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Onkologie kompakt

07. Sep. 2023
Nur Sigmoidoskopie rettet Menschenleben

6 Screeningverfahren auf dem Prüfstand

Mit einem Krebs-Screening hofft man, durch eine frühere Diagnose und Therapie Krebstodesfälle zu verhindern. Allerdings ist bei den meisten angebotenen Screeninguntersuchungen nach einer norwegischen Studie kein Gewinn an Lebenszeit zu erwarten – Ausnahme scheint die Sigmoidoskopie zur Früherkennung des Kolonkarzinoms zu sein.1

Lesedauer: ca. 3 Minuten

Frau bei der Mammographie
Was bringt die Mammographie? (Getty Images / gorodenkoff)

Autorin: Maria Weiß | Redaktion: Christoph Renninger

Screenings und Gewinn an Lebenszeit

Das Team um Dr. Michael Bretthauer von der Universität Oslo hat in einer Metaanalyse für sechs gängige Screeningverfahren die mögliche Lebenszeitverlängerung ermittelt. Dazu analysieren sie die Daten von über 2 Millionen Menschen, die an randomisierten Studien teilgenommen haben, in denen Gesamtmortalität und geschätzter Lebenszeitgewinn von Screeningteilnehmern und Nicht-Teilnehmern verglichen wurden.

Folgende Screeninguntersuchungen standen auf dem Prüfstand:

  • Brustkrebs: Mammographie
  • Kolorektalkarzinom: Koloskopie
  • Kolorektalkarzinom: Sigmoidoskopie
  • Kolorektalkarzinom: Untersuchung auf okkultes Blut im Stuhl (FOBT)
  • Lungenkrebs: CT-Screening bei (Ex)-Rauchern
  • Prostatakrebs: Prostata-spezifischer (PSA)- Antigentest

Die Nachbeobachtungszeiten betrugen für das CT-Screening, den PSA-Test und die Koloskopie 10 Jahre, für die Mammographie 13 Jahre und für die Sigmoidoskopie und den FOBT 15 Jahre.

Nur Darmkrebsvorsorge mit Zugewinn

Die einzige der 6 Screeninguntersuchungen bei der ein signifikanter Lebenszeitgewinn beobachtet wurde, war die Sigmoidoskopie mit einem Zugewinn von im Mittel 110 Tagen. Für die Mammographie und das FOBT-Screening war überhaupt kein Gewinn an Lebenszeit zu verzeichnen, für die Koloskopie und das PSA-Screening jeweils 37 Tage.

Für das Lungenkrebs-Screening bei (Ex)-Rauchern wurde ein Plus an 107 Tagen ermittelt, was aber wegen der breiten Streuung keine Signifikanz erreichte. Zum Vergleich: Bariatrische Operationen zur Vorbeugung Adipositas-assoziierter Erkrankungen gehen mit einem Lebenszeitgewinn von drei Jahren innerhalb einer Nachbeobachtungszeit von 24 Jahren einher.

Warum die Sigmoidoskopie deutlich besser abschneidet als die Koloskopie, die den Blick auf das Colon sigmoideum miteinschließt, erscheint auf den ersten Blick unlogisch. Dies könnte aber einfach daran liegen, dass nur eine Studie zur Koloskopie und vier zur Sigmoidoskopie vorlagen, schreiben die Autoren.

Geplant ist ein Update der Analyse, wenn mehr Evidenz zur Koloskopie zur Verfügung steht. Sie geben auch zu bedenken, dass die Nachbeobachtungszeit mit 10-15 Jahren für alle Screeningverfahren möglicherweise zu kurz war, um einen Benefit des Screenings zu erkennen – insbesondere, wenn es sich um regelmäßig wiederholte Screeningverfahren handelt.

Vorsicht bei Schlussfolgerungen

Auch wenn die Metanalyse zu dem Schluss kommt, dass sich mit den meisten Krebs-Screeninguntersuchungen keine Menschenleben retten lassen, sollte man diese nicht pauschal aufgeben, so die Autoren. Ein erreichbarer Benefit muss aber sorgsam gegen einen möglichen Schaden z.B. durch das Verfahren selbst oder eine Überdiagnostik abgewogen werden.

In einem Kommentar für Medscape sieht Dr. F. Perry Wilson, Yale School of Medicine, die Meta-Analyse kritisch.² Er betont, dass die Interpretation von Meta-Analysen generell schwierig sei, da alle ein- und ausgeschlossenen Studien methodisch analysiert werden müssten.

Um eine solche starke Aussage zu treffen, dass Krebsscreenings keine Auswirkungen auf das Überleben hätten, müssen seiner Ansicht nach klare und strenge Kriterien bei der Studienauswahl gelten. Da der JAMA-Artikel Konsequenzen für die öffentliche Gesundheitsfürsorge haben könnte, lohnt sich der Blick, welche Studien in der Metaanalyse betrachtet worden sind.

Hierbei zeigt sich, dass die meisten Studien sich mit Darmkrebs beschäftigten und möglicherweise auch deshalb hierfür ein positives Ergebnis vorlag. Hingegen befassten sich nur zwei Studien mit der Mammographie. Die Ergebnisse sollten also mit Vorsicht betrachtet werden.

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