
Burnout vs. Depression: Abgrenzung und Tipps zur Selbstdiagnose
Umfragen zeigen, dass viele Ärztinnen und Ärzte sich ausgebrannt fühlen. Doch wann ist es wirklich eine Depression und bei welchen Anzeichen sollte man sich Hilfe holen? Prof. Ulrich Hegerl, Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention, klärt auf.
Lesedauer: ca. 3 Minuten

Redaktion: Nathalie Haidlauf
Lassen sich Depression und Burn-out-Syndrom voneinander abgrenzen? Wenn ja, wie?
Es gibt keine Diagnose Burnout und unter diesem schwammigen Begriff werden einfache Überforderungen ebenso subsummiert wie schwere Erkrankungen wie Depressionen. Ein Großteil der Menschen, die wegen „Burnout“ eine längere Auszeit nehmen, erfüllt die Diagnosekriterien einer Depression. Dann sollte Depression auch Depression genannt werden. Versteckt sich hinter dem Label Burnout in Wirklichkeit eine Depression, dann sind das Überforderungsgefühl, die Erschöpfung fast immer Folge der Depression und nicht deren Ursache. In den Urlaub fahren oder Ausschlafen sind dann keine guten Ideen, da die Depression durch den Urlaub nicht weggeht und längerer Schlaf und längere Bettzeiten meist zu einer Verschlechterung der Depression führen. Schlafentzug ist ja eine etablierte Behandlung der Depression.
Gibt es eine Art Selbsttest/Selbstcheck?
Unter www.deutsche-depressionshilfe.de/selbsttest bieten wir als Hilfestellung einen Selbsttest an. Es handelt sich um einen Stimmungsfragebogen, der Hinweise dafür liefert, ob Anzeichen einer Depression vorliegen. Die Ergebnisse stellen aber keine medizinische Diagnose dar. Für eine gesicherte Diagnosestellung sollten Betroffene ihren Hausarzt, einen Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie/Nervenheilkunde oder einen Psychologischen Psychotherapeuten aufsuchen.
Was sollte jeder Arzt und jede Ärztin über die Diagnose und Behandlung von Depressionen wissen?
Depressionen sind schwere Erkrankungen, die mit einer um 10 Jahre reduzierten Lebenserwartung einhergehen. Ein fundamentales Problem ist, dass die große Mehrheit davon ausgeht, dass Depressionen vor allem eine Reaktion auf schwierige Lebensumstände sind.
Wenn jemand depressiv ist, so die vorherrschende Meinung, dann wird es schon einen Grund dafür geben – die Arbeit, Probleme in der Partnerschaft, ein Schicksalsschlag oder körperliche Erkrankungen. Tatsächlich spielen diese Dinge aber eine viel geringere Rolle als Laien, aber auch viele Ärzte vermuten.
Entscheidend für eine Depressionserkrankung ist die Veranlagung. Die kann genetisch bedingt oder durch Missbrauchserfahrungen und Traumatisierungen in der frühen Kindheit erworben sein. Menschen mit dieser Veranlagung erkranken meist mehrfach im Leben, auch wenn es ihnen eigentlich gut geht. Oft gibt es auch erkrankte Angehörige.
Was sollte der erste Schritt sein, wenn Betroffene erste Symptome feststellen?
Wie bei allen schweren Krankheiten sollten Betroffene so schnell wie möglich eine Diagnose stellen lassen und eine leitlinienkonforme Behandlung, meist mit Antidepressiva und/oder Psychotherapie beginnen.
Was fällt in den Zuständigkeitsbereich der Hausärzte und Hausärztinnen – und ab welchem Punkt ist eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung nötig?
Im ambulanten Bereich wird ein Großteil der Patienten mit Depression von Hausärzten, meist mit Antidepressiva behandelt. Begleitend zu einer solchen Behandlung, oder um die Wartezeit auf einen Therapieplatz zu überbrücken, kann ein Online-Angebot hilfreich sein. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe bietet hier das kostenfreie iFightDepression-Programm an – auch in vielen Fremdsprachen wie Ukrainisch und Arabisch. Dieses ist vom Institut für Hausärztliche Fortbildung zertifiziert. Mehr unter https://www.deutsche-depressionshilfe.de/unsere-angebote/fuer-aerzte-und-psychologen/ifightdepression
Bei Therapieresistenz, wahnhaften Depressionen und Suizidalität sollte fachärztliche Expertise hinzugezogen und eine stationäre Behandlung erwogen werden. Eine psychotherapeutische Behandlung mit Kognitiver Verhaltenstherapie ist zu empfehlen, insbesondere auch wenn Patienten sich immer wieder selbst in Überforderungssituationen bringen.
Prof. Ulrich Hegerl ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention. Er setzt sich seit über 30 Jahren für die bessere Erforschung und Aufklärung über Depression und Suizidprävention ein. Seit 2019 hat er die Johann Christian Senckenberg Distinguished Professorship an der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Goethe-Universität Frankfurt inne.