Lothar Wieler verlässt Robert Koch-Institut
Mit Lothar Wieler legt eines der Gesichter der Corona-Pandemie sein Amt als Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI) nieder. Er verlasst das RKI auf eigenen Wunsch zum 1. April, wie das Bundesgesundheitsministerium und das RKI am Mittwoch gemeinsam mitteilten.
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Es waren drei herausfordernde Corona-Jahre für Lothar Wieler und das Robert Koch-Institut (RKI): Nun kündigt der RKI-Präsident seinen Abschied von dem Posten an. Wieler verlasse die zentrale Einrichtung für öffentliche Gesundheit des Bundes auf eigenen Wunsch zum 1. April. Das teilten das Bundesgesundheitsministerium und das RKI am Mittwoch gemeinsam mit. Demnach will sich Wieler „neuen Aufgaben in Forschung und Lehre“ widmen. Der Schritt sei in Einvernehmen mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erfolgt, hieß es.
Bevor der heute 61-Jährige im März 2015 RKI-Präsident wurde, forschte und lehrte er als Professor für Mikrobiologie und Tierseuchenlehre an der Freien Universität Berlin. Über einige Jahre war er dort auch Prodekan für die Forschung am Fachbereich Veterinärmedizin. Vergangenes Jahr verlieh ihm die Tierärztliche Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München die Ehrendoktorwürde. Zuvor hatte er eine solche Auszeichnung schon von der Tierärztlichen Hochschule Hannover und der Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich erhalten.
Lobende Worte von Lauterbach
„Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm habe ich über all die Jahre sehr geschätzt“, sagte der Minister laut Mitteilung. „Ohne Prof. Wieler wäre Deutschland deutlich schlechter durch diese Pandemie gekommen. Dafür möchte ich mich auch im Namen der gesamten Bundesregierung ganz herzlich bedanken.“ Wieler habe bei der Bewältigung der Pandemie „für das Land bleibende und herausragende Verdienste erworben“.
„Es war ein Privileg, in dieser Krise an exponierter Position zusammen mit einem motivierten Team hervorragender Expertinnen und Experten arbeiten zu dürfen“, sagte Wieler laut Mitteilung. Er dankte den RKI-Mitarbeitern für ihren „außergewöhnlichen Einsatz“ und ebenso den Gesundheitsministern, mit denen er habe zusammenarbeiten dürfen. Wieler war in der Corona-Pandemie eine zentrale Figur. Insbesondere zu Beginn informierte er regelmäßig bei Pressekonferenzen über die Entwicklung - stets im Anzug referierte er etwa die Infektionszahlen. Zuletzt trat der 61-Jährige seltener öffentlich in Erscheinung.
Wieler und RKI während Pandemie wiederholt unter politischem Druck
Für die Politik war er einer der wichtigsten Berater in Pandemiefragen. Für einige Gegner von Corona-Maßnahmen wurde er unterdessen zum Feindbild - ähnlich wie andere Wissenschaftler, die einen vorsichtigen Kurs im Umgang mit Sars-CoV-2 vertraten. Den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte Wieler im Oktober 2021, auch Morddrohungen hielten ihn nicht von seiner Arbeit ab. „Das Risiko hält mich aber nicht ab von meiner Pflicht. Solange ich Beamter dieses Staates bin, werde ich ihm verantwortungsvoll dienen.“
Das RKI gehört zum Geschäftsbereich des Bundesgesundheitsministeriums. Diese Struktur war teils auch kritisiert worden. Wiederholt gerieten Wieler und das RKI unter politischen Druck und bekamen Kritik. Auch die Aussagekraft der vom RKI angegebenen Pandemie-Daten wurde immer wieder diskutiert.
„Kommunikationsproblem“ zwischen dem RKI und Bundesgesundheitsministerium
Zum Verhältnis von Wieler und Lauterbach gab es immer wieder Spekulationen. In der Diskussion um die Verkürzung des Genesenenstatus Anfang 2022 hatte der Minister von einem „Kommunikationsproblem“ zwischen dem RKI und seinem Hause gesprochen.
Es ging damals darum, dass diese Änderung durch das RKI vorher nicht angekündigt worden war. Viele Bürger verloren quasi über Nacht ihr Recht, in Restaurants, Bars oder in Fitnessstudios zu gehen. Zuvor hatte es auch vor Bund-Länder-Beratungen zu Corona-Maßnahmen Kritik am RKI-Kommunikationsstil gegeben.
Gegner der Corona-Regeln sahen in Wieler ein rotes Tuch und warfen ihm regelmäßig vor, als Tiermediziner angeblich nicht geeignet zu sein, über Maßnahmen zum Infektionsschutz zu bestimmen. Allerdings stützen sich die gesundheitspolitischen Entscheidungen des RKI nicht auf einzelne Köpfe, sondern auf diverse Quellen und unterschiedliche wissenschaftliche Erkenntnisse.
FDP fordert künftige eine Stärkung des RKI
Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Andrew Ullmann, bezeichnete Wielers Rückzug als „überraschend“. „Für ihn war es auch nicht immer einfach, vor allem die persönlichen Angriffe“, teilte er mit. Gleichzeitig forderte Ullmann eine Stärkung des RKI in der Zukunft. Der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Tino Sorge, lobte Wieler im „Handelsblatt“ als „kritikoffenen und diskussionsfreudigen Gesprächspartner“. Der RKI-Chef stehe für eine wissenschafts- und faktenbasierte Pandemiepolitik.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) würdigte Wielers Expertise und Führungsqualitäten während der Corona-Pandemie. „Seine Einschätzungen waren ein wichtiger Kompass in Zeiten, in denen Politik, Gesellschaft und Wirtschaft Orientierung gesucht haben und schnell gehandelt werden musste“, sagte der CSU-Politiker. „Herr Wieler hat mit Expertise, Besonnenheit und großem Engagement dazu beigetragen, Deutschland durch eine schwere Gesundheitskrise zu führen. Dafür gebührt ihm aufrichtiger Dank.“
Details zu den Zukunftsplänen Wielers wurden nicht genannt. Für eine Übergangszeit werde sein Stellvertreter Lars Schaade den Posten übernehmen, hieß es. Auf Twitter verwendete das RKI das Stichwort #DankeWieler - zahlreiche weitere Nutzer schlossen sich im Laufe des Nachmittages an.
1. dpa; 11.01.2023: Lothar Wieler verlässt Robert Koch-Institut.
2. Wnisch, Mona; Gross, Gisela: Nach drei Corona-Jahren: RKI-Chef Lothar Wieler geh. dpa; 11.01.2023
3. dpa; 11.01.2023: Lothar Wieler: der RKI-Chef als zentrale Figur der Corona-Pandemie.
4. dpa; 12.01.2023: Kritik aus Bayern an Lauterbachs Umgang mit Wieler.