
Eigene Reanimation miterlebt: Hirngespinst?
Immer wieder wird von Überlebenden eines Herzstillstandes berichtet, die die Wiederbelebungsmaßnahmen bewusst mitbekommen haben. Was ist wirklich dran an solchen Nahtoderfahrungen? Nach einer US-Studie, bei der EEG-Befunde mit den Aussagen von Überlebenden einer kardiopulmonalen Reanimation korreliert wurden, lässt sich sowas tatsächlich nicht ausschließen.1
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Autorin: Maria Weiß | Redaktion: Dr. Linda Fischer
Die prospektive Multicenter-Studie von Dr. Sam Parnia vom NYU Langone Health und seinem Team schloss 567 Patientinnen und Patienten ein, die während eines Klinikaufenthalts einen Herzstillstand erlitten hatten. Mit Beginn des Reanimationsvorganges erhielten die Patientinnen und Patienten über Kopfhörer und Bildschirm visuelle und akustische Reize. Gleichzeitig wurden die Hirnströme aufgezeichnet und die zerebrale Sauerstoffsättigung (rSO2) bestimmt.
Sauerstoffsättigung während Reanimation nicht signifikant
Bis zur Klinikentlassung hatten 53 Patientinnen und Patienten (9,3 %) überlebt, davon 44 mit einem neurologisch guten Ergebnis. Bei 28 konnten die Forschenden ein vollständiges Interview durchführen. Überraschenderweise waren die rSO2-Werte während der Reanimation bei diesen Patientinnen und Patienten nicht signifikant höher als bei denjenigen, die nicht zu einer Befragung in der Lage waren (54 gegenüber 47 %).
Je länger reanimiert, desto weniger normnahe EEG-Muster
Bei etwa der Hälfte der EEG-Aufzeichnungen wurde gar keine kortikale Hirnaktivität registriert, in 5 % zeigte sich eine epileptiforme Aktivität. Daneben wurden aber trotz der deutlichen Hirnischämie (mittlere rSO2 = 43 %) auch normale oder fast normale EEG-Muster mit Delta- und Thetaaktivität (22 bzw. 12 %) beobachtet. Mit der Dauer der Wiederbelebungsmaßnahmen nahm der Anteil solcher normnahen EEG-Muster ab und der Anteil der Aufzeichnungen mit fehlender Aktivität nahm zu.
Erinnerungen an Abläufe nach Herzstillstand berichtet
36 % der befragten Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben an, sich an die Abläufe nach dem Herzstillstand erinnern zu können. 21 % berichteten von transzendentalen Erlebnissen, 7 % über akustische, 3,5 % über visuelle Wahrnehmungen.
Keiner der Patientinnen und Patienten konnte sich an die gezeigten Bilder auf dem Bildschirm erinnern, einer an die akustischen Reize. Ein Teil der Befragten berichtete von einem Aufwachen aus dem Koma mit unangenehmen oder angsteinflößenden Erlebnissen in Zusammenhang mit den Reanimationsmaßnahmen – ein anderer Teil hatte unabhängig von den medizinischen Abläufen eher innere Erlebnisse wie z. B. traumartige Visionen oder das Bewusstsein, verstorben zu sein. Bei keinem der Patientinnen und Patienten waren während der Reanimation klinische Zeichen eines erhaltenden Bewusstseins wie z. B. Stöhnen oder Abwehrbewegungen erkennbar.
Wiedererlangen des Bewusstseins bei Reanimation möglich
Es scheint also durchaus möglich, dass Menschen während der Wiederbelebung das Bewusstsein wiedererlangen und kognitive Erlebnisse haben, auch wenn ihnen äußerlich nichts anzumerken ist. In weiteren Studien könnte untersucht werden, ob solche Erlebnisse während eines Herzstillstandes auch zu posttraumatischen Belastungsstörungen führen können.