Kunst in der Praxis: Wie machen es die Kollegen?
Siebdrucke, Skulpturen oder Selbstgemaltes – Kunst ist Geschmackssache. Wie handhaben Ärztinnen und Ärzte die Gestaltung ihrer Wartezimmer, Flure und Behandlungsräume? Und welche Empfehlungen haben sie für Kolleginnen und Kollegen? Wir haben nachgefragt.
Lesedauer: ca. 4 Minuten

Der folgende Beitrag basiert auf einer Diskussion aus dem coliquio-Forum 1. Redaktion: Nathalie Haidlauf
Auf die positive Wirkung kommt es an
Ein Anspruch, der alle verbindet, ist: die Patientinnen und Patienten sollen sich wohlfühlen. Kein Wunder, denn laut einer WHO-Analyse 2 kann Kunst die Angst vor Behandlungen nehmen und beruhigend wirken. chanice, tätig in der Gynäkologie, setzt auf Gemälde, die „schön ins Ambiente passen und gleichzeitig eine positive Ausstrahlung haben“. Dabei setzen viele bewusst auf beruhigende Kunst, wie eine psychologische Psychotherapeutin berichtet: „Viele meiner komplex traumatisierten PatientInnen stehen unter Hochspannung. Wenn Bilder, dann eher Abstraktes, Landschaften oder Tiere. Die Praxis soll ein sicherer Ort sein, der nicht triggert.“
Kunst, die das Arzt-Patienten-Verhältnis stärkt
Weit verbreitet ist auch die Methode, die Praxisräume mit Werken von Patientinnen und Patienten zu dekorieren. babydoc, niedergelassen in der Kinder- und Jugendmedizin, weiß aus eigener Erfahrung, dass das Spektrum der Hobbyarbeiten groß ist: Selbstgebasteltes, Gehäkeltes, Getöpfertes, Weihnachtsdeko – dabei geht es weniger um den ästhetischen Wert, sondern um die Wertschätzung des Geschenkes: „Wir freuen uns über die Gaben und die Künstler über das Lob. Gelegentlich gab es auch eine Rüge, weil umdekoriert wurde, und z. B. das Osterkörbchen im Herbst nicht aufgestellt war: ‚Wo ist mein Geschenk?‘“
Dabei scheint die Kreativität des Schenkenden keine Grenzen zu kennen, wie dr_knock, Innere Medizin, berichtet: „Ich hatte mal einen Kollegen, chirurgischer Chef, dem hat ein Patient nach erfolgter Cholezystektomie ein Mosaik-Bildchen gelegt aus seinen eingefärbten Gallensteinen … das hing dann gerahmt hinter seinem Schreibtisch :-)“
Kunst als Teil der Therapie
Insbesondere, wenn Patientinnen und Patientinnen unter mangelndem Selbstwertgefühl leiden und wenig Anerkennung erfahren, kann die Ausstellung ihrer Werke zur prägenden Erfahrung werden, wie barkerlcko, tätig in der Psychiatrie und Psychotherapie, berichtet: „Für die meisten ist es das erste Mal, dass sie ihre Werke einem breiteren Publikum zeigen. Für die betreffenden Patienten ist das in hohem Maße selbstwertsteigernd und manch einer wird dazu ermutigt, seine Kreativität als wichtige Ressource zu erleben. Dabei macht es meine Praxis gemütlich und abwechslungsreich. An Nachschub mangelt es nie, ich habe immer eine ‚Warteliste‘ von Patienten, die auch mal ihre Werke bei mir ausstellen möchten. Zur Nachahmung empfohlen.“
Kunst, die verbindet
Andere nutzen ihre Räumlichkeiten, um Künstlerinnen und Künstlern aus der Region etwas Aufmerksamkeit zu verschaffen. Neurochirurg sgfoag ist in einem MVZ tätig und hat gute Erfahrungen mit Wechselausstellungen gemacht. Alle drei Monate werden Vernissagen veranstaltet – eine gute Gelegenheit für das Team, in entspannter Atmosphäre mit geladenen Freunden, Bekannten, aber auch Patientinnen und Patienten zusammenzukommen. Die Kosten für Catering trägt das MVZ, der Erlös der Kunstwerke bleibt bei den Künstlern und Künstlern.
dr_knock stimmt zu: „Ich kenne auch verschiedene Kliniken, die ihre Wände von künstlerischen Lokalmatadoren bestücken lassen, da hängt dann auch jeweils ein Preisschild drunter. So haben alle gewonnen.“
Alternativ zu Wechselausstellungen können Kunstwerke auch eine besondere Wirkung entfalten, wenn sie dort ihren festen Platz haben. Ein Kinder- und Jugendarzt, der sich an der Diskussion beteiligte, sagte, er sei sehr stolz auf die großformatigen Actionpainting-Bilder, welche in einer Frühförderaktion der Lebenshilfe von 3-6-jährigen Kindern extra für die Praxis angefertigt wurden: „Sie gehören nun schon seit 15 Jahren zum Bild meiner Praxis. Gegenüber einer großzügigen Spende sind sie in den Praxisbesitz übergegangen“.
Was muss ich beim Kauf beachten?
coliquio-Nutzer mapling, tätig in der Psychiatrie und Psychotherapie, empfiehlt, bei der Anschaffung auf Gebrauchskunst zu setzen: „Kunstgegenstände mit Anschaffungskosten bis 5.000 Euro werden fiskalisch als Gebrauchskunst gewertet und können steuerlich abgeschrieben werden. Auf diesem Wege eröffnen sich interessante Möglichkeiten, die Praxisräume mit Kunstobjekten ansprechend zu gestalten.“
Das Wartezimmer – ein Gesamtkunstwerk
Wie ein Raum wirkt, hängt nicht nur von der Gestaltung der Wände ab: ordi92, tätig in der Inneren Medizin, berichtet, dass er sein Wartezimmer schon vor vielen Jahren im Stil eines „Wiener Cafés“ mit Thonet-Sesseln, aktuellen Magazinen und Espressomaschine gestaltet habe und nun eigentlich Lust auf etwas Neues hätte: „Anlässlich meines 20jährigen Ordinationsjubiläums wollte ich diesen Raum runderneuern und habe 6 Monate lang einen Fragebogen mit Vorschlägen dazu aufgelegt. Zu meiner Freude und Überraschung haben 100% der Befragten geschrieben, dass nur ja alles so bleiben sollte wie es ist. Der netteste Kommentar eines Patienten im dafür vorgesehenen Feld war: ‚Es ist schade, dass es bei Ihnen immer recht kurze Wartezeiten gibt, ich kann mich in Ihrem Wartezimmer so gut entspannen‘. Ich habe dann nur die Türen neu streichen lassen und mit einer ähnlichen Tapete neu tapeziert.“
Diese Themen könnten Sie auch interessieren:
- Diskussion aus dem coliquio-Forum, Kunstobjekte in Behandlungsräumen und Wartezimmern?, 1.2.2022
- Ärzte Zeitung: Wie Kunst die Gesundheit verbessert, 11.11.2019
Bild: © Getty Images/KatarzynaBialasiewicz