Basophile liefern wichtigen Hinweis auf Krebserkrankungen
Schaut man sich in der Praxis ein Differenzialblutbild an, fällt der Blick unweigerlich auf die großen, prominenten Fraktionen wie Leukozyten, Thrombozyten und Erythrozyten. Beim 129. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin in Wiesbaden forderte Prof. Dr. Karl-Anton Kreuzer von der Klinik I für Innere Medizin am Universitätsklinikum Köln seine Kolleginnen und Kollegen dazu auf, den Blick weiter nach unten zu lenken und sich auch die basophilen Granulozyten (Basophilen) genauer anzusehen.
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Autorin: Nadine Eckert | Redaktion: Christoph Renninger
Basophile sind selten, aber wichtig
„Auch wenn die Basophilen im normalen Blutbild so selten vertreten sind, dass man den Eindruck haben könnte, dass sie quantitativ nicht wirklich ins Gewicht fallen, ist dem nicht so“, betonte er. Treten sie zum Beispiel in zu großer Zahl auf (Basophilie), kann dies ein Hinweis auf eine maligne Erkrankung sein.
Rein physiologisch liegt die entscheidende Funktion der Basophilen nach heutigem Verständnis darin, bei einer Provokation durch Mikroorganismen oder Superantigene naive T-Zellen (TH0-Zellen) zur Differenzierung in Richtung Effektorzellen (TH2-Zellen) zu bringen.
Erst jüngst in der COVID-19-Pandemie bewies sich die funktionelle Relevanz der Basophilen: Eine große Studie mit mehr als 30.000 Teilnehmern zeigte, dass es einen Zusammenhang zwischen der Zahl der Basophilen und dem Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion gibt. „Mit abnehmender Basophilenzahl nahm die Erkrankungsschwere zu“, berichtete Kreuzer.
Aber als Laborwert kann eine zu hohe Zahl an Basophilen auch ein Hinweis auf das das Vorliegen einer malignen Erkrankung sein. „Es gibt keinen offiziellen Schwellenwert für eine Basophilie“, sagte Kreuzer. Aber in der Klinik werde ein Cut bei 100 Basophilen pro µl bzw. 2% der Leukozyten gemacht.
Nur laborkrank – oder richtig krank?
Allerdings: Liegt der Basophilenwert bei einer Basophilie unter 100/µl bzw. unter 2%, ist davon auszugehen, dass die untersuchte Person nur laborkrank ist. „In solchen Fällen ist eine reaktive Basophilie wahrscheinlicher“, so Kreuzer. Bei einem Basophilenwert über 100/µl bzw. über 2% sei der Patient dagegen „richtig krank“ und eine neoplastische Genese der Basophilie wahrscheinlicher.
Reaktive Basophilien treten zum Beispiel bei Allergien und Asthma, chronischen Entzündungen und Parasitosen auf. Bei den (para)neoplastischen Basophilien müssen dagegen myeloproliferative Neoplasien (MPNs) wie chronische myeloische Leukämie (CML), essenzielle Thrombozythämie, primäre Myelofibrose, Polycytaemia vera und maligne Lymphome ausgeschlossen werden.
Kreuzer wies darauf hin, dass die Basophilie von einer massiven neutrophilen Granulozytose (Neutrophilie) überdeckt sein kann. „Neutrophilien sind in der Regel unproblematisch, sie treten sekundär bei Infektionen, Schwangerschaft oder Nikotinabusus auf. Manchmal handelt es sich aber auch um eine primäre Neutrophilie bei MPNs.“
Ist der Patient nur laborkrank oder richtig krank?
Basopenie: laborkrank
Basophilie, isoliert: wahrscheinlich laborkrank
Basophilie und relative Neutrophilie: wahrscheinlich laborkrank
Basophilie und absolute Neutrophilie und Linksverschiebung: wahrscheinlich richtig krank
Basophilie und Bi-/Trizytopenie: wahrscheinlich richtig krank
Basophilie und Thrombozytose: wahrscheinlich richtig krank
Basophilie und Thrombose/Embolie: wahrscheinlich richtig krank
Basophilie und Polyglobulie: wahrscheinlich richtig krank
Basophilie und Blasten: richtig, richtig krank
Achten Sie auf die Linksverschiebung im Differenzialblutbild
„Im Rahmen der Neutrophilie muss man immer aufs Differenzialblutbild schauen und die Frage beantworten, ob eine pathologische Linksverschiebung vorliegt“, sagte Kreuzer. Als Linksverschiebung im Differenzialblutbild bezeichnet man das vermehrte Auftreten von unreifen neutrophilen Granulozyten bzw. Granulozyten-Vorstufen.
Pathologisch sei eine Linksverschiebung, so Kreuzer, wenn im peripheren Blut unreife Vorläuferzellen, insbesondere Myeloblasten und Promyelozyten, zu sehen seien. Alles andere (Myelozyten, Metamyelozyten, stabkernige Granulozyten, segmentierte Neutrophile) sei noch als reaktive Linksverschiebung einzustufen.
Es hat sich gezeigt, dass Basophilie und Neutrophilie zusammengenommen von besonders hohem prädiktivem Wert sind. „Bei Patienten, die auf eine CML getestet wurden, waren 10 von 16 Patienten mit einer Basophilie und 10 von 62 Patienten mit einer Neutrophilie BCR-ABL-positiv“, berichtete Kreuzer. Das Philadelphia-Chromosom mit der BCR-ABL-Genfusion definiert diese Form der Leukämie.
„Kombiniert man beides, erhält man eine praktisch 100%ige Sensitivität und Spezifität für CML, und auch eine 100%ige Vorhersagbarkeit, dass keine CML vorliegt“, ergänzte er.
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Hohe prognostische Bedeutung der Basophilie
Die prognostische Bedeutung der Basophilie zeigte sich auch in einer 2020 im American Journal of Hematology veröffentlichten Studie: Exakt die Hälfte der zur BCR-ABL-Diagnostik wegen Basophilie überwiesenen Patienten hatte eine MPN. Weitere 5% hatten eine andere Neoplasie, die nicht zu den klassischen MPNs zählt (z.B. akute lymphatische Leukämie, solider Tumor). Die restlichen 45% der Basophilien hatten verschiedene reaktive Ursachen.
„Der Anteil maligner Neoplasien bei Patienten, die eine Basophilie zeigen, ist somit enorm hoch“, sagte Kreuzer, was allerdings nicht wirklich verwunderlich gewesen sei: „Wir wissen, dass die absolute Basophilenzahl eine überragende prognostische Bedeutung hat, auch noch heute im Zeitalter der Tyrosinkinase-Inhibitoren.“
Was tun bei einer Basophilie?
Wie also vorgehen bei einer Basophilie? „Der erste Schritt ist immer die Untersuchung des peripheren Bluts, das mikroskopische Differenzialblutbild“, so Kreuzer. Zur Abgrenzung gegen eine allergische Genese der Basophilie werde außerdem das Serum-IgE bestimmt und zur Abgrenzung gegen die verwandte Mastozytose die Tryptase. Darüber hinaus gebe es eine Reihe von Mutationsanalysen, die alle MPNs abdeckten (z.B. BCR-ABL1, JAK2, CALR, MPL, KIT-Mutation).
„Häufig erlaubt dieses Vorgehen bereits das Stellen einer vorläufigen Diagnose“, sagte Kreuzer. „Ist das nicht der Fall, muss man sich das Knochenmark anschauen.“ Dafür stehen histopathologische sowie zyto- und molekulargenetische Untersuchungen zur Verfügung. Kreuzer erklärte:
- Liegt eine Myeloproliferation mit Ph1- oder BCR-ABL1-Translokation vor, dann handelt es sich um eine CML.
- Findet sich dagegen eine Myeloproliferation mit anderen klonalen Aberrationen, dann ist es eine andere MPN.
- Bestehen weder Myeloproliferation noch Aberrationen, handelt es sich um eine reaktive Basophilie.
Kreuzer wies darauf hin, dass zusätzlich zu diesem diagnostischen Algorithmus auch andere Kontextparameter eine Rolle spielten, etwa das Blutbild, die Milzgröße und die B-Symptome (Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Fieber).
Dieser Beitrag ist im Original erschienen bei Medscape.