Kindersterblichkeit durch genetische Ursachen offenbar unterschätzt
Eine unizentrische Studie mit der Erbsubstanz von 112 Kindern, die vor Ende des ersten Lebensjahres verstorben waren, ergab, dass die häufigste feststellbare Todesursache Einzellokus-Generkrankungen waren. In 30 % der Fälle hätte es Therapien gegeben, die den Verlauf der Erkrankung positiv beeinflusst hätten. Allerdings war diese Erkenntnis für mehrere der Kinder zu spät gekommen, da deren Genome erst postmortal sequenziert wurden.1
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Autor: Michael Simm | Redaktion: Dr. Nina Mörsch
Das Verständnis der Ursachen der Kindersterblichkeit beeinflusst sowohl die Maßnahmen zum Screening und zur Überwachung als auch die Investitionen in die Forschung. Allerdings, schreiben die Autoren der aktuellen Arbeit, sei der Zusammenhang zwischen spezifischen genetischen Erkrankungen und der Kindersterblichkeit bisher kaum verstanden.
Retrospektive Auswertung
Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine retrospektive Auswertung von vollständigen Genomanalysen, die zwischen 2015 und 2020 an der Rady Kinderklinik im kalifornischen San Diego bei 546 Kleinkindern (maximal 1 Jahr) durchgeführt wurden. 112 dieser Kinder waren verstorben, davon 67 vor der Genomsequenzierung, und 45 danach.
Ergebnisse im Kurzüberblick
- Sogenannte Einzellokus-Generkrankungen waren die häufigste feststellbare Ursache für den Tod der Kinder.
- Es fanden sich 47 solcher Gendefekte bei 46 Kindern (41 % aller Verstorbenen).
- Von 39 der 47 Gendefekte war bereits zuvor bekannt, dass sie mit Kindersterblichkeit assoziiert sind.
- Für die 45 Kinder, bei denen die Sterbeurkunden ausgewertet wurden, wurde bei 28 (62 %) eine genetische Todesursache nicht erwähnt.
- In 14 Fällen (30 %) gab es Behandlungen, von denen man weiß, dass sie den Verlauf der genetischen Erkrankungen positiv beeinflussen können.
- Bei 5 von 7 Kindern, deren genetische Erkrankungen erst postmortal erkannt wurden, hätte der Tod nach Einschätzung der Forscher verhindert werden können, wenn bereits bei Symptombeginn eine schnelle und vollständige Genomsequenzierung erfolgt wäre.
Klinische Bedeutung
Die Daten aus einem einzigen Zentrum erlauben allenfalls eine grobe Abschätzung der Häufigkeit genetischer Defekte, die durch eine vollständige Genomsequenzierung bei Kleinkindern erkennbar und behandelbar sein könnten. Die Forschenden versichern allerdings, dass diese Fälle häufiger sind, als bislang gedacht. Strategien, um die neonatalen Gendiagnostik auszubauen und deren Ergebnisse sofort umzusetzen, könnten demnach die Kindersterblichkeit reduzieren.
Finanzierung: Ernest and Evelyn Rady, Rady Children’s Hospital, J. Willard and Alice S. Marriott Foundation, sowie Forschungsgelder der National Institutes of Health.
Dieser Beitrag ist im Original auf Univadis erschienen.
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