Atemfrequenz: Unterschätzter Parameter?
Im klinischen Alltag wird die Atemfrequenz wesentlich seltener gemessen als andere Vitalparameter, wie Blutdruck, Temperatur und Herzfrequenz. Dabei ist sie von prognostischer Bedeutung und kann helfen, Risikopatienten zu identifizieren.
Lesedauer: ca. 3 Minuten
Dieser Beitrag beruht auf einer Publikation in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift 1 und wurde von Christoph Renninger, coliquio-Redaktion, für Sie aufbereitet.

Wichtiger Prädiktor für kardiopulmonale und metabolische Ereignisse
Eine pathologische veränderte Atemfrequenz ist ein wichtiger Prädiktor für schwere kardiopulmonale und metabolische Ereignisse. Sie ist von prognostischer Bedeutung bei Erkrankungen wie
- Lungenembolie, Asthma bronchiale, Herzinsuffizienz, Sepsis und nach Lebertransplantationen.
Doch obwohl die Messung einfach ist, erfolgt die Analyse noch immer eher selten. Dass auch eine Verbindung zwischen Atemfrequenz und Sterblichkeit besteht, zeigen aktuelle Studien.
Verbindung zwischen Atemfrequenz und Mortalität in der Notaufnahme
In einer Kohorten-Studie haben schwedische Wissenschaftler retrospektiv die Assoziation zwischen Vitalparametern und der Mortalität bei Patienten in der Notaufnahme untersucht. Das Ergebnis: Eine verminderte (<8 / Minute) oder erhöhte (>30 / Minute) Atemfrequenz war mit einer 18-fach bzw. fünffach höheren Sterblichkeit innerhalb des ersten Tages verbunden. Auch nach einer Adjustierung für Patientencharakteristika, wie Komorbiditäten oder Alter, war die Rate der 30-Tages-Mortalität und der Verlegungen auf die Intensivstation bei einer Atemfrequenz >30/ Minute signifikant höher. 2
Risikoabschätzung bei ambulant erworbenen Pneumonien
Die Letalität ambulant erworbener Pneumonien (community-acquired pneumonia, CAP) ist noch immer hoch, das Risiko wird aber dennoch häufig unterschätzt. In einer retrospektiven Analyse von mehr als 700.000 Patienten in deutschen Kliniken zeigte sich, dass eine Atemfrequenz von <12/ Minute und Werten von >20/ Minute mit einer signifikant höheren Sterblichkeit assoziiert war. Insgesamt lag die Mortalität bei 13,1 Prozent, wobei auch Faktoren wie Alter, Blutdruck oder Pulsamplitude das Risiko beeinflussen. Die Autoren betonen die Bedeutung der Atemfrequenz als unabhängiger Risikomarker, auch bei anderen akuten Erkrankungen. 3
Das Risiko einer CAP wird anhand des CRB-65-Scores bestimmt. Desorientierung, Atemfrequenz, Blutdruck und Alter (Confusion, Respiratory Rate, Blood Pressure, ≥65 Jahre) sind hierbei die zu beachtenden Parameter. Die Dokumentation ist im Rahmen der Qualitätssicherung in Deutschland vorgeschrieben. Studien hatten gezeigt, dass durch eine rasche Abschätzung der Prognose Todesfälle verhindert werden können.
Methoden zur Bestimmung der Atemfrequenz: So geht´s
Die Messung der Atemfrequenz erfolgt am einfachsten durch Beobachtung und Zählen der atemabhängigen Brustkorbbewegungen. Auch wenn keine offiziellen Referenzbereiche vorliegen, liegt der Normwert für Erwachsene zwischen 12 und 20 / Minute. Faktoren, welche die Frequenz beeinflussen, sind Alter, Körpertemperatur und das vegetative Nervensystem.
Alternativen sind die Impedanzplethysmografie, welche Impedanzänderungen des Brustkorbs bei der Atmung registriert oder die akustische Analyse des Atemgeräuschzyklus. Auch piezoelektronische Messmethoden werden klinisch eingesetzt.
Atemfrequenz und Sauerstoffsättigung: Wichtige Kombination
Post-operativ und bei Patienten unter Opioidtherapie ist eine intensive Überwachung der Sauerstoffsättigung und der Atemfrequenz von großer Bedeutung, um eine Atemdepression frühzeitig zu erkennen. Die Atemfrequenz ist bei Hypoxie, Hyperkanie und metabolischer Azidose erhöht und kann daher helfen, Risikopatienten zu identifizieren. Gerade in Kombination mit der Sauerstoffsättigung können akute respiratorische Krankheiten erkannt und versorgt werden. Bei stationär auftretendem Herzstillstand ist die Atemfrequenz sogar von höherer prädiktiver Bedeutung als Parameter wie Sauerstoffsättigung oder systolischer Blutdruck. 1
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