Titelbild von Klinik-Wissen kompakt
Logo von Klinik-Wissen kompakt

Klinik-Wissen kompakt

20. Nov. 2016

Die Vagus-Meditation: 6 Übungen gegen Stress im Arztalltag

In-Artikel Bild

Lesedauer: ca. 3 Minuten

Der Arztberuf zählt zu den angesehensten Tätigkeiten in Deutschland. Doch eingebettet in ein Klima aus Zeitdruck und hoher Arbeitsbelastung birgt er auch enorme gesundheitliche Risiken. Wie gelingt es dennoch, stressbedingten Erkrankungen vorzubeugen?

Eine einfache Möglichkeit ist laut Prof. Dr. Gerd Schnack, Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Sportmedizin, die sogenannte Vagus-Meditation. Lesen Sie hier, wie Sie mit sechs einfachen Übungen auch im Arztalltag Stress schnell abbauen können.

Die Vagus-Meditation wirkt im Gegensatz zur klassischen Meditation direkt im Sinne einer Soforthilfe in den unterschiedlichsten Stress-Situationen – sei es bei Mittagsmüdigkeit am Arbeitspatz, in Konflikten oder bei belastenden Nachtdiensten, betont Prof. Dr. Schnack. In seiner Publikation „Die Vagus-Meditation“ (Klinikarzt 2016; 45 (1): 6-8) beschreibt der Leiter des Allensbacher Präventionszentrums mit welchen Übungen eine schnelle Regeneration gelingen kann.

Stimulation von 3 Hirnnerven löst Entspannung aus

Im Zentrum dieser Entspannungstechnik steht der X. Hirnnerv, der sogenannte Vagusnerv. Er ist der größte Nerv des Parasympathikus und an der Regulation der Tätigkeit fast aller inneren Organe beteiligt. Die Vagus-Meditation bietet die Möglichkeit, so Prof. Schnack, diesen X. Hirnnerv willentlich zu beeinflussen. Notwendig hierfür ist die Stimulation des motorischen Augennervs (N. oculomotorius), des Gesichtsnervs (N. facialis) sowie des IX. Hirnnervs (N. glossopharnygeus).

Der Vagus leitet dann die Information unmittelbar an Herz, Lunge und Bauchraum bis zur linken Dickdarmflexur weiter, mit beispielsweise folgenden Ergebnissen:

  • Beruhigung des Herzkreislaufsystems mit Blutdruckabfall und Absenkung der Herzfrequenz.
  • Verlagerung der seitlichen Brustatmung in die tiefe Bauchatmung unter Betonung des Zwerchfells.
  • Beschleunigung der Magen-Darmpassage.
  • Verstärkung aller regenerativer Prozesse mit Muskelentspannung.
  • Rückbildung von chronischen Schmerzen.
  • Stimulation des Immunsystems.

Anregung des Vagus: 6 Übungen zur sofortigen Entspannung

Mit folgenden sechs Übungen lässt sich nach Erfahrung von Prof. Schnack auch im Klinikalltag schnell eine Tiefenentspannung erreichen:

1. „Cinema interne“: Hier gilt es, bei geschlossenen Augen eine extreme Naheinstellung durch Fixierung der Augenlider von hinten zu erreichen. Zunächst erscheint alles grau in grau, bald tauchen Farben auf, nicht selten das ganze Sonnenspektrum, das besonders bei Lichteinfall vor einem sonnendurchfluteten Fenster oder vor einer 100 Watt-Lampe in Erscheinung tritt. Auch Einschlüsse im Augenwasser, die „fliegenden Mücken“, können ins Visier genommen werden.

2. Doppelbilder: Unter Akkommodation versteht man die Fähigkeit des Auges, die Brechkraft dynamisch anzupassen und dadurch Gegenstände in unterschiedlicher Entfernung scharf zu sehen. Doppelbilder prägen das Akkommodationstraining. Verstärkend wirkt eine Achtertour der Augen um die beiden Gegenstände herum.

3. Augenpressur: Augenpressur erreicht seine unmittelbare Tiefenentspannung durch den zarten Druck beider Hände gegen die geschlossenen Augen, der mechanische Reiz trifft unmittelbar das Ganglion ciliare, in dem parasympathische Fasern gebündelt werden.

4. Kehlkopfvibrationen: Parallel zum „Cinema interne“ sind es Kehlkopfvibrationen den IX. Hirnnerven reizen. Gefragt sind vier stimmungsvollen „S“, ausgelöst durch Schnurren, Summen, Singen, Brummen. Hiermit verbunden ist eine tiefe Ausatmung, die vom Parasympathikus bestimmt ist, denn bei der nächsten Einatmung ist bereits wieder der Sympathikus aktiv. Neben dem Schnurren können auch kurze Melodien leise oder summend in ständiger Wiederholung genutzt werden. Gefragt sind die Vokale A, O, U. Verstärkend wirkt das Abrufen von Glücksmomenten aus der Vergangenheit im Sinne eines erinnerten Wohlbefindens.

5. Zungenstretching: Eine weitere Stimulation des IX. Hirnnerven erfolgt durch Zungenstretching. Hierbei wird die Zunge maximal nach vorn verlagert, eingerollt und gegen den oberen Gaumen gedrückt.

6. Anspannung der Schläfenmuskeln: Eine unterstützende Episode ist die Anspannung der Schläfenmuskeln zur Aktivierung des N. facialis durch Bewegen der Kopfhaut, die Ohren einbezogen. Gleichzeitig verschieben sich die Augenbrauen nach oben, sodass die stressbedingte Zornesfalte, die nicht selten Spannungskopfschmerzen verursacht, ausgeglichen werden kann.

In-Artikel Bild

Dieser Beitrag wird vertreten durch Professor Dr. Gerd Schnack, Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Sportmedizin; Leiter des Allensbacher Präventionszentrums, am Institut für Gesundheitsförderung und als Dozent für Musikmedizin an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg tätig, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Präventivmedizin und Präventionsmanagement sowie Autor mehrerer Bücher und Publikationen. Weitere Beispiele und Übungen gegen Stress und zur Vorbeugung von Burnout finden Sie auch in seinem Buch: „Der große Ruhe-Nerv“, erschienen im Herder-Verlag.

Quellen anzeigen
Impressum anzeigen