
Ernüchternde Fakten über Alkohol und Krebs
Es ist dringend notwendig, bei Patienten das Bewusstsein für den direkten Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Krebsrisiken zu schärfen: Diese Botschaft gab Dr. Isabelle Soerjomataram von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC), Lyon, bei der Jahrestagung der European Society for Medical Oncology (ESMO) 2023 allen Ärzten mit auf den Weg. Sie sprach über Alkohol und Krebs – und über Wege der besseren Kommunikation.1
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Autorin: Megan Brooks
Bekannter Zusammenhang – fehlendes Bewusstsein bei Ärzten
„Das Bewusstsein für den Zusammenhang zwischen Alkohol und Krebs ist weltweit nach wie vor sehr gering“, erklärte Soerjomataram. „Angehörige der Gesundheitsberufe – Onkologen, Krankenschwestern, Ärzte und Allgemeinmediziner – spielen eine wichtige Rolle bei der Sensibilisierung und der Vermittlung dieses Wissens an Patienten.“ Ziel sei, den Konsum zu verringern.
Der Vorsitzende der Sitzung, Dr. Gilberto Morgan, Onkologe am Skåne University Hospital im schwedischen Lund, stimmte der Aussage zu. Angehörige der Gesundheitsberufe würden dazu neigen, ihren Einfluss auf Trinkgewohnheiten ihrer Patienten herunterzuspielen und riskanten Konsum oft nicht anzusprechen, sagte er. Doch das müsse sich ändern.
„Wir haben absolut kein Problem damit, Patienten zu fragen, ob sie Nahrungsergänzungsmittel oder Vitamine einnehmen oder ob sie sich [gesund] ernähren“, sagte Morgan. „Wo liegt also der Unterschied? Warum empfehlen wir ihnen nicht, ihren Alkoholkonsum zu verringern, und überlassen es jedem selbst, ob er das tut oder nicht?“
Alkohol – ein weltweites Problem
In der ESMO-Sitzung wies Soerjomataram auf Statistiken zum Alkoholkonsum hin. Aus IARC-Daten geht beispielsweise hervor, dass fast die Hälfte (46%) der Weltbevölkerung Alkohol konsumiert, wobei die Raten bei Männern (54%) höher sind als bei Frauen (38%).
Weltweit beläuft sich die Menge im Durchschnitt auf umgerechnet 6 Liter reines Ethanol pro Jahr und pro Konsument, sprich eine Flasche Wein pro Woche. Von Land zu Land gibt es Unterschiede. In Frankreich trinken Menschen etwa 12 Liter reinen Alkohol pro Jahr. Das sind umgerechnet etwa 2 Weinflaschen pro Woche.
Alkohol und Krebs – wie IARC-Experten Gefahren einschätzen
Soerjomataram wies auf den Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Krebs hin:
- Nach Angaben der IARC ist starker Alkoholkonsum – definiert als mehr als 60 g pro Tag oder etwa 6 Getränke pro Tag – für 47% der auf Alkohol zurückzuführenden Krebserkrankungen verantwortlich.
- Auf riskanten Alkoholkonsum – zwischen 20 und 60 g pro Tag – entfallen 29%.
- Während mäßiger Alkoholkonsum – weniger als 20 g pro Tag oder etwa 2 Getränke pro Tag – für etwa 14% aller durch Alkohol verursachten Krebsfälle verantwortlich ist.
Laut einer Analyse des IARC war Alkoholkonsum weltweit für 4% aller im Jahr 2020 diagnostizierten Krebserkrankungen verantwortlich. „Allein im Vereinigten Königreich verursachte Alkoholkonsum im Jahr 2020 fast 17.000 Krebsfälle“, so Soerjomataram. Bei jeder 4. Krebs-Neuerkrankung handele es sich um Brustkrebs, sagt sie.
Neben Brustkrebs können 6 weitere Krebsarten – Mundhöhlen-, Rachen-, Kehlkopf-, Speiseröhren-, Darm- und Leberkrebs – auf Alkoholkonsum zurückgeführt werden. Es gibt Hinweise, dass dies auch für Magen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs gilt.
Die gute Nachricht sei laut Soerjomataram, dass sich langfristig ein Rückgang des Alkoholkonsums in vielen Ländern abzeichne. Das gelte selbst für Länder mit hohem Weinkonsum wie Frankreich und Italien, wo seit dem Maximum des Konsums in den 1920er-Jahren ein starker Rückgang zu verzeichnen sei. „Wenn es in diesen Ländern möglich ist, kann ich mir vorstellen, dass es auch anderswo gelingen kann“, sagte Soerjomataram.
5 Fragen zu Alkohol und Krebs: Testen Sie Ihr Wissen
Der Beitrag ist im Original erschienen auf www.medscape.com .