Vorhofflimmern: Dexmedetomidin könnte schützen
Das Sedativum Dexmedetomidin könnte bei Patientinnen und Patienten mit kritischen Erkrankungen das Risiko für neu auftretendes Vorhofflimmern reduzieren. Das legen zumindest Daten einer kürzlich erschienenen JAMA-Studie nahe.1
Lesedauer: ca. 3 Minuten

Autorin: Dr. Linda Fischer
Vorhofflimmern ist eine der häufigsten Formen von Arrhythmie bei Patientinnen und Patienten mit kritischen Erkrankungen. Die Inzidenz von neu auftretendem Vorhofflimmern (new-onset atrial fibrillation, NOAF) variiert je nach Fallzusammensetzung und Nachweismethode und reicht z. B. bei Patientinnen und Patienten mit Sepsis von 10 bis 44 %.
Dexmedetomidin ist ein hochselektiver α2-Rezeptor-Agonist, der auf der Intensivstation eingesetzt werden kann, zur
- Sedierung erwachsener, intensivmedizinisch behandelter Patientinnen und Patienten, die Sedierungstiefe benötigen, die ein Erwecken durch verbale Stimulation noch erlaubt (Richmond Agitation-Sedation Scale RASS 0 bis –3), und zur
- Sedierung erwachsener, nicht-intubierter Patientinnen und Patienten vor und während diagnostischer oder chirurgischer Maßnahmen, die eine Sedierung erfordern.
Vorteile des Sedativums für kritisch kranke Patientinnen und Patienten: Die dosis-abhängige Wirkung ist bekannt, es führt zu keiner klinisch signifikanten Atemdepression und es wirkt sympatholytisch (verringerte Herzfrequenz sowie reduzierte Erregungsleitung im Sinusknoten und im Atrioventrikularknoten). Laut den Autorinnen und Autoren der Studie deuten diese Eigenschaften insgesamt darauf hin, dass Dexmedetomidin Teil einer vielversprechenden Behandlung sein könnte, die mit einem verringerten NOAF-Risiko einhergeht.
In der Studie untersuchten die Forscherinnen und Forscher daher, ob der Einsatz von Dexmedetomidin mit der Inzidenz von NOAF bei Menschen mit kritischen Erkrankungen verbunden ist.
Längerer Aufenthalt, geringere Sterblichkeit
Die Studienkohorte umfasste 8.015 Patientinnen und Patienten (mittleres Alter 61,0 ± 17,1 Jahre; 5.240 männlich). 2.106 Personen waren Teil der Dexmedetomidin-Gruppe und 5.909 Personen waren der Gruppe zugeteilt, die kein Dexmedetomidin erhalten hatte.
Der Einsatz von Dexmedetomidin war in der Studie mit einem geringeren NOAF-Risiko verbunden (371 Personen bzw. 17,6 % vs. 1.323 Personen bzw. 22,4 %; Hazard Ratio HR 0,80; 95 % Konfidenzintervall KI 0,71–0,90). Obwohl die Patientinnen und Patienten der Dexmedetomidin-Gruppe im Median (IQR) länger auf der Intensivstation und im Krankenhaus verweilten, war Dexmedetomidin mit einer geringeren Sterblichkeit im Krankenhaus verbunden:
- Aufenthalt auf Intensiv: 4 (2,7–6,9) Tage mit Dexmedetomidin vs. 3,5 (2,5–5,9) Tage ohne Dexmedetomidin; p<0,0001
- Aufenthalt im Krankenhaus: 10 (6,6–16,3) Tage mit Dexmedetomidin vs. 8,8 (5,9-14,0) Tage ohne Dexmedetomidin; p<0,001
- Sterblichkeit im Krankenhaus: 132 Todesfälle (6,3 %) mit Dexmedetomidin vs. 758 (12,8 %) ohne Dexmedetomidin; HR 0,43; 95% KI, 0,36–0,52
Das Design der Studie
Die Studie basiert auf Daten von Patientinnen und Patienten, die in dem Zeitraum von 2008 bis 2019 auf der Intensivstation des Beth Israel Deaconess Medical Center (BIDMC) in Boston behandelt wurden. Verglichen wurden Patientinnen und Patienten, die innerhalb von 48 Stunden nach der Aufnahme auf die Intensivstation Dexmedetomidin erhielten, mit Patientinnen und Patienten, denen kein Dexmedetomidin verabreicht wurde.
Einschränkungen der Studie
Die Autorinnen und Autoren können nicht ausschließen, dass nicht gemessene Störfaktoren die Ergebnisse beeinflussen. Dazu zählen Medikamente, die vor der Aufnahme in die Intensivstation verabreicht wurden, Begleitmedikation während der intensivmedizinischen Behandlung und die Herzfunktion.
Als weitere Limitation führt das Autorenteam die Heterogenität der in der Gruppe ohne Dexmedetomidin eingesetzten Sedativa an. Zudem erfolgte die Dexmedetomidin-Verabreichung nicht einheitlich.
In der Studie wurden nur Patientinnen und Patienten berücksichtigt, die länger als 48 Stunden auf der Intensivstation verblieben. Daher können die Ergebnisse nicht auf Patientinnen und Patienten übertragen werden, die die Intensivstation aufgrund eines verbesserten Gesundheitszustands in weniger als 48 verließen oder in diesem Zeitraum verstarben.