Arzt fehlte der passende Schraubendreher

Bei der Entfernung von Osteosynthesematerial in der Hand kann der operierende Arzt eine Schraube nicht lösen. Die Patientin klagt daraufhin über Folgeschäden und fordert Schmerzensgeld. Das OLG Karlsruhe stellt in einem aktuellen Urteil einen Behandlungsfehler fest. Die Ursache: die mangelnde Ausstattung des Artzes.1
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Der folgende Beitrag basiert auf dem aktuellen Urteil des OLG Karlsruhe (7 U 90/15) 1 und wird vertreten durch Alexa Frey, Fachanwältin für Medizinrecht.
Die Klägerin hatte eine distale Radiusfraktur am rechten Handgelenk erlitten, diese wurde durch den Beklagten unter Verwendung von sechs Schrauben und einer winkelstabilen Radiusplatte operativ versorgt. Nach Abheilen der Fraktur wurde in einer weiteren ambulanten Operation das Osteosynthesematerial entfernt. Dabei ließ sich die letzte der sechs Schraube nicht lösen und der Eingriff wurde daraufhin abgebrochen. Die Klägerin wurde vom Arzt informiert, dass die Schraube sowie die Radiusplatte in einer Klinik unter Vollnarkose entfernt werden müssen.
Sie machte daraufhin vor dem Landgericht Heidelberg Arzthaftungsansprüche geltend, da sie in Folge des Eingriffs an Nervenbeeinträchtigungen in der rechten Hand litt. Das Landgericht Heidelberg verurteilte den Arzt zu einem Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 EUR und zur Erstattung aller zukünftigen Schäden.
Die versäumte Entfernung der Schraube sei allerdings kein Behandlungsfehler. Hingegen wurde ein Aufklärungsfehler bejaht. Der beklagte Arzt hätte die Klägerin über das seltene Risiko bei der Entfernung des Osteosynthesematerials aufklären müssen. Die Klägerin hatte angegeben, dass sie bei Kenntnis dieses Risikos die OP von vorn herein in einer Klinik hätte durchführen lassen.
Gegen das Urteil legte der niedergelassene Arzt Berufung ein. Das Oberlandesgericht Karlsruhe kam daraufhin zu einem abweichenden Ergebnis: Ein Aufklärungsfehler konnte nicht festgestellt werden. Darüber, dass es bei der Schraubenentfernung zu einer sogenannten Kaltverschweißung oder anderweitigen Problemen kommen könne, müsse die Klägerin nicht aufgeklärt werden, da dieses Risiko sehr gering sei.
Das Gericht bejahte jedoch einen Behandlungsfehler, da es dem Arzt an der erforderlichen Ausstattung fehlte, um den Eingriff vorzunehmen. Die Problematik, dass Schrauben wegen des Verbunds mit der Winkelplatte nicht lösbar seien, war ein im Operationszeitpunkt bekanntes Problem, über das in diversen Fachmagazinen berichtet worden sei. Zur Erfüllung des Facharztstandards hätte daher zumindest ein linksdrehender Schraubendreher zur Verfügung stehen müssen. Die operierenden Ärzte müssten ein sogenanntes „Screw-Removal-Set“ mit verschiedenen Extraktionsbolzen vorhalten. Somit lag ein Verstoß gegen den Facharztstandard vor.
Durch das Fehlen des notwendigen Werkzeugs bei der Entfernung des Osteosynthesematerials wurde eine weitere Operation der Klägerin erforderlich. Weitere Gesundheitsbeeinträchtigungen konnten allerdings nicht nachgewiesen werden. Für die notwendig gewordene zweite Operation hielt das OLG daher ein Schmerzensgeld in Höhe von 500,00 EUR für angemessen. Darüber hinaus wurde der Feststellungsantrag für die Übernahme aller zukünftig materiellen Schäden abgewiesen, da bei der Klägerin keinerlei Gesundheitsbeeinträchtigungen festzustellen waren, die kausal auf den Behandlungsfehler zurückgeführt werden konnten.
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