-abhängigen Kinase-Inhibitors 2A (CDKN2A) zu ermitteln. Unabhängig von ihrem CDKN2A-Status war der Prozentsatz der pädiatrischen Melanomfälle in den melanomgefährdeten Familien im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung 6- bis 28-mal höher. Darüber hinaus wiesen Familien, die CDKN2A-positiv waren, eine signifikant höhere Rate an pädiatrischen Melanomfällen auf als Familien, die CDKN2A-negativ waren (11,1 % gegenüber 2,5 %; P = 0,004).

Therapiestandard ähnlich wie bei Erwachsenen

Was die Behandlung des Melanoms bei Kindern anbelangt, so ist der Therapiestandard ähnlich wie bei Erwachsenen: in der Regel eine breite lokale chirurgische Exzision der Primärläsion, je nach Tiefe. Bei der Sentinel-Lymphknoten-Biopsie orientieren sich die Ärztinnen und Ärzte in der Regel an den Parametern für Erwachsene, wie z. B. der Tiefe der Läsion und der Ulzeration.

„Wir wissen, dass ein positiver Sentinel-Lymphknoten einen prognostischen Wert hat, aber es gibt eine große Debatte darüber, ob eine Lymphknotendissektion durchgeführt werden soll, wenn der Sentinel-Lymphknoten positiv ist", sagte Dr. Piggott auf der Tagung, die vom Scripps MD Anderson Cancer Center ausgerichtet wurde. Dies würde von Fall zu Fall entschieden unter Berücksichtigung folgender Faktoren wie: Sind die Knoten tastbar? Gibt es Anzeichen im Ultraschall? Formelle Richtlinien würden allerdings fehlen.

Es gibt nur wenige Studien zur systemischen Therapie bei Kindern, da diese Bevölkerungsgruppe von den meisten klinischen Studien zum Melanom ausgeschlossen ist. „In der Vergangenheit wurde manchmal Interferon eingesetzt", so Pigott. „Aber in den letzten Jahren haben wir begonnen, wie bei Erwachsenen auch, eine gezielte immunologische Therapie einzusetzen. Diese wird in der Regel von einem akademischen Onkologiezentrum mit Tertiärversorgung durchgeführt."

Gute Überlebenschancen, wenn früh erkannt

Die Überlebenschancen für Kinder mit Melanom sind gut, wenn die Tumoren früh erkannt werden. Wie bei Erwachsenen korreliert das Stadium stark mit dem Überleben, und Fernmetastasen gehen mit einer schlechten Prognose einher.

Im Jahr 2020 veröffentlichten Wissenschaftler ein retrospektives, multizentrisches Review von 38 Fällen eines tödlichen pädiatrischen Melanoms zwischen 1994 und 2017. Die Analyse beschränkte sich auf Personen im Alter von 20 Jahren und jünger, die an 12 akademischen medizinischen Zentren behandelt wurden. Von den 38 Patienten waren 42 % männlich, 58 % weiblich und 57 % waren weiß. Darüber hinaus waren 19 % hispanisch, "was ein größerer Prozentsatz ist, als die Todesfälle in der erwachsenen [hispanischen] Bevölkerung mit Melanomen", so Dr. Piggott, der nicht an der Studie beteiligt war.

Das Durchschnittsalter bei der Diagnose lag bei 12,7 Jahren, das Durchschnittsalter beim Tod bei 15,6 Jahren, und die durchschnittliche Überlebenszeit nach der Diagnose betrug etwa 35 Monate. Von den 16 Fällen mit bekannten identifizierbaren Subtypen waren 50 % noduläre Melanome, 31 % oberflächlich streuende Melanome und 19 % spitzoide Melanome. Außerdem traten ein Viertel der Melanome in Verbindung mit kongenitalen melanozytären Nävi auf.

„Die gute Nachricht ist, dass es insgesamt nur 38 Fälle von tödlichen pädiatrischen Melanomen in 12 akademischen Zentren über einen Zeitraum von 23 Jahren gibt", so Piggott. "Gott sei Dank ist die Zahl so niedrig."

Dieser Beitrag ist in deutscher Fassung auf Univadis erschienen.

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