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Klinik-Wissen kompakt

20. Nov. 2023
Zerebrale Durchblutungsstörungen

Schlaganfall: Neue Behandlungsmöglichkeiten und diagnostische Herausforderungen

Aktuelle Studien bewerten die Wirksamkeit der Thrombektomie bei Verschlüssen der Basilararterien und den Einsatz von Tranexamsäure bei Hirnblutungen neu. Damit sind wichtige Konsequenzen für die klinische Praxis verbunden.

Lesedauer: ca. 2 Minuten

Schlaganfall: Neue Behandlungsmöglichkeiten und diagnostische Herausforderungen
Neue Behandlungsmöglichkeiten und diagnostsiche Herausforderungen beim Schlaganfall | Symbolbild (Foto: Dreamstime.com | Sudok1)

Dieser Beitrag basiert auf dem Vortrag von Dr. med. Bettina M. Göricke (Universitätsmedizin Göttingen) „Vaskuläre Differenzialdiagnosen“ auf dem DGN-Kongress 2023. Autor: Dr. med. Horst Gross, Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin | Redaktion: Dr. Linda Fischer

Altersdifferenz

Eine plötzliche Bewusstseinsstörung tritt oft als Folge akuter zerebrovaskulärer Ereignisse wie Blutung oder Thrombose auf. Bei Patientinnen und Patienten unter 55 Jahren überwiegen ischämische Ereignisse, während bei älteren Menschen Blutungen im Vordergrund stehen, berichtet Frau Dr. med. Bettina M. Göricke (Universitätsmedizin Göttingen). Sie betont, dass bei der Basilaristhrombose die Prognose häufig besonders schlecht sei.

Selektive Thrombektomie

Beim akuten Basilarisverschluss gilt die Kombination von Thrombektomie und systemischer Thrombolyse als Ultima Ratio, allerdings ohne konsistente empirische Evidenz, so Göricke1. Während Studien wie BASICS und BEST keine Vorteile einer zusätzlichen Thrombektomie zur Lyse nachweisen konnten, zeigen neuere Studien wie ATTENTION und BAOCHE signifikante Vorteile der dualen Behandlungsstrategie.

Eine Meta-Analyse2 sollte nun Klarheit schaffen. Sie ergab, dass nur Patientinnen und Patienten mit ausgeprägter Symptomatik (NIHSS-Score >10) von der Kombination Thrombektomie und Lysetherapie profitieren. Das neurologische Outcome verbesserte sich um den Faktor 2 (Odds Ratio 1,99). Bei einem NIHSS-Score unter 10 ergab sich für die zusätzliche Thrombektomie kein therapeutischer Vorteil. Überraschenderweise hatten die Thrombektomierten zwar eine erhöhte Anzahl an zerebralen begleitenden Blutungen, dies aber ohne Effekt auf das neurologische Outcome.

Tranexamsäure hilft

Neue Aspekte zur Therapie gibt es auch bei spontanen Hirnblutungen. In Studien wie TICH-2 wurde untersucht, ob Tranexamsäure einen Beitrag zur Reduktion der Hämatomprogression leistet.

Obwohl die Tranexamsäuregabe das Hämatomvolumen reduzierte, ergab sich keine Verbesserung des funktionellen Outcomes. Eine aktuelle Subgruppenanalyse der TICH-2 Studie bewertet diesen Sachverhalt inzwischen neu3.

Hier zeigte sich jetzt ein signifikanter Zusammenhang mit der Blutdruckeinstellung. Entscheidend war ein Schwellenwert von 170 mmHg systolisch. Bei Patientinnen und Patienten mit niedrigeren Werten bewirkte die Tranexamsäuregabe einen signifikanten Überlebensvorteil gegenüber der Hochdruckgruppe (Sterblichkeit 7 Tage post: 43 vs. 64 %). Die Umsetzung als klinische Empfehlung sei allerdings schwierig, da immer noch Forschungsbedarf zum optimalen Blutdruck besteht, kommentiert die Göttinger Neurologin.

Intoxikationsfolge Apoplex

Ein vernachlässigter Aspekt der Notfallmedizin sind zerebrovaskuläre Insulte, die durch Drogenmissbrauch induziert werden. In der Literatur wird geschätzt, dass bei etwa einem Prozent aller Schlaganfallpatientinnen und -patienten ein kausaler Zusammenhang mit dem Konsum von Drogen besteht. Göricke nennt hier Kokain und Amphetamine als häufigste Apoplexauslöser.

Die Fachärztin warnt deshalb davor, in der Notfallversorgung junger Patientinnen und Patienten Vigilanzminderungen pauschal als Drogenwirkung zu interpretieren. Die Folgen einer solchen Fehldiagnose wären gravierend.

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