
Bauchmigräne bei Kindern: Häufig übersehen
Klagen Kinder immer wieder über Bauchschmerzen, ohne dass eine klare Ursache gefunden wird, sollte auch eine „abdominelle Migräne“ in Betracht gezogen werden. Die Erkrankung ist häufiger als allgemein gedacht und wird leicht übersehen.1,2
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Autorin: Maria Weiß | Redaktion: Dr. Nina Mörsch
An die „Bauchmigräne“ sollte man vor allem bei periodischen Bauchschmerzen ohne Fieber und mit völlig symptomfreien Intervallen zwischen den Episoden denken. Sie tritt vor allem bei Kindern zwischen 3 und 10 Jahren auf, mit einem Häufigkeitsgipfel mit 5 und mit 10 Jahren.
Bei Erwachsenen kann die abdominelle Migräne auch vorkommen, ist aber extrem selten und nur in Kasuistiken beschrieben. Von den Kindern sind dagegen nach Angaben des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte 1 - 4 % betroffen, nach Berichten aus den USA sogar bis zu 9 %. Man findet einen engen Zusammenhang mit Migränekopfschmerz, der bei den Kindern mit Bauchmigräne oft bereits zusätzlich vorliegt oder sich im späteren Leben einstellt. Auch Familienmitglieder sind gehäuft von Migräne betroffen. Die Prognose der abdominellen Migräne ist im Prinzip günstig: Es treten im Verlauf keine neurologischen Defizite oder Entwicklungsstörungen auf und in 61 % der Fälle verlieren sich die Symptome im Verlauf von 8 -10 Jahren.
Die Diagnose ist nicht immer einfach – zumal sich die Symptome mit anderen funktionellen Magen-Darm-Störungen wie Reizdarmsyndrom oder funktioneller Dyspepsie überlappen.. Durch die Anwendung klarer Diagnosekriterien wird die Diagnose vereinfacht. Solche Kriterien stehen sowohl von der Internation Headache Society (ICH3-Kriterien) als auch im Rahmen von Rom-IV (Rom-IV-Kriterien zur Verfügung), die sich allerdings etwas unterscheiden.
Klare Diagnosekriterien anwenden
Die Neurologin Dr. Heather Angus-Leppan vom University College London und ihr Team haben 2018 einen pragmatischen Mix der beiden Kriterien zusammengestellt, der es auch Allgemeinmedizinern und Kinderärzten einfacher machen soll, zumindest die Verdachtsdiagnose einer abdominellen Migräne zustellen. Dazu gehören:
- episodische zentrale Bauchschmerzen, die normalerweise mehr als eine Stunde anhalten
- während der Schmerzattacken keine normale Aktivität möglich
- mindestens eines der folgenden Begleitsymptome: Blässe, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Lichtscheu, Kopfschmerzen – oder Assoziation mit anderen episodischen Syndromen (vor allem zyklisches Erbrechen und Migräne-Gliederschmerzen)
- unauffällige körperliche Untersuchung und normaler Entwicklungsstand
- Wohlbefinden zwischen den Schmerzepisoden.
Dabei sollten sogenannte „Red Flags“ wie Fieber, Polyurie, Dysurie lokalisierter Schmerz mit Abwehrspannung, Dysphagie, Entwicklungsstörungen, Diarrhoe, Erbrechen von Galle oder Blut und Änderungen der Stuhlgewohnheiten ausgeschlossen sein. Hier müssen immer andere Erkrankungen abgeklärt werden.
Trigger ähnlich wie bei Migränekopfschmerz
Wie der Migränekopfschmerz kann auch die Bauchmigräne durch verschiedene Trigger ausgelöst werden. Dazu gehören z.B. Stress, Schlafmangel, Reisen, verpasste Mahlzeiten, Veränderungen in der täglichen Routine oder helles flackerndes Licht. Photophobie und depressive Verstimmung können Vorboten einer Attacke sein.
Therapie der abdominellen Migräne
Das Management der Bauchmigräne ähnelt der Behandlung des Migränekopfschmerzes:
- Aufklärung und Schulung von Patienten und Angehörigen (Vermeidung von Triggern, regelmäßiger Lebensstil)
Im Akutanfall:
- Ruhen in einem abgedunkelten, stillen Raum
- einfache Analgetika wie Paracetamol (15 mg/kg) oder Ibuprofen (10 mg/kg)
- Sumatriptan (10 mg intranasal)
Durch solche einfachen Maßnahmen lassen sich mehr als 80 % der akuten Anfälle unterbrechen.
Bei mehr als zwei Attacken pro Monat oder schwerer Beeinträchtigung trotz der Akutbehandlung empfehlen Angus-Leppan und Koautoren an erster Stelle eine medikamentöse Prophylaxe mit dem Serotonin-Antagonisten Pizotifen, der aber in Deutschland nicht verfügbar ist.
Alternativen im ambulanten Bereich sind der Betablocker Propranolol, das Antihistaminikum Cyproheptadin oder der Calciumkanalblocker Flunarazin. Die Evidenz für diese Medikamente ist aber für diese Indikation sehr begrenzt und der Einsatz wäre off-label.
Die Wirksamkeit von Eliminationsdiäten bei abdomineller Migräne ist nicht belegt – man weiß nur, dass längeres Fasten, Dehydratation, stark Amin- oder Mononatriumglutamat-haltige oder mit Geschmacks- und Farbstoffen versehene Lebensmittel ungünstig zu sein scheint. In einer kleineren Studie mit 77 Patienten wurde von einem günstigen Einfluss einer oligoantigenen Diät berichtet.