"Viel hilft viel?" Die richtige Dosis in der Krebstherapie
In klinischen Studien wird zunächst die maximal tolerierbare Dosis ermittelt. Doch wären andere Dosierung in der alltäglichen Anwendung sinnvoller? Dieser Frage widmete sich der Vortrag von Dr. Norbert Marschner, Freiburg, auf dem OnkoRat 2023.1
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Autor: Christoph Renninger
Studienergebnisse nur eingeschränkt übertragbar
In den frühen Phasen klinischer Studien wird zur Abschätzung des Toxizitätsprofils die maximal tolerierbare Dosis (MTD) definiert. Marschner stellte die Frage, warum, gerade bei biologisch aktiven Substanzen, nicht die optimale biologische Dosis (OBD) geprüft werde. Die in Phase I + II identifizierte Dosis wird in Phase III mit der Standardtherapie verglichen. Aufgrund der Ein- und Ausschlusskriterien allerdings meist bei einem Kollektiv, dass nicht das typische Patientenkollektiv im Behandlungsalltag widerspiegelt.
Nach der Zulassung steht Onkologinnen und Onkologen zwar ein neues Medikament zur Verfügung, doch wie kann es angewendet werden? In der Praxis könnten bis zu 80% der Patientinnen und Patienten nicht an Phase I-III-Studien teilnehmen, etwa aufgrund von Komorbiditäten. Die Dosierungsempfehlungen sollten strukturiert in der Routineversorgung hinterfragt werden, so Marschner.
Dosisreduktion muss kein Nachteil sein
Dass eine angepasste Dosierung sich für die behandelten Personen positiv auswirken kann, zeigten verschiedene Beispiele. In einer Real-World-Studie zum Einsatz des EGFR-Inhibitors Afatinib beim NSCLC wurde bei 86,5% der Patientinnen und Patienten die Dosis angepasst. Dies führte zu weniger und geringer ausgeprägten Nebenwirkungen, ohne dabei die Effektivität zu beeinträchtigen.² In einer weiteren Studie mit dem EGFR-Inhibitor Dacomitinib hatten die 66,5% Patientinnen und Patienten mit einer Dosisanpassung sogar ein besseres Gesamtüberleben.3
Auch bei Brustkrebspatientinnen, die mit dem CDK4/6-Inhibitor Ribociclib behandelt wurden, ging eine Dosisreduktion mit einem höheren klinischen Benefit und einer geringeren Progressionsrate einher.4 Der modifizierte Dosierungsbereich ist besser tolerabel und macht einen Medikamentenwechsel seltener notwendig.
Ziel: Die Dosierung optimieren
Marschner fasst zusammen, dass durch eine angepasste Dosierung die Therapiedauer sogar länger ist, da weniger Nebenwirkungen auftreten und die Lebensqualität besser ist. Die kumulative Dosis des Präparats ist im Vergleich zur empfohlenen Dosis möglicherweise ebenfalls höher. Schwere Nebenwirkungen können hierbei als Biomarker für eine Überdosierung dienen.
Die Bedeutung der optimalen Dosierung bei der Behandlung onkologischer Erkrankungen wurde erst zu Beginn dieses Jahres auch von der FDA betont.5 Für viele Medikamente, gerade Biologika, liegen hierzu noch keine ausreichenden Informationen vor. Ziel sollte es sein, die optimale Dosis während der klinischen Entwicklung herauszufinden, noch vor dem Antrag auf eine Zulassung.
Zur Findung der optimalen biologischen Dosis, die oft um >25-30% tiefer liegt als die MTD, stehen verschiedene „Biomarker“ zur Verfügung, wie Alter, Geschlecht und Komorbiditäten, ebenso die Toxizität und die Lebensqualität. Aus seiner eigenen Erfahrung berichtet Marschner, dass er generell eine geringere Dosis einsetzt als in der Fachinformation beschrieben. Es handele sich zwar um einen Off-Label-Einsatz, die Ergebnisse sprechen jedoch für sich. Besonders wichtig ist es, den Patientinnen und Patienten genau zuzuhören, wenn diese über die Verträglichkeit und Effekte der Therapie berichten.