Frühkindliche Atemwegsinfektionen steigern Sterberisiko im höheren Lebensalter
Kinder, die in den ersten Lebensjahren eine Bronchitis oder Pneumonie entwickelt haben, scheinen in höherem Lebensalter eine besondere Anfälligkeit für tödlich endende Atemwegserkrankungen zu haben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Kohortenstudie aus Großbritannien, die schon 1946 begonnen hat.1
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Autorin: Maria Weiß, Redaktion: Dr. Nina Mörsch
Die frühe Kindheit gilt schon lange als kritische Phase für die Lungenentwicklung. Tiefe Atemwegsinfektionen im Säuglings- und Kleinkindalter können diese Entwicklung offensichtlich stören, was schon früher mit vermehrten Atemwegserkrankungen wie Asthma und COPD im Erwachsenenalter in Zusammenhang gebracht wurde.
Die Arbeitsgruppe um James Allinson vom Imperial College London ist diesem Zusammenhang jetzt genauer nachgegangen. Dazu nutzte sie die prospektiven Daten des National Survey of Health and Development“ (NSHD), das anfangs 5.362 Kinder umfasste, die in einer Märzwoche im Jahr 1946 in England, Schottland oder Wales geboren wurde. Die Kohorte wird lebenslang nachverfolgt, der letzte Kontakt erfolgte im Alter von 73 Jahren.
Als die Kinder zwei Jahre alt waren, wurden die Eltern gefragt, ob ihr Kind schon einmal an einer Bronchitis oder Lungenentzündung erkrankt war. Dies wurde für 913 Kinder (25 %) bejaht – nicht ungewöhnlich für die Nachkriegszeit und Vor-Antibiotika-Ära.
Häufigste Todesursache: COPD
3.589 Teilnehmer konnten bis zum Alter von 26 Jahren nachverfolgt werden. Von diesen verstarben nach dem Sterberegister 674 bis zum 73. Lebensjahr. 52 dieser vorzeitigen Todesfälle (8 %) wurden durch Lungenerkrankungen verursacht. Die häufigste Todesursache war hier COPD (60 %), gefolgt von akuten Atemweginfektionen (13 %), interstitiellen Lungenerkrankungen (8 %), Asthma (8 %), Bronchiektasen (6 %), externe Substanzen (4 %) und anderen Ursachen (2 %).
Die Autorinnen und Autoren setzten dann die frühzeitigen Todesfälle aufgrund von Lungenerkrankungen in Bezug zu Atemwegsinfektionen in der frühen Kindheit. Dabei wurden viele andere Faktoren wie sozioökonomische Situation der Familie in der Kindheit, Größe der Wohnung, Geburtsgewicht, Geschlecht, und Rauchen im Alter von 20-25 Jahren berücksichtigt.
Mehr Todesfälle durch respiratorische Erkrankungen
Das Ergebnis: Diejenigen mit einer Atemwegsinfektion vor dem zweiten Lebensjahr hatten im Vergleich zu Personen ohne kindliche Atemwegsinfektion ein fast doppelt so hohes Risiko, als Erwachsener an einer respiratorischen Erkrankung zu versterben (Hazard Ration1,93). Personen, die drei oder mehr Atemwegsinfektionen in der Kindheit hatten, verstarben später fast dreimal häufiger an Atemwegserkrankungen (HR 2,87). Traten die Atemwegserkrankungen bereits im ersten Lebensjahr auf, betrug die Hazard-Ratio 2,12, war eine stationäre Behandlung aufgrund der Atemwegsinfektion erforderlich, sogar bei 4,35. Zum Vergleich: Rauchen im Alter zwischen 20 und 25 Jahren erhöhte das Risiko um den Faktor 3,73. Weitere potenzielle Risikofaktoren für tödliche Lungenerkrankungen im Erwachsenenalter waren ein manueller Beruf des Vaters (HR 1,54) und enge Wohnverhältnisse mit mehr als einer Person pro Zimmer (HR 1,58).
Die Forschenden berechneten, dass untere Atemwegsinfekte in den ersten beiden Lebensjahren in Großbritannien für 20,4 % aller vorzeitigen Todesfälle durch respiratorische Erkrankungen verantwortlich sein könnten. In Zahlen wären dies hochgerechnet für England und Wales 179.188 Todesfälle in den Jahren 1972 bis 2019. Im gleichen Zeitraum wurden 57,7 % der respiratorischen Todesfälle auf das Rauchen zurückgeführt, dies würde 507.223 Todesfällen entsprechen.
Limitationen der Studie
Wie bei jeder Beobachtungsstudie gibt es auch hier Limitationen, da einige Einflussfaktoren wie z.B. Rauchen der Eltern oder Frühgeburtlichkeit nicht berücksichtigt wurden. Zudem haben sich die Lebensverhältnisse in Großbritannien seit 1946 stark verändert, sodass die Ergebnisse nicht unbedingt auf die heutige Zeit übertragbar sind.
Die Daten machen aber deutlich, dass die Prävention von späteren Lungenerkrankungen schon im Kindesalter einsetzen sollte. Welchen Beitrag hier z.B. eine RSV-Impfung leisten könnte, ist noch unklar. Auch die mögliche Rolle des Darm-Mikrobioms sollte in diesem Zusammenhang weiter untersucht werden.