
Jeder dritte Klinikarzt steht kurz vor dem Burn-out
Der Marburger Bund schlägt Alarm: Etwa ein Drittel der Ärzte im Krankenhaus steht nach den Ergebnissen einer Umfrage kurz vor einem Burn-out. Vor allem der allgegenwärtige Zeitdruck sowie die Arbeitsverdichtung und Bürokratie setzen den Kollegen zu, von denen viele „nur noch raus aus dem Beruf wollen.“
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Dieser Beitrag basiert auf einer Umfrage des Landesverbandes Berlin-Brandenburg des Marburger Bundes (MB), an der über 2000 Klinikärzte teilgenommen haben.1 Redaktion: Christoph Renninger
Zeitdruck, Überstunden und Ausbrennen
Nach den Ergebnissen der Umfrage empfinden es Klinikärzte als besonders belastend, unter Zeitdruck arbeiten und Entscheidungen treffen zu müssen. Fast 70 % berichten, dass sie mehrmals am Tag oder ständig gestresst sind. Etwa ein Drittel (35 %) gibt an, im Arbeitsalltag auf Station oft oder sehr oft Gefühle des Ausgebranntseins zu erleben.
Vor allem Assistenzärzte sind betroffen. Viele versuchen, den Stress zu bewältigen, indem sie die Arbeitszeit in ihre Freizeit ausdehnen, das Arbeitstempo erhöhen oder oberflächlicher arbeiten als sonst. Darunter könnte auch die Patientenversorgung leiden: Gut die Hälfte (53 %) der Klinikärzte bezeichnet es als frustrierend, dass Arbeitsbedingungen und Klinikvorgaben es ihnen immer mehr erschweren, die Patienten den eigenen medizinischen und auch ethischen Ansprüchen entsprechend zu versorgen.
Knapp 30 % fühlten sich durch Probleme belastet, die aus schlechter Arbeitsorganisation und dem Nichteinhalten von Absprachen resultieren. Zudem ist die Arbeitsbelastung hoch – die Wochenarbeitszeit der Klinikärzte liegt im Schnitt 11,7 Stunden (in der Spitze sogar 20 Stunden) über der tariflich vereinbarten Wochenarbeitszeit. Die Diskrepanz ist in Universitätskliniken mit 13,4 Stunden am größten.
Überstunden, Abstriche bei der Qualität und Präsentismus
Mehr als zwei Drittel der befragten Ärzte gaben an, oft oder sehr oft auf ausgleichende Freizeitaktivitäten zu verzichten und stattdessen Überstunden zu machen. Die Intensivierung der Arbeitszeit führt zudem zu einem Arbeitstempo, dass nach Ansicht der Befragten nicht langfristig durchgehalten werden kann.
Etwa 59 % machen oft oder sehr oft Abstriche bei der Qualität der Behandlung. Diese Methode zur Stressbewältigung ist vor allem bei Assistenzärzten ausgeprägt und wird weniger von Fach- und Oberärzten angewendet. Trotz Krankheit zur Arbeit zu gehen (Präsentismus) ist ebenfalls unter Nachwuchsärzten weit verbreitet. Mehr als jeder Dritte gab an, oft oder sehr oft krank zu arbeiten.
Depressivität, Wohlbefinden und Kündigungen
Neben dem arbeitsbezogenen Burn-out kommt es bei 7% der Befragten oft, sehr oft oder fast immer zu Symptomen von Depressivität. Hierzu zählen Gefühle von Niedergeschlagenheit, Antriebs- und Lustlosigkeit. Allerdings wird die Empfindung einer verminderten Lebensqualität in der Umfrage von einer affektiven Störung differenziert.
Auf Seiten der positiven Indikatoren stimmten gerade einmal 15% der Aussage zu, sich die meiste oder die ganze Zeit ausgeruht, entspannt und aktiv zu fühlen. Mit ihrer Arbeit im Allgemeinen zufrieden oder sehr zufrieden sind jedoch 43% der Ärzte. Bei Oberärzten ist das Wohlbefinden und die Arbeitszufriedenheit am stärksten ausgeprägt.
Fast alle der befragten Ärzte beschäftigen sich aktiv mit einer Kündigung. Bei 14% ist es mehrmals in der Woche oder sogar täglich der Fall, dass über einen Wechsel der Arbeitsstelle oder des Berufs nachgedacht wird.
Nach Aussage des Hauptgeschäftsführers beim MB-Bundesverband Armin Ehl, seien jetzt „intelligente“ Personaluntergrenzen, verlässliche Dienstpläne und Investitionen ins Personal notwendig. „Wir brauchen mehr Köpfe im Spiel.“ Ansonsten drohe die Versorgung Schaden zu nehmen. „Arztschutz ist Patientenschutz.“2 Unterstützung für Kollegen nach belastenden Situationen bieten junge Notfallmediziner über neue Hotline für Ärzte.
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