Aktueller Bericht zu Nebenwirkungen veröffentlicht

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat einen aktuellen Bericht über die aus Deutschland gemeldeten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen im zeitlichen Zusammenhang mit der Covid-19-Impfung vorgelegt.
Lesedauer: ca. 5 Minuten
Meldungen zu allen vier Impfstoffen
Der aktuelle Bericht bezieht sich auf die Impfungen mit den mRNA-Impfstoffen Comirnaty (BioNTech Manufacturing GmbH) und Spikevax (MODERNA BIOTECH SPAIN, S.L.) sowie den Vektor-Impfstoffen Vaxzevria (AstraZeneca AB) und Janssen zum Schutz vor Covid-19 von Beginn der Impfkampagne am 27.12.2020 bis zum 30.11.2021.
Bis zum 30.11.2021 wurden laut Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) 123.347.849 Impfungen durchgeführt, davon 96.606.131 Impfungen mit Comirnaty, 10.576.131 Impfungen mit Spikevax, 12.703.030 Impfungen mit Vaxzevria und 3.462.557 Impfungen mit COVID-19 Vaccine Janssen.
113.792 Verdachtsfälle wurden nach Impfung mit Comirnaty gemeldet, 28.289 Verdachtsfälle nach Spikevax, 46.325 Verdachtsfälle nach Vaxzevria und 7.758 Meldungen nach COVID-19 Vaccine Janssen. In 810 gemeldeten Verdachtsfällen wurde der Covid-19-Impfstoff nicht spezifiziert.
Die Melderate betrug für alle Impfstoffe zusammen 1,6 Meldungen pro 1.000 Impfdosen, für schwerwiegende Reaktionen 0,2 Meldungen pro 1.000 Impfdosen.
Myokarditis und Perikarditis
Zu den bekannten, sehr seltenen Nebenwirkungen der mRNA-Impfstoffe zählen Myokarditis und Perikarditis. Die Daten aus vielen Ländern einschließlich Deutschland haben ein erhöhtes Risiko insbesondere bei jungen Männern nach der zweiten Dosis gezeigt, wohingegen eine dänische Studie ein leicht erhöhtes Risiko bei jüngeren Frauen gefunden hat. Typischerweise treten erste Beschwerden innerhalb von wenigen Tagen nach der Impfung auf. Die publizierten Daten zeigen sehr konsistent, dass die ganz überwiegende Mehrheit der Patienten mit einer Myo-/Perikarditis nach Impfung mit mRNA-Impfstoffen gut auf Behandlung und Ruhe ansprechen und sich schnell besser fühlen, auch wenn im Einzelfall schwerwiegendere Verläufe beobachtet wurden.
Vorläufige Sicherheitsdaten nach der Markteinführung in Deutschland und anderen Ländern deuten darauf hin, dass das Risiko einer Myo-/Perikarditis bei jüngeren Menschen nach Spikevax sehr selten, aber möglicherweise höher als nach Comirnaty ist, weshalb die Ständige Impfkommission (STIKO) vorsorglich Comirnaty für Personen < 30 Jahre empfiehlt.
Anaphylaxie
Anaphylaktische Reaktionen sind sehr selten beobachtete Komplikationen aller vier zugelassenen COVID-19-Impfstoffe. Die Melderate einer Anaphylaxie (Brighton Collaboration BC Level 1-4) beträgt in Deutschland mit Stand 30.11.2021 weniger als 1 Fall pro 100.000 Impfungen. Sie ist bei Frauen etwas höher als bei Männern und auch bei der ersten Impfdosis höher als bei den Folgeimpfungen.
Die Ergebnisse erster retrospektiver Studien weisen darauf hin, dass anaphylaktische Reaktionen mehrheitlich vermutlich nicht auf Immunglobulin-E-vermittelte allergische Sofortreaktionen zurückzuführen sind und betroffene Patienten nach allergologischer Testung zumeist risikoarm erneut geimpft werden können. Eine Studie aus den USA stellte bei Patienten mit Anaphylaxie nach erster mRNA-Impfung eine Pseudoallergie fest.
Dabei handelte es sich um nicht IgE-vermittelte Reaktionen, die als komplementaktivierungsbezogene Pseudoallergie (CARPA, complement activation-related pseudoallergy) bezeichnet werden.
Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS)
Als schwerwiegende, in einigen wenigen Fällen auch tödliche Nebenwirkung der Vektorimpfstoffe Vaxzevria und COVID-19 Vaccine Janssen wurde sehr selten ein neues Syndrom berichtet, das durch venöse und/oder arterielle Thrombosen in Kombination mit einer Thrombozytopenie (Thrombose-mit-ThrombozytopenieSyndrom, TTS) charakterisiert ist.
Die Thrombosen treten hierbei oftmals an ungewöhnlichen Lokalisationen auf, wie beispielsweise in zerebralen Hirnvenen, Milz-, Leber- oder Mesenterialvenen. Bei mehreren der betroffenen Patienten wurden hohe Konzentrationen von Antikörpern gegen Plättchenfaktor 4 (Anti-PF4- Antikörper) sowie eine starke Aktivierung von Thrombozyten in entsprechenden Gerinnungstests nachgewiesen. Dieses Muster ähnelt der “atypischen” oder “autoimmunen” Heparin-induzierten Thrombozytopenie (aHIT). Dabei scheint es sich ersten Ergebnissen zufolge um transiente Antikörper zu handeln, die bei den untersuchten Personen, die zuvor ein TTS entwickelt hatten, zumeist innerhalb von zwölf Wochen nicht mehr nachweisbar waren.
Dies ist möglicherweise auch der Grund, warum sehr viel seltener nach der zweiten als nach der ersten Impfung mit Vaxzevria ein TTS in Deutschland berichtet wurde. Ganz besonders wichtig ist die frühzeitige Diagnose und Behandlung des TTS. Verschiedenste Fachgesellschaften haben Empfehlungen zur Behandlung und Therapie des neuen Syndroms publiziert, darunter die Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH).
Guillain-Barré-Syndrom
Sehr selten können Personen, die mit Vaxzevria oder COVID-19 Vaccine Janssen geimpft wurden, ein Guillain-Barré-Syndrom (GBS) entwickeln. Die Melderate eines GBS nach Impfung mit einem Vektorimpfstoff betrug eine Meldung pro ca. 0,88 bzw. 1,89 auf 100.000 Dosen.
Thrombozytopenie und Immunthrombozytopenie (ITP)
Die Immunthrombozytopenie (ITP) ist eine Erkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise Blutzellen, sogenannte Blutplättchen, angreift, die für eine normale Blutgerinnung benötigt werden. Eine sehr niedrige Anzahl von Blutplättchen (Thrombozytopenie) kann zu Blutungen führen und schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.
Einzelfallberichte nach der Zulassung und einzelne Literaturdaten weisen auf einen Zusammenhang zwischen einer Impfung mit Vaxzevria oder COVID-19 Vaccine Janssen und dem Auftreten sehr selten berichteter Fälle von ITP hin. Die berichteten Fälle einer ITP traten zumeist innerhalb von vier Wochen nach Impfung auf.
Wenn eine Person eine ITP in der Vorgeschichte hat, sollte vor der Impfung das Risiko der Entwicklung niedriger Blutplättchenwerte bedacht werden. Nach der Impfung mit einem dieser Impfstoffe wird eine Überwachung der Blutplättchenzahl empfohlen.
Thrombose
In mehreren Studien wurde das potenzielle Thromboserisiko der Covid-19-Impfstoffe (zumeist Comirnaty und Vaxzevria) untersucht. Allerdings waren die Ergebnisse der verschiedenen Studien nicht konsistent, sodass es schwierig ist, aus den Studien eine eindeutige Aussage im Hinblick auf ein potenzielles Thromboserisiko nach Covid-19-Impfstoffen abzuleiten.
Sofern in den Studien auch SARS-CoV-2-Infektionen und das Risiko für Thrombosen untersucht worden waren, war das Risiko nach Virusinfektion stets höher als nach Impfung. Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (Pharmacovigilance Risk Assessment Committee, PRAC) bei der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA) hat auf seltene Fälle von venösen Thromboembolien (VTE) nach COVID-19 Vaccine Janssen hingewiesen.
VTE war bereits im Rahmen der Zulassung des Impfstoffs als potenzielles, weiter zu untersuchendes Signal aufgefallen, da in der großen klinischen Prüfung, die zur Zulassung von COVID-19 Vaccine Janssen führte, in der geimpften Gruppe ein höherer Anteil an VTE-Fällen beobachtet wurde als in der Placebogruppe. In einer weiteren großen klinischen Prüfung war allerdings kein Anstieg venöser thromboembolischer Ereignisse bei geimpften Personen festgestellt worden.
Ein Risikosignal wurde ebenfalls für sehr seltene Sinusvenenthrombosen ohne Thrombozytopenie nach Vaxzevria detektiert, wobei allerdings nicht ausgeschlossen werden kann, dass einzelne Fälle wegen fehlender Angaben der Thrombozytenzahl in Wirklichkeit einem TTS entsprechen.
Detaillierte Angaben mit allen Zahlen finden Sie im PEI-Sicherheitsbericht (PDF) >>
Meldeportal für Verdachtsfälle von Nebenwirkungen
Meldungen über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen nach Impfung nimmt das Paul-Ehrlich-Institut von Angehörigen der Gesundheitsberufe, dem Zulassungsinhaber sowie von Impflingen bzw.deren Angehörigen entgegen.
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