
KI in der Onkologie und Hämatologie: Was ist im Alltag schon möglich?
Künstliche Intelligenz (KI) wird derzeit überall diskutiert. In der Medizin sollte sie jedoch kein Selbstzweck sein, sondern Unterstützung im Alltag bieten. Welche Anwendungen in der Hämatologie bereits möglich sind, berichtete Dr. Claudia Haferlach, München, auf der DGHO-Jahrestagung.1
Lesedauer: ca. 3 Minuten

Autor: Christoph Renninger
KI-Anwendungen in der Hämatologie
Bei der Nutzung von KI sollten auch in der Hämatologie und Onkologie die richtigen Fragestellungen ausgewählt werden, bei denen KI-Werkzeuge eine Hilfe sein können. Hierfür ist eine genaue Beschreibung des Ziels notwendig. Mit Unterstützung von KI-Experten kann dann ein Modell erstellt und getestet werden. Vor der Validierung soll festgelegt werden, was der Goldstandard in diesem Bereich ist und gegen diesen verglichen werden.
Mögliche Einsatzgebiete für KI im Alltag einer Hämatologin gibt es viele, so Haferlach. In einigen kommt sie bereits auch schon zum Einsatz. Dazu zählen:
- Diagnostik
- Prognose-Einschätzung
- Therapie-Planung
- Therapie-Überwachung
- Unterstützung bei klinischen Entscheidungen
- Automatisierung administrativer Prozesse
Chromosomenanalyse mit KI-Hilfe


Als Beispiel für die Erleichterung des Alltags in der Diagnostik führte Haferlach die Chromosomenanalyse an. Hierbei müssen mindestens 20 Karyogramme ausgewertet werden. Für die Sortierung und Analyse der Metaphasen-Chromosomen benötigt eine gut ausgebildete Fachkraft 2-3 Minuten. Es handelt sich also um eine zeitaufwändige Auswertung.
Die KI-Systeme in der Bilderkennung besonders weit entwickelt ist, können diese für eine solche Aufgabe gut genutzt werden. Das System extrahiert Merkmale und klassifiziert sie anschließend. Zur Klassifikation wurden 100.000 manuell sortierte Karyogramme zum Training in ein Deep Neuronal Network (DNN) gegeben.
Dieses Training dauerte 16 Tage und anschließend konnte die KI bei 500 neuen Karyogrammen 98,6% aller Chromosomen korrekt erkennen. Im Karyogramm waren diese zu 73,8% korrekt angeordnet, bei 20% waren nur zwei Chromosomen vertauscht, häufig Chromosom 4 und 5 oder 14 und 15, da diese sich sehr ähneln.
Nach einer siebenmonatigen Entwicklungs- und Testzeit wird das KI-Modell in der Routinearbeit genutzt und führt zu einem enormen Zeitgewinn (10 Sekunden Erstellung und 20 Sekunden Überprüfung durch Person mit Expertise).
Auch im Vergleich mit einer 24-Farben-FISH war das System sehr gut. Zumindest dann, wenn die Qualität der Metaphase-Chromosomen der aus den Trainingssets entsprach. Niedrigere Qualität führte zu mehr Fehlern, erschwert aber auch die manuelle Auswertung.
Numerische Veränderungen im Karyogramm (mehr oder weniger Chromosomen als normal) werden von der KI sehr gut erkannt. Andere Aberrationen müssen durch weitere Trainings erlernt werden und dadurch die Erkennung noch verbessert werden.
Weitere Einsatzgebiete der Künstlichen Intelligenz
Auch in der Analyse der Zytomorphologie hat die KI bereits Einzug in den Routine-Arbeitsvorgang erhalten. Innerhalb einer Minute wertet das System Zellen aus, die auch vom Home Office überprüft und möglicherweise korrigiert werden können. In der BELUGA-Studie („Better Leukemia diagnostics through AI“) stimmte die KI in 94% der Fälle von malignen oder auffälligen Zellen mit menschlichen Auswertenden überein.2
Auch zur Prädiktion von AML und NPM1 Mutationen werden KI-Modelle eingesetzt. Bei der Interpretationen von anderen molekulargenetischen Varianten ist die Herausforderung die finale Interpretation der Informationen aus diversen Quellen, insbesondere verschiedenen Datenbanken.3
Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Klassifizierung myeloproliferativer Neoplasien (MPN). Nach dem Training des Algorithmus mit Merkmalen der einzelnen Entitäten kann dieser anhand genetischer Daten und der Morphologie die Krankheitsbilder mit einer hohen Akkuratheit (98,3%) unterscheiden.
Was für einen erfolgreichen KI-Einsatz notwendig ist
Zum Ende ihres Vortrags auf der Jahrestagung der DGHO zählt Haferlach Faktoren auf, die notwendig sind, um KI im medizinischen Bereich erfolgreich einsetzen zu können.4
- Gut annotierte Datensätze mit hoher Qualität und ausreichender Menge
- Datenqualität und Standardisierung für zuverlässige KI-Vorhersagen
- Infrastruktur und Rechenressourcen zur Verarbeitung großer Datenmengen
- Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Data Scientists, KI-Experten und regulatorischen Behörden
- Überwachung und Verbesserung, auf dem neuesten Stand bleiben
- Ethische und gesetzliche Vorschriften einhalten
- Validierung und behördliche Zulassung, Anwendung (zunächst) parallel zum Standard
In der Medizin sei Vertrauen das wichtigste Gut, so Haferlach. Daher müssen auch beim Einsatz von KI Vertrauen und Akzeptanz geschaffen werden. Wichtig ist hierbei der Wissenstransfer über die Methoden an alle beteiligten Gruppen.