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Pädiatrie kompakt

25. Apr. 2023

Seltener Typ-1-Diabetes? Darum lohnt sich Unterstützung des Mikrobioms von Säuglingen

Mikrobielle Biomarker für Typ-1-Diabetes können schon bei Säuglingen im Alter von 12 Monaten vorhanden sein – weit vor dem Ausbruch der Krankheit. Wissenschaftler vermuten, dass eine gezielte Förderung eines gesunden Darmmikrobioms zur Prävention beitragen könnte, wie sie in Diabetologica schreiben.1

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Hoffnung liegt in Diabetes-I-Früherkennung: Antikörper gegen Beta-Zellen unterstützen Identifizierung. (Symbolbild) (© Rohappy – iStockphoto.com)

Lassen sich mit gezielten Maßnahmen für ein gesundes Darmmikrobiom schon im Säuglingsalter Prävention mit langanhaltender Wirkung erzielen? Dieser Frage gingen Forschende aus Schweden nach. Grundlage der Studie sind Daten der schwedischen Bevölkerung.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich der Darm von Säuglingen, die später an Typ-1-Diabetes erkranken, deutlich vom Darm gesunder Babys unterscheidet“, sagt Erstautorin Dr. Malin Bélteky vom Crown Princess Victoria's Children's Hospital in Linköping, Schweden.

„Diese Entdeckung könnte helfen, Säuglinge mit dem höchsten Risiko, an Typ-1-Diabetes zu erkranken, vor oder während des ersten Stadiums der Krankheit zu identifizieren. Und sie könnte die Möglichkeit bieten, ein gesundes Darmmikrobiom zu fördern, um zu verhindern, dass die Krankheit ausbricht“, so Bélteky weiter.

Antikörper unterstützen bei der Risiko-Identifizierung

Derzeit werden Antikörper gegen Beta-Zellen verwendet, um Kinder mit einem hohen Krankheitsrisiko zu identifizieren. Diese Biomarker sind meist zwischen dem 9. und 36. Lebensmonat nachweisbar.

Prof. Dr. Marian Rewers, Professor für Pädiatrie und Medizin an der University of Colorado School of Medicine, Denver, und leitender Prüfarzt der TEDDY-Studie (The Environmental Determinants of Diabetes in the Young), begrüßte die Ergebnisse.2 Er sprach von einer gut konzipierten Studie einer starken Forschergruppe.

„Obwohl die effektive Zahl der Fälle sehr klein war – 16 –, wurden die Ergebnisse offensichtlich bereinigt, und es wurden signifikante Unterschiede im Mikrobiom der Fälle gegenüber den Kontrollen im Alter von 1 Jahr nachgewiesen. Das war 12 Jahre vor dem durchschnittlichen Alter der Diagnose von Typ-1-Diabetes bei den Betroffenen“, sagte Rewers.

Unterschiede in der mikrobiellen Diversität und Funktion

Die Daten stammen von Kindern, die an der bevölkerungsweiten Längsschnittstudie All Babies In Southeast Sweden (ABIS) teilgenommen haben.3 Mikrobiota aus Stuhlproben, welche Forscher von Probanden im Alter von 1 Jahr entnommen hatten, wurden sequenziert und analysiert, um die Diversität, Häufigkeit und den funktionellen Status der einzelnen Bakterien zu bestimmen.

Bei der Geburt und im Alter von 1 Jahr hatten Mütter Fragebögen ausgefüllt, so dass Umweltfaktoren, welche die Mikrobiota oder das Typ-1-Diabetes-Risiko unabhängig voneinander beeinflussen, untersucht werden konnten. Tagebücher der Eltern lieferten Informationen zur Schwangerschaft, zur Ernährung und zu Lebensstilfaktoren.

„Die Unterschiede in der Vielfalt und Häufigkeit spezifischer Bakterien müssen mit Vorsicht interpretiert werden; die Studienergebnisse stimmen jedoch mit mehreren früheren Veröffentlichungen überein“, stellte Rewers fest.

Von 167 Kindern, die bis 2020 Typ-1-Diabetes entwickelten, waren in 16 Fällen Stuhlproben verfügbar, die mit 268 gesunden Kontrollen verglichen wurden. Mikrobiome der 16 Kinder, die später an Typ-1-Diabetes erkrankten, wurden mit je 100 Proben von 32 Kindern als Kontrollen verglichen, die bis zum Alter von 20 Jahren keinen Typ-1-Diabetes entwickelt hatten – angepasst nach geografischer Region, Geschwistern bei der Geburt, Art des Wohnsitzes, Dauer des Stillens und Monat der Stuhlsammlung.

Unterschiedliche Bakterienpopulationen

Zu den spezifischen Bakterien, die bei Kindern, welche später an Typ-1-Diabetes erkrankt sind, häufiger vorkamen als bei den Kindern ohne Diabetes, gehörten:

  • Firmicutes: Enterococcus, Gemella und Hungatella 
  • Bacteroides: Bacteroides und Porphyromonas

Laut älteren Studien scheinen die Bakterien Entzündungen zu fördern. Sie sind auch an Immunreaktion beteiligt.

Bei Kindern, die nicht an Typ-1-Diabetes erkrankt waren, fanden die Wissenschaftler häufiger als bei Kindern mit Diabetes:

  • Firmicutes: Anaerostipes, Flavonifractor und Ruminococcaceae UBA1819 sowie Eubacterium

Diese Arten tragen zur Aufrechterhaltung der Gesundheit des Stoffwechsels und des Immunsystems bei. Sie produzieren Butyrat, eine kurzkettige Fettsäure, die Entzündungen unterdrückt und Zellen der Darmschleimhaut mit Nährstoffen versorgt.

Alistipes waren bei Säuglingen, die keinen Typ-1-Diabetes entwickelten, häufiger anzutreffen, und verschiedene Häufigkeiten von Fusicatenibacter waren die stärksten Faktoren zur Prognose eines künftigem Typ-1-Diabetes, berichten die Forscher.

„Biomarker des Darmmikrobioms im Alter von 12 Monaten würden die Prognose deutlich vor dem Auftreten von multiplen Autoantikörpern verbessern“, schreiben die Autoren.

Das jüngste Alter bei der Diagnose von Typ-1-Diabetes lag bei 1 Jahr und 4 Monaten, das älteste bei 21 Jahren und 4 Monaten. Das Durchschnittsalter bei der Diagnose betrug 13,3 Jahre.

Auf der Suche nach Pathomechanismen

Mikrobielle Unterschiede zwischen Säuglingen, die später an Typ-1-Diabetes erkranken, und Säuglingen, bei denen dies nicht der Fall ist, werfen auch ein Licht auf Wechselwirkungen zwischen dem sich entwickelnden Immunsystem und der Produktion sowie dem Stoffwechsel kurzkettiger Fettsäuren bei Autoimmunität, heißt es in der Veröffentlichung.

Frühere Studien haben gezeigt, dass bei frühem Auftreten von Autoantikörpern weniger Bakterien, die kurzkettige Fettsäuren produzieren, im Darm nachweisbar sind. Die vorliegende Studie bestätigt ältere Befunde. Bei Säuglingen, die später Typ-1-Diabetes entwickelten, waren weniger Butyrat-produzierenden Bakterien (Anaerostipes, Flavonifractor, Ruminococcaceae UBA1819 und Eubacterium) nachweisbar. Ebenso war die Pyruvat-Fermentation bei jenen Säuglingen geringer. Aus Pyruvat entstehen im Stoffwechsel weitere Fettsäuren.

Koautor Dr. Eric Triplett von der University of Florida sagt: „Autoimmunprozesse beginnen in der Regel lange, bevor klinische Symptome auftreten, was zeigt, dass Unterschiede in der Zusammensetzung des Darmmikrobioms von Säuglingen ein wichtiges Licht auf die komplexe Interaktion zwischen dem sich entwickelnden Immunsystem, Umwelteinflüssen in der Kindheit und Autoimmunität werfen könnten.“

Wie geht es weiter? „Um festzustellen, welches die wichtigsten Biomarker sind und wie effektiv sie Krankheiten vorhersagen können, sind Studien mit viel größeren Kohorten von prospektiv untersuchten Personen erforderlich“, sagt Triplett.

Der Beitrag erschien in der deutschen Übersetzung auf Medscape.de.

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