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Klinik-Wissen kompakt

18. Okt. 2019
DGN Kongress 2019

Frauen und Männer in der Medizin

Obwohl mehr Frauen als Männer Medizin studieren, machen sie in Führungsebenen nur einen kleinen Teil aus. Auch gehaltstechnisch sind Ärztinnen oftmals schlechter gestellt. Wo und warum geht die Schere auseinander?

Lesedauer: ca. 3 Minuten

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Dieser Beitrag basiert auf einem Vortrag beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie in Stuttgart.1 Redaktion: Christoph Renninger

Hoher Anteil in klassischen „Frauenfächern“

Abb. 1 Anteil von Frauen und Männern in ausgewählten Fachgebieten
Abb. 1 Anteil von Frauen und Männern in ausgewählten Fachgebieten
Abb. 1 Anteil von Frauen und Männern in ausgewählten Fachgebieten
Abb. 1 Anteil von Frauen und Männern in ausgewählten Fachgebieten

Nach der Ärztestatistik der Bundesärztekammer waren im vergangenen Jahr insgesamt 392.402 Ärztinnen und Ärzte berufstätig, der Frauenanteil betrug 47,2% (185.310 Ärztinnen). Fächer mit mehrheitlich weiblichen Ärzten sind unter anderem Gynäkologie (68,2%), Kinder- und Jugendmedizin (59,8%) und Psychiatrie und Psychotherapie (52,2%). Männlich dominiert sind die Innere Medizin (38,2% Frauen), die Chirurgie (21,1%) und die Urologie (18,2%) (Abbildung 1).2

Auch in der Neurologie seien noch immer mehr Männer tätig, obwohl das Fach gut planbar und frauenfreundlich sei, so Prof. Dr. Ricarda Diem, Heidelberg, in ihrem Vortrag. Auffällig in der Statistik ist der überproportionale Anteil von Ärztinnen ohne Gebietsbezeichnung (58,3%). Prof. Diem wies darauf hin, dass die Facharztausbildung meist im Alter von Anfang/Mitte 30 Jahren abgeschlossen wird und dies mit der Familienplanung kollidiert.

Schere öffnet sich nach den Fachärzten

Abb.2 Anteil von Männern und Frauen nach Karrierestufe
Abb.2 Anteil von Männern und Frauen nach Karrierestufe
Abb.2 Anteil von Männern und Frauen nach Karrierestufe
Abb.2 Anteil von Männern und Frauen nach Karrierestufe

Eine Auswertung des Statistischen Bundesamts zeigt die Verschiebung des Frauen/Männer-Verhältnisses bei der Karriere in der Medizin (Abbildung 2). Deutlich mehr Frauen beginnen ein Medizinstudium und schließen dieses ab. Bei Promotionen und Tätigkeit ohne Weiterbildung zum Facharzt liegen Frauen noch leicht vorne. Danach steigt mit jeder Karrierestufe der Männeranteil, bis er bei den Chefärzten/-ärztinnen bei fast 90% liegt.

Abb.3 Väter und Mütter in Voll- und Teilzeit
Abb.3 Väter und Mütter in Voll- und Teilzeit
Abb.3 Väter und Mütter in Voll- und Teilzeit
Abb.3 Väter und Mütter in Voll- und Teilzeit

Wohin verschwinden die Ärztinnen? Dieser Frage ging Prof. Ricarda Diem nach und sie fand folgende Antworten: In Deutschland arbeiten nach der Geburt des ersten Kindes nur 9% aller Mütter nach der Elternzeit wieder in Vollzeit. In Teilzeit sind bei Kindern unter 3 Jahren 23% tätig. Selbst wenn das jüngste Kind 15-17 Jahre alt ist, sind nur 28% der Mütter in einer Vollzeitbeschäftigung, 46% arbeiten in Teilzeit (Abbildung 3). Der Teilzeitanteil von Müttern liegt in Deutschland deutlich über dem EU-Durchschnitt. Bei den Vätern ist unabhängig vom Alter der Kinder der Anteil an Voll- (ca.79%) und Teilzeitbeschäftigung (ca. 5%) konstant.4

Innerhalb der EU ist das Lohngefälle für die gleiche Arbeit zwischen den Geschlechtern in Deutschland am größten.5 Auch wenn dies in Kliniken bei tariflichen Gehältern kein Problem sein sollte, verweist Diem auf außertarifliche Verträge, die ihrer Erfahrung nach häufiger von Männern abgeschlossen und besser vergütet werden.

Äußere und innere Barrieren

Hindernisse für Frauen sieht Diem bei den Institutionen, aber auch bei den Ärztinnen selbst. Als zufriedenstellend bezeichnet sie die Situation bei der Kinderbetreuung, auch auf Kongressen. Handlungsbedarf besteht nach Ansicht der Neurologin noch in den folgenden Bereichen:

  • Flexible Arbeitszeiten
  • Veranstaltungen/Weiterbildung innerhalb der Arbeitszeiten
  • Homeoffice-Zeiten
  • Karriere auch in Teilzeit
  • Langfristiges und engagiertes Mentoring (durch Männer und Frauen)
  • Frauenquote in Führungspositionen
  • Kaskadenmodell (Förderung so lange, bis der Anteil auf einer Hierarchieebene so hoch ist wie auf der Ebene darunter)

Als „innere Barrieren“ bezeichnet Diem die Umstände, in denen Frauen sich selbst ausbremsen. So zögern Frauen häufiger sich auf Stellen zu bewerben oder sind zurückhaltender ihre Stärken herauszustellen. Sie betont, dass Frauen aufgrund ihrer vergangenen Erfolge einen Posten bekommen, Männer oftmals aufgrund ihres Potenzials.

Eine Studie konnte zeigen, dass beruflicher Erfolg bei Männern positiver bewertet wird als bei Frauen. In einem Versuch wurde die identische Geschichte eines erfolgreichen Unternehmers sowohl mit einem männlichen als auch einem weiblichen Protagonisten erzählt. Anschließend entschieden sich deutlich mehr der Probanden (Männer und Frauen) für den beschriebenen Mann arbeiten zu wollen.6

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